Orkane und andere Probleme:Der Wald wächst

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Klaus Foerst mit seinem Hund Jackl an einem seiner Lieblingsplätze: unter einer alten Buche im Wald. (Foto: WOR)

Saurer Regen, Orkane, Klimawandel: Welche Schlüsse Förster aus Entwicklungen der vergangenen 40 Jahre gezogen haben.

Von Ingrid Hügenell, Bad Tölz-Wolfratshausen

40 Jahre sind ein halbes Menschenleben, aber für den Wald ist es nur eine kurze Zeit. In den 40 Jahren seit 1977 standen Deutschlands Förster dennoch vor einigen großen Herausforderungen. Klaus Foerst, Förster aus Icking, der von 1980 bis 2003 mit einer Unterbrechung das Wolfratshauser Forstamt leitete, hat sie miterlebt und mitgemeistert. 1977 fielen bereits die ersten schweren Schäden an Bäumen auf, wenige Jahre später sprach man vom Waldsterben. Es folgten im Jahr 1990 die Orkane Vivian und Wiebke, die ganze Fichtenschläge einfach ummähten. Die Stürme waren wahrscheinlich erste Anzeichen des Klimawandels, der den Wäldern auch mit langen Trockenperioden zusetzt. Nun bauen die Förster den Wald um. Statt auf Fichtenmonokulturen setzen sie auf Laubmischwälder, mit Baumarten, die zu den Standorten passen, auf denen sie wachsen sollen.

Nach der Katastrophe setzte bei den Verantwortlichen ein Umdenken ein

Klaus Foerst hat all die Veränderungen, Bedrohungen und Katastrophen erlebt und mitgeholfen, dass der Wald sie übersteht. Besonders präsent sind ihm bis heute Vivian und Wiebke. Die heftigen Orkane fegten an Fasching 1990 mit Windgeschwindigkeiten bis 160 Stundenkilometern durch halb Europa und auch durch Deutschland. 200 000 Festmeter Stammholz seien im Privatwald umgeknickt worden, 70 000 im Staatswald, 400 Hektar Kahlflächen gab es im Bereich des Wolfratshauser Forstamts, sagt Foerst. Dann kam der Borkenkäfer und vernichtete bis 2007 Jahren noch einmal etwa die selbe Menge an Bäumen. Für die Forstbetriebe auch ein enormer wirtschaftlicher Schaden, wie sich Foerst mit Schaudern erinnert. Denn die Einnahmen blieben aus, dafür musste für die Beseitigung der Schäden viel Geld ausgegeben werden.

Was als Katastrophe begann, wurde aber, im Nachhinein betrachtet, zu einem positiven Ereignis für den Wald. Denn es setzte ein Umdenken ein bei Waldbesitzern und Forstexperten, wie Foerst berichtet: "Wir haben erkannt, wir müssen weg von den Fichten-Reinbeständen."

Die Grundlagen für den folgenden Umbau des Waldes hatte Foerst vor seiner Zeit als Forstamtsleiter selbst gelegt. Er fertigte in den 1970er Jahren detaillierte Standortkarten an, die zeigen, welche Böden wo vorhanden sind und welche Bäume dort gut wachsen. Die Fichte stand vielfach auf Standorten, an die der Flachwurzler nur schlecht angepasst war. Auch das Waldsterben sei natürlich ein großes Thema gewesen, sagt Foerst. "Die Tanne war die empfindlichste Baumart, die hat's gscheit erwischt." Das Problem: Die hohe Schwefelbelastung der Luft, die den Regen sauer machte. Der Schwefel stammte überwiegend aus der Verfeuerung von Braunkohle, aber auch aus Autoabgasen. Die Politik reagierte Anfang der 80er Jahre schnell auf Alarmmeldungen. Filter in den Kraftwerken und Katalysatoren in den Motoren senkten die Schadstoffmengen drastisch. Ob die Wälder ohne diese Maßnahmen heute so verhältnismäßig gut dastünden, darüber streiten die Experten.

"Die neue Gesetzgebung hat sich positiv ausgewirkt auf den Waldzustand", sagt Foerst. Was sonst passiert wäre, könne man nicht wissen. Inzwischen sei die hohe Belastung der Luft mit Stockoxiden problematisch. Denn auch die machen den Regen sauer, und der Stickstoff führt überdies dazu, dass die Wälder überdüngt sind, was sie anfälliger für Krankheiten macht. Und natürlich der Klimawandel, der die Förster vor neue Herausforderungen stellt. Gute Leute gebe es heute am Wolfratshauser Forstamt, sagt Foerst, die schon wüssten, was zu tun sei.

Die Bewirtschaftung nähert sich der Natur an. Es wird weniger gepflanzt, dafür schaut man, was von selber wächst. Weil mehr Rehe geschossen werden, können die Bäumchen eher groß werden. Zunehmend wird die Bedeutung von Totholz erkannt, der Wald wird nicht mehr so gründlich aufgeräumt. Es werden schonendere Verfahren der Bewirtschaftung eingesetzt und weiterhin die passenden Baumarten ausgesucht. Spektakuläre Rückkehrer gibt es im Wald, wie den Biber und neuerdings den Wolf. Beides begrüßt Foerst, auch wenn er um die Probleme weiß.

Wie sich der Wald entwickeln wird? Heute stehen Foerst zufolge mehr Tannen im Wald als vor 40 Jahren, dafür weniger Fichten. Diese werde dennoch die Brotbaumart bleiben, sagt Foerst. Die Esche macht Förstern und Waldbesitzern Sorgen, wegen eines Pilzes, der die Triebe befällt und die Bäume tötet. Aber Foerst vertraut auf die Natur. Er glaubt, dass es auch in 40 Jahren noch Eschen geben wird.

© SZ vom 06.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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