Pläne für Islamzentrum in München:Schluss mit Heimweh

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Im Modell gab es das Zentrum seit Januar 2015: Damals stellten Imam Benjamin Idriz (rechts) und Architekt Alen Jasarevic die Entwürfe vor. (Foto: Catherina Hess)
  • Ein Architekt hat Pläne für ein "Münchner Forum für Islam" (MFI) vorgelegt, das nicht nur eine Moschee, sondern auch ein Museum, Läden und ein Gemeindehaus beinhalten soll.
  • Eine Moschee zu errichten ist in Zeiten von Pegida und Ängsten vor dem Islam jedoch nicht leicht. Das zeigen der Volksentscheid für ein Bauverbot von Minaretten in der Schweiz sowie ein Bürgerbegehren der rechtspopulistischen Bewegung "Pro Köln".

Von Laura Weissmüller

Es ist, als würden die drei Gebäude einen Begrüßungsknicks machen. Immer zwei von ihnen sind so auf dem rechteckigen Grundstück zueinander verschoben, dass sich ein spitz zulaufender Platz zwischen ihnen ergibt - und eine enorme Sogwirkung, die den Passanten von der Straße schnurstracks über die Freitreppen auf eine Art intime Piazza im Zentrum der drei Baukörper zieht.

"Wir wollen, dass sie quasi reinflutschen", sagt Alen Jasarevic. Der Architekt aus Mering hat die Pläne für ein "Münchner Forum für Islam" (MFI) entworfen. Das soll, wenn es denn so realisiert wird - was überhaupt noch nicht klar ist, da weder die Finanzierung steht noch dem Entwurf ein Architekturwettbewerb vorausgegangen ist -, nicht nur eine Moschee beinhalten, sondern auch eine Akademie, ein Museum, Läden, Studentenwohnungen und ein Gemeindehaus. Der Begriff Moschee reicht also lange nicht aus, um den laut Stadtbaurätin Elisabeth Merk "interessanten Beitrag zur Debatte über ein Islamzentrum" zu erfassen. Trotzdem steht immer Moschee drüber, wenn bislang über den Entwurf diskutiert wurde.

Islamfeinde sammelten Unterschriften gegen eine Moschee

Kein Wunder, in Deutschland eine Moschee zu errichten, ist kein leichtes Unterfangen. In Zeiten von Pegida und irrationalen Ängsten vor dem Islam hat sich dieser Konflikt noch zugespitzt. Doch Kuppel und Minarett reichten schon vorher aus, um gar nicht wenigen Einwohnern westlicher Länder Angst zu machen. 2009 stimmten die Schweizer per Volksentscheid für ein Bauverbot von Minaretten. In Köln versuchte zwei Jahre früher die rechtspopulistische Bürgerbewegung "Pro Köln", den Bau einer Großmoschee durch ein Bürgerbegehren zu stoppen und erhielt dafür 23 000 Unterschriften, von denen aber 7000 ungültig waren. In München sammelten Islamfeinde im vergangenen Herbst mehrere zehntausend Unterschriften gegen den Bau einer Moschee. Dabei gab es damals noch gar keine konkreten Pläne.

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(Foto: Jasarevic Architekten)

So könnte das neue Islam-Forum aussehen: Die Fassade aus raffiniert geformten Stelen suggeriert Transparenz.

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(Foto: N/A)

Sie soll den Blick von innen nach außen erlauben - und umgekehrt. Die Pläne für das Projekt stammen vom Meringer Architekten Alen Jasarevic.

Der Wunsch nach Offenheit drückt sich auch in der Anordnung der drei polygonalen, ein wenig an große Findlinge erinnernde Baukörper aus.

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(Foto: Jasarevic Architekten)

Zwischen ihnen ergibt sich ein spitz zulaufender Platz - und eine Sogwirkung, die den Passanten über die Freitreppen auf eine Art Piazza zieht.

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(Foto: Jasarevic Architekten)

Eine geschickte Einladung an alle, sich hier, geschützt von Lärm und Straßenverkehr aufzuhalten.

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(Foto: Jasarevic Architekten)

Das "Forum für Islam" soll nicht nur eine Moschee beinhalten, sondern auch eine Akademie, ein Museum, Läden, Studentenwohnungen und ein Gemeindehaus.

Jetzt gibt es sie. Und das, was Architekt Alen Jasarevic zusammen mit Imam Benjamin Idriz vom MFI entwickelt hat, hat nicht nur das Zeug, ein an guter zeitgenössischer Architektur erschreckend armes München mit einem städteplanerisch wie ästhetisch überzeugenden Gebäudeensemble zu bereichern, sondern auch - und das ist fast noch wichtiger - die Typologie, was eine Moschee in Deutschland heute sein kann, radikal fortzuschreiben. Vom Gebetshaus zum Treffpunkt für alle.

Aber der Reihe nach. Wer die Pläne studiert, die der 1973 geborene Architekt für das Grundstück an der Dachauer Straße im künftigen Kreativquartier entwickelt hat, kann ein Grundmotiv aus dem Entwurf herausfiltern. Es heißt: größtmögliche Offenheit. Das fängt bei der Entscheidung an, die verschiedenen Funktionen statt in einen hermetischen Block auf drei Gebäude zu verteilen. Dadurch entstehen Wege, die das Areal durchkreuzen. Auch wer als Fußgänger nur eine Abkürzung sucht, könnte einfach durch das Forum laufen - und sähe zwangsläufig, was hier alles zu entdecken ist.

Die Fassade wirkt wie eine ornamentale Baumrinde

Der Wunsch nach Offenheit drückt sich aber auch in der Anordnung der drei polygonalen, ein wenig an große Findlinge erinnernde Baukörper aus, die vielfach öffentliche Plätze ergeben. Eine geschickte Einladung an alle, sich hier, geschützt von Lärm und Straßenverkehr, aufzuhalten. Transparenz suggeriert hier ebenfalls die Fassade, die sich über sämtliche Baukörper zieht. Was wirkt wie eine ornamentale Baumrinde, soll aus schlanken, perforierten Betonstelen bestehen, die durch ihren Abstand voneinander von überall Durchblicke ermöglichen - wenn nicht sowieso große Fensterbänder den direkten Blick ins Innere des Gebäude zulassen.

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Bleiben noch Kuppel und Minarett. Eigentlich bräuchte es beides laut Koran gar nicht. Doch der Architekt hat sich bewusst dafür entschieden - zum Glück. Denn das Minarett wird bei ihm zum skulpturalen Campanile. Die Kuppel hat er mit so viel Schwung über den größten Baukörper gezogen, dass sie ihn wie eine Kappe schmückt. Die traditionellen Bauelemente hat Jasarevic damit so transformiert, dass sie zu diesem Ort passen würden.

Neben der Architektur lässt sich aber auch das inhaltliche Konzept dem Grundmotiv zuordnen. Da wäre einmal das breite Angebot. So sieht der Plan ein Café vor und ein Museum, das neben Platz für Wechselausstellungen den Raum böte, die viel zu wenig bekannte, aber höchst spannende gemeinsame Geschichte von München und dem Orient zu erzählen. Eine überfällige Ausstellung und zwar für alle, die sich für diese Stadt interessieren.

Unbestreitbar der größte Beweis für die Offenheit des Projekts dürfte aber der Meditationsraum für alle Religionen sein, der auf Bodenniveau von der Dachauer Straße und dem Kreativquartier aus zugänglich wäre. Er soll auch Menschen zur Verfügung stehen, die gar nichts mit Religion am Hut haben, die einfach einmal kurz zur Ruhe kommen wollen. Oder, wie der Architekt sagt, "was für die Seele machen".

Die Lage der geplanten Moschee an der Dachauer Straße gegenüber der Funkerstraße. (Foto: Jasarevic Architekten)

Die Chancen, die ein solcher Begegnungsraum bietet, sind faszinierend. Schließlich befinden wir uns gerade in einer neuen Ära der Religionskriege. Wenig erstaunlich, dass alle Politiker und Journalisten, aber auch interessierte Bürger, die am Tag der offenen Tür im temporären Quartier des MFI die Pläne studierten, gerade von diesem Ort begeistert waren. Nur: Wie realistisch ist es, dass so etwas auch gebaut wird?

"Sehr realistisch", sagt Jasarevic. Schließlich sei das Konzept gemeinsam mit dem Bauherren in jahrelanger Arbeit entwickelt worden. Und hier liegt der große Unterschied zum ähnlich ambitioniert gestarteten Moscheebau in Köln. Denn dort entspricht regelmäßig das, was der Architekt Paul Böhm will, nicht dem, was sich die türkische Gemeinde wünscht. Plädiert der Entwerfer für eine konsequent zeitgenössische Architektur, ist das vielen Gemeindemitglieder zu modern. Sie erkennen in dem, was Böhm plant, nicht das wieder, was sie mit einer Moschee verbinden.

Der Grad an Öffentlichkeit wurde reduziert

Damit war der Streit in Köln nicht nur programmiert. Es zeichnete sich auch ziemlich schnell ab, dass Ideen, die bei vielen Kölnern große Zustimmung fanden, nicht so umgesetzt werden können. So wurde sukzessiv der Grad an Öffentlichkeit reduziert. Das Café am Vorplatz der Moschee: gestrichen. Der Basar, auf dem die Gebäude aufgesockelt sind: mit Toren verschlossen. Zwischen Architekt und Bauherr hat sich ein zähes Ringen um das Projekt entwickelt. Die Moschee, noch nicht einmal offiziell eröffnet, gilt schon jetzt als "Ruine ihres Anspruchs".

Schwierigkeiten im Bauprozess, Baumängel, Bauverzögerungen - nichts Ungewöhnliches in einem Land, wo selbst Prestigeprojekte wie die Elbphilharmonie in Hamburg oder der Berliner Flughafen jahrelang stocken, Architekten von ihren Bauherren verklagt werden und Billigfirmen Murks abliefern, weil der Kostendruck so hoch war, dass nur der Preis, aber nicht die Qualität beim Auswahlverfahren der Firmen zählte.

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Doch bei Moscheen kommt noch etwas hinzu: Viele sehen darin den betonierten Beweis, ob die Integration der Muslime in unserer Gesellschaft gelingt - oder eben nicht. So als könnten Glasfenster zeigen, wie die Menschen es dahinter mit ihrem Glauben halten. Eine Erwartungshaltung, die kaum zu erfüllen ist. Die Architektur kann nur den Rahmen bilden, für die Handlung sind die Menschen zuständig. Oder, wie Jasarevic sagt: "Im Idealfall spielt die Architektur eine gute Nebenrolle, die sehr wichtig sein kann."

Die Moschee in Penzberg ist keine "Heimwehmoschee"

Jasarevic muss es wissen. Er hat mit Benjamin Idriz bereits das Islamische Forum in Penzberg gebaut, das 2005 eröffnete. Wer in Deutschland nach einem Beispiel für zeitgenössische Moscheen sucht, landet zwangsläufig bei dem schlichten Baukörper mit der auffallend ornamentalen Fassadenstruktur. Denn neben Köln steht in Penzberg eine der wenigen Moscheen, die nicht in die Kategorie "Heimwehmoschee" fällt - also jene Gotteshäuser, die aussehen wie Orient-Imitate, mit ausgeprägter Kuppel und Bleistift-Minaretten.

"Ich mag keine Kopie, ich mag etwas Originelles", sagt Idriz. Hinter dem architektonischen Konzept stehe eine Vision: "Wir müssen einen Raum bieten für eine neue Generation." Weder lebe man in der Türkei, noch im Osmanischen Reich, sondern in Deutschland, genauer: im München des 21. Jahrhunderts. Die Menschen, an die sich das MFI richtet, wissen das. Sie gehören einer Generation an, die hier geboren ist, hier studiert hat, sich hier zu Hause fühlt. Als Teil der Mehrheitsgesellschaft, die nicht nur einen Ort zum Beten haben will, sondern auch einen, um sich zu treffen, um Ausstellungen zu besuchen, Kaffee zu trinken. Das macht das Projekt so spannend - für ganz München. Die Stadt sollte viel dafür tun, dass es realisiert wird.

© SZ vom 13.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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