Perspektive: Freising:Der Nachbar gibt keine Ruhe

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Viele Freisinger sind gegen den Ausbau, nicht gegen den Airport

Von Kerstin Vogel, Freising

25 Jahre in der Nachbarschaft eines internationalen Großflughafens - ja, Freising hat sich verändert. Das lässt sich an den Bevölkerungszahlen ablesen - um die 10 000 Menschen sind seit der Eröffnung 1992 nach Freising gezogen -, an der Zahl der Arbeitsplätze oder den Autos auf den verstopften Straßen. Die Stadt ist relativ jung, das bringt der Zuzug mit sich - und sie ist politisch ein wenig anders.

Im Freisinger Stadtrat hat es die allgegenwärtige CSU seit Jahren schwerer als anderswo. Bei der Wahl 2014 stimmten 22 Prozent für die Grünen und stolze 26,7 Prozent für die freie Wählergruppe "Freisinger Mitte". Die CSU landete am Ende bei 16,3 Prozent. Diese Schlappe hat sicher auch mit dem Nachbarn im Moos zu tun, doch es ist nicht der Flughafen selber, der die Stadtgesellschaft spaltet, es sind die 2005 bekannt gewordenen Pläne für den Bau einer dritten Startbahn. Dass die Flughafengesellschaft mit ihrem Mehrheitseigner, dem Freistaat Bayern, diese Pläne so hartnäckig verfolgt, das lasten die Freisinger schon auch "ihrer" CSU an.

Dabei sind nur wenige von ihnen wirklich Flughafengegner, wie sinnlos wäre das auch, ein Vierteljahrhundert nach der Eröffnung? Die meisten wissen den Wohlstand und ihre Arbeitsplätze am Flughafen zu schätzen oder - ganz banal - die kurzen Wege zum Urlaubsflieger. Mit den Nachteilen, die so ein Großflughafen in der unmittelbaren Nachbarschaft mit sich bringt, hat man sich größtenteils arrangiert.

Klar ist es mancherorts lauter als vor 25 Jahren. Der Verkehr auf den Straßen hat zugenommen, weil die Menschen ja auch hinmüssen zu ihren Arbeitsplätzen, die Mieten sind hoch, Wohnraum ist knapp, solche Sachen. Der Fachkräftemangel ist seit Jahren ein Thema, die Handwerker klagen, weil die jungen Menschen lieber einen Bürojob am Flughafen wollen, als Maurer oder Metzger zu werden. Gleichzeitig klagt die Stadt, dass sie mit dem Bau von Sozialwohnungen nicht hinterherkommt, weil eben nicht jeder Job am Flughafen einen Besserverdiener hervorbringt.

Trotzdem wäre wohl alles gut, wenn es für den Nachbarn im Moos nicht immer weiter gehen müsste mit dem Wachstum, wenn die Stadt irgendwann einmal zur Ruhe kommen dürfte, um die Folgen des Booms bewältigen zu können. Denn abgesehen von den fehlenden Wohnungen müsste die soziale Infrastruktur angepasst werden, ebenso das Straßensystem, man müsste aufholen können, um die Lebensqualität für kommende Generationen zu sichern, ein Paradigmenwechsel weg vom reinen "Höher-schneller-weiter" erscheint vielen Freisingern notwendig.

Die Startbahnpläne aber schnüren die Stadt ein. Mit dem Bannwald im Norden und dem Universitätscampus im Westen sind der räumlichen Expansion ohnehin Grenzen gesetzt. Erweitert der Münchner Flughafen seine Verkehrsanlagen im Süden der Stadt, bedeutet das nicht nur noch mehr Zuzug, Verkehr und Folgelasten für die Kommune, die Stadt verlöre auch ihre letzten Flächen für eine Ausdehnung. Der dringend benötigte Wohnraum könnte dann nur noch über Nachverdichtung geschaffen werden - man müsste in Zukunft in die Höhe bauen. Die größten Veränderungen stehen der Stadt also möglicherweise noch bevor.

© SZ vom 16.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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