Papst-Reise:Benedettos Heimkehr

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Papst Benedikt XVI. gilt als bescheidener Mensch, doch für seinen Besuch wird ein gewaltiger Aufwand getrieben. Allein zu den Gottesdiensten werden mehr als eine halbe Million erwartet.

Monika Maier-Albang

An diesem Samstag um 15.30 Uhr wird Papst Benedikt XVI. am Münchner Flughafen landen - sofern keine Turbulenzen den minutiös ausgetüftelten Reiseplan schon zu Beginn durcheinander wirbeln.

Papst Benedikt XVI. (Foto: Foto: dpa)

Seit Monaten ist jeder Zentimeter bayerischen Bodens, auf den der Papst seinen Fuß setzen wird, vermessen. Bereits im März war der päpstliche Reisemarschall Alberto Gasbarri nach München, Altötting, Marktl, Regensburg und Freising gereist, um die Wege abzuschreiten, die Benedikt gehen wird.

Nach Gasbarri kam das Bundeskriminalamt, dessen Abgesandte im Münchner Dom unter jede Kirchenbank sahen und jeden Gullideckel auf der Fahrtroute notierten. Seit Tagen sind alle Deckel zugeschweißt. Der Papst kann kommen.

Die Münchner werden ihn, vermutlich zu Hunderttausenden, empfangen. Wahrscheinlich tun sie das etwas bedächtiger als im vergangenen Sommer die Jugendlichen in Köln, deren donnernde Benedetto-Rufe mit dem zaghaft winkenden Mann in Weiß nicht so recht zusammenpassen wollten.

Vorsorglich hat das Ordinariat für den Auftakt in der Ludwigstraße 300.000 Winketücher in den Kirchenfarben gelb-weiß und in einer bayerischen Version weiß-gelb-blau drucken lassen. Was wird der Papst empfinden, wenn er an den vertrauten Orten plötzlich vor solchen Massen steht? Menschen, die ihn gut kennen, schildern Joseph Ratzinger als bescheiden. Ein Triumphzug durch die alte Heimat kann es also kaum sein, was Benedikt XVI. mit diesem Besuch bezweckt.

"Ein Gänsehautgefühl"

Fragt man nach dem Sonntagsgottesdienst in der Pfarrei St. Florian Brigitte Härtl, warum sie den Papst sehen will, muss diese kurz überlegen. "In der Menge zu beten und zu singen, ist sicher erhebend, ein Gänsehautgefühl." Frau Härtl wohnt in der Messestadt Riem, und schon von daher wäre es fahrlässig, nicht beim großen Gebet dabei zu sein, das gleich gegenüber stattfindet, dort, wo sonst die Autos der Messebesucher parken.

Auch Härtls Pfarrei wird den Papstbesuch für ein ganz weltlich Ding nutzen: Die Glocke ist noch nicht abbezahlt. Deshalb sollen 9000 Halbliterflaschen Getränke und 1000 Stück Kuchen an die Pilger verkauft werden. Vom vorgegebenen Zucchini-Schokolade-Rezept mussten die Bäckerinnen allerdings erst überzeugt werden. Brigitte Härtl wird mit einer Freundin zum Papst gehen.

Ihre Mutter, für die sie die zweite Karte bestellt hatte, hat zurückgezogen - zu beschwerlich ist das stundenlange Stehen. Hocker dürfen nicht mitgebracht werden. Wenn Panik droht, soll niemand über herumstehende Sitzgelegenheiten stürzen. Etwas mulmig ist auch Brigitte Härtl zumute, wenn sie an den Menschenauflauf denkt, dem sie sich am Sonntag aussetzen wird. "Aber es wird schon gut gehen."

1977 zur Bischofsweihe

Das Treffen mit dem Papst soll den Glauben der Versammelten stärken, so wünscht es sich Kardinal Friedrich Wetter. Eine nostalgisch-private Komponente hat die Reise gleichwohl: Im Herzoglichen Georgianum, dem Priesterseminar gegenüber der Ludwig-Maximilians-Universität, wo der Papst sich nach der Ankunft umziehen und ins Papamobil steigen wird, hatte Joseph Ratzinger als Student Kriegsschutt im Schubkarren weggeräumt.

Im Münchner Dom wurde der Theologieprofessor Ratzinger am Pfingstsamstag 1977 zum Bischof geweiht. An der Mariensäule kniete er danach nieder zum Gebet, woraufhin die Gläubigen "Maria, breit den Mantel aus" anstimmten.

Diesmal sollen Kinder "Weißt du wie viel Sternlein stehen" singen. Zwar ist es noch nicht dunkel um 18 Uhr, doch Domkapellmeister Karl-Ludwig Nies hat das "langsam verloren gehende Liedgut" nach der Bayernhymne bewusst als "besinnliches Stück" an den Schluss gesetzt: Der Text sei eine Anlehnung an Psalm acht, der von Mond und Sternen handelt, die der Herr am Firmament befestigt hat. Vielleicht stehen die Sterne aber auch einfach für die Unzähligen, die kommen werden.

Zählen lassen sich vorab allenfalls die Helfer, die den Besuch vorbereitet haben und die allein an diesem ersten Wochenende zum Gelingen beitragen wollen: 5000 Polizisten, 1700 zusätzliche Mitarbeiter von Bahn und Verkehrsbetrieben, 40 Mitarbeiter der Stadt, die Papierkörbe und vergessene Fahrräder entlang der Papamobil-Route entfernt haben.

Allein auf dem Gottesdienstgelände an der Riemer Messe werden am Sonntag 1000 Kommunionshelfer plus 1000 Ministranten, 700 ehrenamtliche Einweiser und 500 Malteser aufgeboten.

Im Münchner Ordinariat hat jede Dienststelle vor Monaten schon Papstbeauftragte benannt, die zwar nicht mehr zu ihrer eigentlichen Arbeit kommen, dafür aber nun wissen, wie man 60 Tonnen Liedhefte und 125Tonnen Wasser in einer Nacht auf das Messegelände dirigiert, die 2100 Ehrengäste ausgewählt haben, die die Anfragen von 2000 akkreditierten Journalisten beantworten müssen oder 12000 Ausweise für Helfer, Polizei und geladene Gäste ausgestellt haben.

Ganze Stadtteile gesperrt

Damit der Papst, die Sekretäre, Sicherheitsbeamte, Techniker von Radio Vatikan, sein Arzt und sein Zeremonienmeister sicher von einer Station zur nächsten kommen, stehen drei Hubschrauber bereit. An den Orten, die der Papst besucht, werden ganze Stadtteile für den Verkehr gesperrt oder mit Halteverbotsschildern überzogen.

2000 Absperrgitter sind in der Münchner Innenstadt verlegt. Das alles mutet unwirklich an, wenn man bedenkt, dass der Aufwand für denselben Menschen getrieben wird, der vor fünf Jahren, zur Feier seines 50. Priesterjubiläums, noch unbehelligt von Personenschützern aus dem Münchner Dom treten konnte. Neben der Sakristei warteten einige hundert Menschen auf den Kardinal aus Rom, um ihm eine Kerze zu schenken, sich ein Buch signieren oder ein Kind segnen zu lassen. Die Feier damals war öffentlich. Damals war der Dom keineswegs überfüllt.

Ist Joseph Ratzinger mit der Übernahme des Amtes ein anderer Mensch geworden? Nein, behauptet er selbst. Erstaunlich ist deshalb, wie wenig Kritik im Vorfeld laut wurde. In München sind lediglich zwei Demonstrationen gegen den Papstbesuch angekündigt: vom Rathausbündnis Rosa Liste und der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend. Die Polizei hat schon mal vorsorglich kundgetan, dass sie bei Beleidigungen des - im juristischen Sinn als Staatsoberhaupt reisenden - Papstes hart durchgreifen werde.

"Der Papstbesuch bringt das Land weiter"

Wobei man tunlichst vermied, sich festzulegen, wo die Kritik aufhört und die Beleidigung beginnt. Die CSU im Rathaus nutzte die Gelegenheit, das Geplänkel um die Ehrenbürgerwürde aufzuwärmen. 1997 war ein entsprechender Antrag der CSU durch Indiskretion gescheitert; heute wäre es mehr als peinlich, die Ehrung nachholen zu wollen.

Die meisten grummeln nur leise, warum sie als (Kirchen-)Steuerzahler für die immensen Kosten des Besuchs aufzukommen haben. Mit 20 bis 30 Millionen Euro rechnen die drei Bistümer München-Freising, Passau und Regensburg. Wie viele Millionen für den Polizeieinsatz und das Großaufgebot bei den Verkehrsbetrieben anfallen, darüber schweigen sich die Verantwortlichen aus.

Nun kann man einwenden, der Steuerzahler werde schließlich auch bei keinem Fußballspiel gefragt, ob er gerne für den Polizeieinsatz aufkommt. "Der Papstbesuch bringt das Land weiter, das sollte es uns wert sein", argumentiert Kardinal Wetter. Und sein Sprecher steht auf dem Standpunkt, dass doch schließlich die Konjunktur Auftrieb erhalte. Das ist schön für die Betriebe, hilft aber den kirchlichen Dienststellen und Mitarbeitern wenig, die seit Jahren alle Kürzungen klaglos ertragen.

Anstrengendes Programm

Andererseits hätte man Benedikt XVI. den Reisewunsch schlecht abschlagen können. Und wenn er schon kommt, dann will die Kirche auch zeigen, dass sie ein Großereignis inszenieren kann. Mit den Mitteln von 1980 lässt sich heute kein solches Event bestreiten.

Damals war eine halbe Million Menschen auf die Theresienwiese geströmt, um Johannes Paul II. zu sehen und zu hören. "Wenn da ein Mikrofon knackte, machte das niemanden etwas aus", sagt Armin Wouters, Koordinator der Reise Benedikts. Heute aber werde erwartet, dass gemacht wird, was technisch machbar ist.

Diejenigen, die nah an den Papst herankommen werden, treibt eine andere Frage um: Wie weit wird der Papst den protokollarischen Rahmen dehnen und eine Begegnung möglich machen? Wie nah "das Volk" dem Papst kommen wird, hängt neben der nervlichen Verfassung der Sicherheitsleute wohl auch davon ab, wie fit Benedikt XVI. sein wird.

Vier ganze und zwei halbe Tage dauert die Reise durch Bayern. Das ist anstrengend für einen fast 80-Jährigen. Den runden Geburtstag feiert Benedikt im nächsten Jahr. Im Ordinariat plant man schon den Gegenbesuch.

© SZ vom 9.9.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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