Pannen, Pech und Pleiten:Alles an die Bank

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Wie ein Münchner in den Finanzstrudel eines insolventen Investors gezogen wurde - heute beginnt der Prozess.

Stephan Handel

Franz Karl ist ein gewichtiger Mann, den so leicht nichts aus der Ruhe zu bringen scheint. Vielleicht auch deshalb erregt er sich nur ein bisschen, wenn er seine Geschichte erzählt - eine Geschichte, die ihn seit zwölf Jahren beschäftigt und die wohl jeden anderen zur Verzweiflung gebracht hätte. Oder zur Raserei. Nun wird sie, voraussichtlich zu Ende gehen, so oder so: Heute wird verhandelt am Landgericht in der Causa Karl gegen Münchner Bank.

"Ich hätte mir genauso gut 'Ich bin ein Idiot' auf die Stirn tätowieren lassen können.'' (Foto: Foto: Robert Haas)

Die Geschichte beginnt 1995. Franz Karl arbeitet freiberuflich als Computerfachmann und richtet dabei gelegentlich auch dem Geschäftsmann Richard W. Festplatte und Netzwerk. Eines Tages kommt W. mit einem Anliegen, auf das Karl eingeht. Heute sagt er: ,,Ich hätte mir genauso gut 'Ich bin ein Idiot' auf die Stirn tätowieren lassen können.''

Verhängnisvoller Kredit

Richard W. baute in Berlin eine Wohnanlage - beste Lage in Friedrichshagen am Müggelsee. Und dafür, so erläuterte er seinem Geschäftspartner brauche er eine Zwischenfinanzierung, nur vier Tage, nur 170000 Mark, rund 87000 Euro.

Karl sagte, dass er so viel Geld nicht habe. Kein Problem, meinte W., er könne einen Kredit bekommen. So traf man sich wenig später bei der Münchner Bank am Frauenplatz, und Franz Karl staunte nicht schlecht, dass sie von einem leibhaftigen Vorstandsmitglied des Instituts bedient wurden, Wilhelm B.

Es war alles schon vorbereitet nur mit der Laufzeit sei das so eine Sache - aus banktechnischen Gründen gehe eine Laufzeit von vier Tagen nicht, ein halbes Jahr sei das mindeste, teilte man ihm mit. Karl war's recht, und so unterschrieb er diverse Papiere - unter anderem einen Überweisungsträger, mit dem das Geld von Karls Konto auf das von W. überwiesen werden sollte.

Soweit schien alles gut zu sein und glatt zu gehen - 1996 und 1997 bezahlte W. gut 17000 Euro zurück. Doch dann stoppten die Zahlungen plötzlich. Das brachte Franz Karl einerseits ins Grübeln, andererseits in Schwierigkeiten, denn die Raten bei der Bank musste er ja trotzdem weiterbezahlen.

Natürlich kontaktierte er W., um zu fragen, was denn da los sei. Kein Problem, meinte der, bar könne er das Geld zwar gerade nicht zurückzahlen, aber er könne eine Wohnung in der Berliner Anlage dafür bekommen. Das beruhigte Franz Karl vorerst.

Aber auch nur vorerst. Denn die Übertragung der Wohnung scheiterte - sie war bereits ,,rückübertragen'' worden, also zwangsversteigert. W. war pleite. Und Franz Karl saß mit einem Haufen Schulden da. Und die Banken waren naturgemäß erbarmungslos: Zwangsvollstreckungen, Pfändungen, eine Sicherungshypothek auf das Haus von Franz' Eltern.

Es ging hin und her. Die eigentliche Katastrophe passierte 1999 - da verklagte die Münchner Bank Karl auf Rückzahlung des Darlehens. Der behauptet bis heute steif und fest, die Klage und die Ladung seinerzeit nicht bekommen zu haben. Weil so etwas das Gericht aber nicht zu interessieren hat, erließ es ein Versäumnisurteil - so ist es immer, wenn eine der beiden Parteien zum Termin nicht erscheint: Dann gewinnt automatisch die andere.

Richard W. war zu diesem Zeitpunkt nicht greifbar, was sein Anwalt in einem Schreiben mit der schönen Formulierung "drei Jahre Auszeit aus dem bürgerlichen Leben" umschreibt - im Klartext: Er hatte eine Haftstrafe abzusitzen.

Ein elektrisierender Überweisungsbeleg

Erst als die vorbei war, im März 2006, kam wieder Bewegung in die Sache. Denn nun durchforschte W. seine Unterlagen und förderte diverse Unterlagen zu Tage. So fanden sich etwa Überweisungen über mehrere tausend Euro an Wilhelm B., den Bankvorstand, persönlich. Wofür sollte er die bekommen haben?

Elektrisiert war Karl jedoch von einem anderen Überweisungsbeleg, nämlich jenen, den er 1995 unterschrieben hatte: Auf ihm waren Bankleitzahl und Kontonummer handschriftlich verändert, und abgezeichnet durch den Banker B. Weitere Nachforschungen ergaben: Das Geld ging damals nicht in die Finanzierung des Berliner Projekts, sondern auf ein anderes Konto W.s, um eine drohende Zwangsvollstreckung abzuwenden.

Natürlich verklagte Karl W. Und gewann den Prozess im April 2006. Zu holen ist bei ihm allerdings nichts. Deshalb hat sich Karls derzeitige Rechtsanwältin, Susanne Hahn aus Buxtehude, etwas anders einfallen lassen: Wenn B. zum Zeitpunkt der Kreditvergabe an Karl über W.s desaströse finanzielle Lage informiert war, weil er - das unterstellen sie ihm - privat irgendwie für W. tätig war, dann hätte B. als Bankvorstand den Neukunden Karl darüber informieren müssen. Und weil er das nicht getan hat, so der Kernpunkt der Klage, die heute verhandelt wird, dann ist die Bank zu Schadenersatz verpflichtet.

Private Geschäftemacherei

In seiner Klageerwiderung bestreitet der Anwalt der Bank erst einmal alles, wie das Zivilanwälte nun einmal so tun. Vor allem aber schreibt er, die ganze Angelegenheit sei verjährt. Darauf glaubt Susanne Hahn mit dem Argument kontern zu können, die privaten Geschäftsbeziehungen von W. zu B. seien erst im vergangenen Jahr bekannt geworden.

Wilhelm B. ist zum 30. April 2006 aus dem Vorstand der Münchner Bank ausgeschieden und befindet sich im Ruhestand. Die Frage, ob der Vorgang mit B.s Verstrickung in den Fall zu tun hat, wollte die Bank auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung nicht beantworten - ebenso wenig alle anderen Fragen: "Es handelt sich um eine Rechtsangelegenheit und wir bitten um Ihr Verständnis, dass wir in einer Rechtsangelegenheit keine Stellungnahme abgeben", teilte die Pressesprecherin mit.

Angebote zu einer gütlichen Einigung hat die Bank vorher durch ihren Anwalt abgelehnt - mit der lapidaren Antwort auf ein mehrseitiges Schreiben von Susanne Hahn: "Ihr Schreiben ist nicht geeignet, meine Mandantin zu Gesprächen zu bewegen." Nun geht die Sache heute vor Gericht.

© Sz vom 31.05.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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