Personalpolitik der Staatsoper:"Man tritt die Menschen mit Füßen"

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Zu alt für die Zauberflöte: Mitarbeiter über 60 Jahre sind in der Staatsoper offenbar unerwünscht.

Philipp Crone

Bis zum 31. Juli dieses Jahres war alles normal, erzählt Maria Lutz (Name geändert). Nur die Fotos, die von den Mitarbeitern der Staatsoper einen Tag zuvor gemacht wurden, hatten sie ein bisschen irritiert. Von da an ging es ganz schnell.

Das Personal der Staatsoper, das etwa die Gäste in der Pause betreut, ist nun jünger. (Foto: Foto: Rumpf)

Der 31. war der letzte Arbeitstag der 73-Jährigen als Platzanweiserin in der Oper, an dem Arbeitsplatz, der ihr immer am meisten Spaß gemacht hatte, und wo sie viele Gäste gut kannte. Lutz ist Opfer der Verjüngungskur der Staatsoper geworden, auf eine Art und Weise, die sie als "diskriminierend" empfindet.

Der Arbeitsplatz von Maria Lutz war für lange Zeit die Wittelsbacher-Loge im Parkett der Oper gewesen. Vier bis fünfmal in der Woche arbeitete sie dort, um sich etwas zur Rente dazu zu verdienen. Der Einsatz begann um 18 Uhr mit dem Appell. "Es sind immer etwa 60 Mitarbeiter da, die unterschiedlich eingeteilt werden", sagt Lutz.

Programmhefte verkaufen, an der Garderobe die Mäntel entgegennehmen, die richtigen Plätze zuweisen oder den Gästen Auskunft geben. "Immer donnerstags gibt es die Einteilungslisten für die kommende Woche vom Veranstaltungsdienst Paul Mayr, bei dem wir angestellt sind."

Diese Firma entsendet Personal an Theater und Museen in München, auch an die Oper. Als Lutz Anfang des Jahres nicht mehr für die Wittelsbacher Loge eingeteilt wurde, wunderte sie sich, aber fand sich auch mit der neuen Aufgabe zurecht. Nun im dritten Rang, ganz oben. "Dort war es auch schön, es gibt da so viele Abo-Leute, die regelmäßig kommen."

Am 30. Juli gab es zwei Neuigkeiten: Termine für ein Fotoshooting und einen Benimmkurs. "Die Fotos von den Mitarbeitern sind gemacht worden, um anhand der Bilder zu überlegen, welche neue Uniform wohl zum Personal passen würde", sagt der Intendant der Staatsoper, Nikolaus Bachler. Es waren Portraitfotos, sagt Lutz, man habe die alten Kollegen danach aussortiert.

Lutz erinnert sich, dass sich jeder der Kollegen ein Blatt Papier mit einer dreistelligen Nummer vor die Brust halten musste. Dazu Bachler: "Bei 80 Mitarbeitern kann man ja nicht alle Namen wissen. Aber es wurde niemand nach den Fotos ausgesucht. Und ein Bewerbungsfoto ist ja heute normal." Am gleichen Tag wurden die Mitarbeiter aufgefordert, an einem Benimmkurs teilzunehmen, sagt Lutz. "Da arbeitet man jahrelang dort und irgendwann wird einem gesagt, dass man nun Benehmen lernen soll."

"Niemand hat etwas zu mir gesagt"

Mit dem 31. Juli endete die Spielzeit, und erst einmal gingen alle in den Urlaub, auch Max Schelling (Name geändert). Der 73-Jährige arbeitete bis dahin bereits seit zehn Jahren für die Firma Paul Mayr in der Staatsoper. "Am Ende der Spielzeit hat niemand etwas zu mir gesagt", erzählt er. "Als ich mich nach dem Urlaub allerdings nach dem Dienst erkundigte, hieß es: Sie dürfen nicht mehr für die Oper arbeiten."

Unter den Mitarbeitern kursierte das Gerücht, dass die Hausverwaltung der Staatsoper der Personalfirma eine Liste mit Namen von etwa 35 Kollegen geschickt habe, die für den Dienst in der Oper nicht mehr in Frage kommen. 30 dieser Kollegen seien über 60 Jahre alt gewesen.

Im Parkett nur Mitarbeiter unter 40 Jahren

Ein Dienstleiter, der auch von der Firma Mayr kommt und ungenannt bleiben möchte, sagt: "Es gibt jetzt nur noch zwei, drei ältere Personen." Bachler sieht das anders: "Der Altersschnitt bei uns ist nun ein Querschnitt der Bevölkerung." Der Dienstleiter erzählt: "Der Vorgesetzte in der Hausverwaltung hat angeordnet, dass im Parkett nur Mitarbeiter unter 40 Jahren arbeiten dürfen, alle anderen müssten in die höheren Ränge." Und: "Früher haben wir immer die Mitarbeiter eingeteilt, jetzt will das die Hausverwaltung selbst machen."

Ein weiterer Kollege, der nun auch nicht mehr in der Oper arbeiten darf, wandte sich an die Staatsregierung. Der damalige Staatsminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Thomas Goppel, antwortete ihm. Man wolle den Vorgang prüfen. Weder die Personalfirma Paul Mayr noch der Vorgesetzte aus der Hausverwaltung der Staatsoper wollten sich zu den Vorwürfen äußern.

Maria Lutz erfährt wie Max Schelling nach ihrem Urlaub, dass sie in der Oper nicht mehr erwünscht ist. Gewundert habe sie sich da allerdings schon nicht mehr. "Der Vorgesetzte aus der Hausverwaltung hat zu dem Zeitpunkt schon öffentlich vor der Belegschaft gesagt, dass 70-Jährige eine Zumutung für die Gäste sind." Sie hätte es ja verstanden, wenn peu à peu junge Leute nachkommen, aber so "habe ich mich einfach diskriminiert gefühlt".

Hausverbot für langjährige Mitarbeiter

Früher habe es auch ab und zu ein Lob gegeben, wurden Briefe von zufriedenen Gästen vorgelesen. "Jetzt tritt man da die Menschen mit Füßen." Schelling erinnert sich, dass der Vorgesetzte von der Hausverwaltung zu Mitarbeitern, die schon lange dabei waren, gesagt habe: Sie haben von jetzt an Hausverbot.

Zum neuen Umgangston kam auch ein neues Outfit. Bis dato trug das Personal graue Hose, blaue Uniform und schwarze Schuhe. Nun sollte es für die Damen ein schwarzes Kostüm mit Pumps sein. "Darauf sollten Sie mal fünf Stunden stehen", sagt Lutz. Und man dürfe auch keinen eigenen Schmuck mehr tragen. Sie ist jetzt in der Pinakothek und im Gasteig im Einsatz. "Dabei wollte ich doch sowieso nur noch ein Jahr lang arbeiten."

Viele Stammgäste haben sie angerufen und gefragt, warum sie nicht mehr komme. Auch Max Schelling wurde privat angerufen. "Die meisten von uns brauchen doch einen Zusatz zur Rente, und dann werden sie an der Oper rausgeworfen."

Das Theater sei ein öffentlicher Ort und deshalb sei es wichtig, dass auch bei den Mitarbeitern eine große Altersbandbreite vertreten sei, sagt Opernchef Nikolaus Bachler. Maria Lutz fragt sich: "Will der dann auch die Gäste über 60 rauswerfen? Das sind doch 80 Prozent des Opernpublikums."

© SZ vom 03.12.2008/pfau - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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