Palästina/Israel Filmwoche:Katastrophe gegen Katastrophe

Lesezeit: 3 min

Bombenanschlag, Verkehrsstau und Humor: Die "Palästina/Israel Filmwoche" beginnt am Samstag im Gasteig.

Eva-Elisabeth Fischer

Sitzen ein paar Männer in einem Café in Ramallah und streiten über das aktuelle Geschehen in den Fernsehnachrichten: Ein Uniformierter knüppelt auf einen unbewaffneten Zivilisten ein. Behauptet der eine, der Schläger sei ein Israeli; kontert der andere, nein, nein, das sei ein Palästinenser; berichtigt endlich ein dritter, die Szene habe sich eindeutig im Irak zugetragen. Die Austauschbarkeit von Gewalt und ihren Akteuren im Nahen Osten, wie sie in dieser Anekdote mit makabrem Witz thematisiert wird, ist in ihrer Beiläufigkeit eine der stärksten in einem insgesamt starken Film.

Der Richter als Taxler in "Laila's Birthday": Abu Laila verzichtet lieber auf einen Stich, als einen Bewaffneten zu chauffieren oder an einen Kontrollpunkt zu fahren. (Foto: Foto: oh)

Aus der Lakonie erwächst die Komik in "Laila's Birthday" von Rachid Masharawi. Man fährt als Zuschauer mit Abu Laila, ehemaliger Richter und Taxifahrer aus Not, durch das Chaos von Ramallah: ein Bombenanschlag, Verkehrsstau, wahnsinnige Kunden, schikanöse Polizisten, und eine Bürokratie, die selbst einen Grandseigneur wie Abu Laila allmählich durchdrehen lässt. Am Ende wird er gerade noch rechtzeitig heimkommen, um den siebten Geburtstag seiner Tochter zu feiern, wird seiner Frau sagen, es sei ein Tag gewesen wie jeder andere.

In Ramallah, sieht es, verschärft, so aus wie weiland in Ephraim Kishons "Blaumilchkanal", das war 1971. Und man denkt sich, dass sich die verfeindeten Vettern, Juden und Palästinenser in ihrem (öffentlichen) Gebahren doch mehr ähneln, als ihnen wahrscheinlich lieb ist. Es ist ein Verdienst der "Palästina/Israel Filmwoche", die vom 24. bis zum 31. Januar im Gasteig unter dem Titel "Blickwechsel" stattfindet, dass man in den in Kooperation mit der Jüdisch-Palästinensischen Dialoggruppe München klug gewählten Beiträgen solche Gemeinsamkeiten entdecken und über sie lachen kann.

Manch eine absurde Pointe wird, wenn überhaupt, allerdings nur eine Seite lustig finden: Ein illegal eingereister palästinensischer Bauarbeiter in "9Star Hotel" erzählt seinem Kumpel in der Notunterkunft, dass am Jom Haschoah ganz Israel zwei Minuten still stehe im Gedenken an sechs Millionen ermordete Juden. Wären die noch am Leben, spekuliert er, und hätten geheiratet und jeder von ihnen nur ein Kind, dann wären es heute 18 Millionen Juden mehr, und "wir müssten für sie arbeiten".

Es steht Katastrophe gegen Katastrophe, Schoah gegen Naqba, die Ausrottung der europäischen Juden durch die Nazis gegen die Vertreibung der Palästinenser 1948. Und keiner kann erkennen, dass es nicht allein die Israelis sind, die sie drangsalieren, sondern dass sie von ihren Brüdern als politische Puffer benutzt werden.

Der jüdische Israeli lässt die Willkür des Besatzers, des Herrenmenschen walten. Die Opfer wehren sich dagegen nicht nur mit friedlichen Mitteln, wie dies etwa der Film "Bil'in Habibti" des Israelis Shai Carmeli Pollack suggeriert. Pollack leistete gemeinsam mit seinen palästinensischen Freunden gegen die Errichtung des so genannten Sicherheitszaunes und die damit einhergehende Zerstörung von palästinensischem Land, Dörfern und Familien Widerstand. Hier die Felachen und ihre entwurzelten jahrhundertealten Olivenbäume. Da die gleißenden Hochhäuser einer jüdischen Siedlung gleich gegenüber - hier das 19., da das 21.Jahrhundert. Es ist die ununterbrochene Eskalation eines Konflikts unter Ungleichzeitigen, die dem Zuschauer auch in diesem von völkerübergreifender Solidarität erzählenden Dokumentarfilm vorgeführt wird: Angstbeißer sind sie alle. Die einen aufgestachelt nicht nur von erfahrenem Unrecht, sondern einer mörderischen Ideologie mit dem eigenen Volk als Geisel, die die andere Seite auch mit Hightech-Waffen nicht auszulöschen imstande ist. Die Kinder in "Bil'in Habibti" demonstrieren es in ihrer Schulaufführung, wie die israelischen Besatzer mit Steinen zu bekämpfen sind.

Der zweijährige Sohn einer Hamas-Kämpferin soll nach dem Willen seiner Mutter zum "Märtyrer" heranwachsen. In einem Frauengefängnis in Israel beginnt die gescheiterte Selbstmordattentäterin, ihrem Kleinkind "Allah akhbar" einzubimsen. Sie indoktriniert es, dass es gerecht sei, in Gottes Namen zu morden. Die erschreckende Dokumentation "Brides of Allah" von Natalie Assouline kontrapunktiert auf ebenso berührende wie tragische Weise Dror Zahavis Spielfilm "Alles für meinen Vater". Einem Selbstmordattentäter versagt die Selbstzündung, er verliebt sich in eine Israelin und versucht, seiner Mission zur zweifelhaften Ehrenrettung seines Vaters zu entgehen. Hier treffen Juden und Palästinenser als Menschen mit all ihren Marotten aufeinander und werden gleichermaßen zu Opfern ideologisch zementierter Gewalt.

Das volle Programm unter www.filmstadt-muenchen.de.

© SZ vom 20.01.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: