P1 oder Pacha?:Das Ende des Exzess-Monopols

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Die Münchner Party-Guerilla kann sich neuerdings zwischen zwei Nobelclubs entscheiden - Pacha oder P1?

Tanja Rest

Um 0.30 Uhr ist Raubtierfütterung. Dann staksen die Go-go-Tänzerinnen aufs Podest und räkeln sich im Licht der aufgehenden Halogenscheinwerfer, während Barfrau Ilona Wodka-Bataillone entsichert, das Dreiliter-Geschoss zu 330 Euro.

Im Pacha (Foto: Rumpf)

DJ Paulo Nhe, eigens aus Rimini eingeflogen, schleudert die ersten rasiermesserscharfen Sound-Hiebe in den Raum. Millionärssprösslinge, New-Economy-Prahlhänse, Promis und arrivierte Partyluder beziehen ihre Plätze im erhöhten, von zwei Security-Hünen bewachten Reservierungsbereich und lassen hungrig die Blicke lungern. What's for supper tonight?

Langsam, langsam fährt die stählerne Trennwand in die Höhe. Herein taumelt das Fußvolk, richtet noch einmal Schnürmieder, Hüftjeans und Gelfrisur und blinzelt ins Gegenlicht.

Ein paar Sekunden glotzen sie sich an, die VIPs hinter der roten Kordel und die ihnen zum Augenfraß vorgeworfenen No-names auf der Tanzfläche. Feierlich. Spannungsgeladen. Und dann, mit einem Schlag wie ein gewaltig-kreischender Orgasmus aus Licht, Ton und rhythmischem Zucken, bricht die Party los.

Manche sagen: scheißdekadent

Nacht zum Sonntag, 0.30 Uhr im Pacha - das ist das Initiationsritual einer Orgie, von der einige behaupten, sie sei "der Grabstein des P1", das Ende des jahrzehntelangen Exzess-Monopols an der Prinzregentenstraße.

Die derzeit fröhlichste, hemmungsloseste und dekadenteste Fete der Stadt. Manche sagen auch: scheißdekadent. Wahr ist, immer wieder haben professionelle Partymacher versucht, der hochberühmten Nobeldiskothek im Haus der Kunst die Show zu stehlen, immer vergeblich.

Wahr ist, Ende 2000 erinnerten sich acht junge Münchner Wirte an den legendären Ibiza-Tanztempel Pacha (sprich: Patscha, spanisch für "Kirsche"), warfen ihr Erspartes zusammen, eröffneten an der Rosenheimer Straße eine Filiale mit angeschlossenem Sushi-Restaurant, und seither brummt der Laden. Wahr ist: Er brummt so laut, dass es sogar im P1 zu hören ist.

Schicki und Micki haben ihre zweite städtische Bühne für die Ego-Show, die narzisstische Posierlust und öffentliches Scheinewedeln. Mancher flippt jetzt nur noch unterm Emblem der Doppelkirsche aus, doch die meisten - Becker, die Siegels, Effe & Co. - pendeln zwischen den beiden P's hin und her und lassen hüben wie drüben die Saturday-Night-Sau raus.

Der Effe, der Mark und der Brian

Anders gesagt: Im P1 hat Effenberg eine Besucherin geohrfeigt, weil sie auf seinem Stammplatz saß, dafür wird seiner Frau Martina von Bild gerade eine Affäre mit Pacha-Chef Constantin Wahl nachgesagt. Astreine Image-Werbung.

Wahl, 33, ist ein freundlicher, etwas hibbeliger Typ mit Hemd, Sakko und betriebsamen Augen - sie kontrollieren hier eine Barfrau, nehmen dort einen Tänzer mit kunstsonnenbestrahltem Waschbrettbauch ins Visier, um gleich darauf Escada-Chefdesigner Brian Rennie zuzublinzeln, der im Kreise hochbeiniger Beauties im Minimal-Outfit gerade eine 790-Euro-Flasche Moët Chandon springen lässt.

Wahl sagt: "Wir sind ein Club für jedermann, nicht nur für VIPs." Wobei es doch erfreulich gewesen sei, dass der FC Bayern die Champions League nicht im P1 gefeiert habe. Sondern hier, im Pacha, wo die Party im Vordergrund stehe, nicht Sehen und Gesehenwerden.

"Deshalb kommt ja auch der Käfer zu uns." Der Cousin des P1-Chefs kippt gerade den vierten Wodka Red Bull; seine Zunge ist so schwer und sperrig wie eine Schrankwand aus deutscher Eiche. "Schaaafe Mädels hier."

Der institutionalisierte Klassenunterschied

Auf der Lederbank mit Panoramablick denkt Schauspieler Mark Keller offenbar das Gleiche. Rennie hat sich inzwischen zu den Tänzerinnen empor geschwungen und oberhalb des Gürtels alles ausgezogen, Sonnenbrille exklusive. Das Volk röhrt.

Die vermeintliche Nähe zu den Stars ist das Zündholz am Pacha-Pulverfass - tatsächlich hat der Club den Klassenunterschied institutionalisiert.

Es gibt drei Eingänge: einen für Normalos (acht Euro Eintritt; Warten hinter der Trennwand), einen für die Möchtegerne auf der Gästeliste (Eintritt gratis; dito) und einen für die VIPs (Limousinen-Bring-Service; Aufenthalt im bewachten Reservierungsbereich; Zugang zu Podest mit Go-go-Girls).

Edel-VIPs besitzen einen von 200 Schlüsselanhängern des Hauses, ein Statussymbol, mit dem es im Pacha höchstens noch die neue Rolex Yacht-Master aufnehmen kann. Der Clubchef hat einen solchen Anhänger zum Spaß mal bei einer eBay-Versteigerung angeboten; das Höchstgebot lag bei 3000 Euro.

Zugehörigkeits-Sehnsüchte und die - nicht unberechtigte - Erwartung, eine endgeile Party serviert zu bekommen, sorgen für lange Schlangen vor der Kasse. Dort steht Volksempfänger Jürgen und siebt.

Zu Teil II ...

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