Opferschutz:"Frühwarnsystem" gegen Gewalt

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4500 Mitarbeiterinnen seien gefährdet, warnt Personalreferent Böhle. (Foto: Stephan Rumpf)

Neue Beratungsstelle soll städtischen Mitarbeiterinnen helfen

Von Melanie Staudinger

Die Stadt will ihre Mitarbeiter besser vor häuslicher Gewalt schützen. Für Betroffene gibt es von sofort an eine neue Beratungsstelle, die an die zentrale Beratungsstelle für sexuelle Belästigung angegliedert ist. Eine Psychologin und zwei Juristen beraten Opfer dort während der Arbeitszeit und vermitteln sie weiter an andere Hilfsangebote, etwa von der Polizei oder dem Jugendamt. Personalreferent Thomas Böhle will Betroffene aber nicht nur unterstützen, sondern die gesamte Belegschaft für das Thema "Gewalt in der Familie" sensibilisieren. Dazu soll es Schulungen und Infoveranstaltungen geben.

Im Jahr 2013 registrierte die Polizei 3574 Fälle von häuslicher Gewalt, die Zahlen für 2014 liegen noch nicht vor. In 36 Prozent der Einsätze waren Kinder während der Tat anwesend, fast 80 Prozent aller Tatverdächtigen sind Männer. In 2767 Angelegenheiten ermittelten die Beamten wegen Körperverletzung, 814 Mal wegen Beleidigung, 780 Mal wegen Bedrohung und 158 Mal wegen Nachstellung. Diese Statistik zeigt, dass vielen Tätern gleich mehrere Straftaten zur Last gelegt werden.

"Studien zufolge wird jede vierte Frau einmal in ihrem Leben Opfer von häuslicher Gewalt", sagt Personalreferent Böhle. Unter den 33 000 städtischen Beschäftigten sind fast 18 000 Frauen. Lege man die Statistik zugrunde, seien potenziell 4500 Mitarbeiterinnen gefährdet. "Das ist ziemlich alarmierend", sagt Böhle. Mit der neuen Beratungsstelle solle ein "Frühwarnsystem" installiert werden. Die nun unterschriebene Selbstverpflichtungserklärung ermögliche der Stadt, vielfältige Hilfen anzubieten. So könnten Peiniger, die Beschäftigte am Arbeitsplatz belästigten, vor die Tür gesetzt oder am Betreten des Gebäudes gehindert werden. Bei Telefonterror könnte die Nummer geändert werden. Wenn jemand bedroht würde, könne er innerhalb der Dienststelle ein neues Büro bekommen oder in ein anderes Referat wechseln. "Wir nehmen unsere Verpflichtung als Arbeitgeber, für die Mitarbeiter da zu sein, ernst", betont Böhle.

Andere Unternehmen seien noch nicht so weit, kritisiert SPD-Stadträtin Bettina Messinger. Häusliche Gewalt sei bei Frauen eines der größten Gesundheitsrisiken - vor Verkehrsunfällen und Krebs. Betroffene seien am Arbeitsplatz oft unkonzentrierter und häufiger krankgeschrieben. "Eigentlich wäre es logisch, dass sich Arbeitgeber um dieses Problem kümmern", sagt Messinger. Und doch passiere das relativ selten, kaum ein Unternehmen biete Hilfe an. Sie würde sich freuen, wenn mehr Firmen dem Beispiel der Stadt folgen würden.

© SZ vom 30.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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