Oktoberfest:Weißwürste vom Fohlen

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Das Pferdefleisch-Verbot auf der Wiesn wird aufgehoben. Nun will sich Pferdemetzger Kaspar Wörle um einen Stand auf dem Oktoberfest bewerben.

Anne Goebel

Bei Kaspar Wörle laufen die Geschäfte bestens an diesem Mittwochvormittag. In der Metzgerei auf dem Viktualienmarkt, im kleinen Laden auf dem Land, die Leute fragen nach Pferdefleisch. Mehr als sonst, wobei es nicht so ist, dass sich Münchens einziger Rossmetzger bisher um seine Existenz hätte sorgen müssen. Aber seit der Stadtrat am Dienstag beschlossen hat, Pferdefleisch auf dem Oktoberfest zuzulassen, ist die Neugier offenbar gewachsen. Man probiert mal aus, wie das eigentlich schmeckt. Filets, Schinken, Knackwürste vom Kaltblut. Weißwürste vom Fohlen. "Nur beste Qualität", sagt Kaspar Wörle, das magere Fleisch sei frei von Zusätzen, weil die Tiere nicht gezüchtet werden, sondern natürlich aufwachsen.

Mitarbeiterin Fanny Kayser, die seit 13 Jahren bei der Pferdemetzgerei Wörle am Münchner Viktualienmarkt arbeitet, präsentiert die Spezialität Pferdeknacker. (Foto: Foto: Hess)

Wahrscheinlich fängt genau da das Problem an, das viele mit einem Stück Pferdebraten auf dem Teller haben. Rind, Schwein, Huhn, deren Fleisch stammt in der Regel aus Mastbetrieben, von denen man nichts mitbekommt. Pferde grasen auf Koppeln, ziehen Kutschen (und Oktoberfestwagen), häufig schwärmen Mädchen für sie. Das passt nicht zum Schinken auf dem Frühstücksbrot. "Das Pferd ist ein companion animal", sagt der Tierarzt Dietz Donandt, "ein Freund des Menschen."

Erschwingliches Armeleuteessen

Der Veterinärmediziner ist Mitinhaber der Pferdeklinik Riem, und für den Großteil seiner Klienten sei es "jenseits der Vorstellungskraft, Pferdefleisch zu essen". Allerdings weist Donandt darauf hin, dass der Verzehr bei den alten Germanen gang und gäbe war und erst im Zuge der Christianisierung tabuisiert wurde.

Das Verbot wurde im 19. Jahrhundert kaum noch befolgt, Pferdefleisch war erschwingliches Armeleuteessen. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in München noch 20 Pferdemetzger, in Frankreich und Italien sind Wurst oder Lende vom Ross bis heute ein gängiges Gericht. Bei den Schweizern heißt die einschlägige Speise "Mostbröckli".

Hierzulande ist Pferdefleisch ein umstrittenes Nahrungsmittel, seit die Rösser als Nutztiere ausgedient haben. Doch Kaspar Wörle, der seit 20 Jahren selber schlachtet, ist erfreut über das gekippte Verbot auf der Wiesn und will sich gleich um einen eigenen Stand bewerben. Leberkäse, Pferdegrillwurst, er hat schon Pläne geschmiedet, sollte sein Antrag durchgehen.

Bestellungen von den großen Festzelten hat der 48-Jährige noch keine vorliegen, aber "wenn sie kommen, ich kann liefern". In Deutschland ist der Pro-Kopf-Verbrauch mit 50 Gramm im Jahr am geringsten in Europa, Italien liegt mit 900 Gramm vorne. Tierschützer sehen den Konsum skeptisch, in Frankreich und den USA gibt es mitgliederstarke Protestbewegungen.

Dass das Thema heikel ist, lässt auch die Stadtratsvorlage erkennen. Hier ist von "Pietätsgründen" die Rede, die es verboten hätten, gleichzeitig Pferderennen abzuhalten und auf dem Oktoberfest die Pferdefleischbraterei zu erlauben. Da es zur fraglichen Zeit aber nun keine Rennen mehr gebe, müsse man keine Rücksicht mehr nehmen. Im übrigen gibt auch Wörle zu, dass es zwischen Mensch und Pferd eine besondere Beziehung geben kann. Den tödlichen Bolzen anzusetzen an der Stirn des Schlachttiers, ist für ihn Routine. "Aber wenn ich das Pferdl kenn', kann ich nicht schießen."

© SZ vom 07.05.2009/pfau - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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