Offener Brief der Akademie:Rettet Klenzes Marstall!

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Die Akademie der Schönen Künste protestiert gegen die Konzertsaalpläne für das Symphonieorchester des BR: Der Marstall solle nicht zum "Windfang" degradiert werden.

Die Pläne, auf der handtuchschmalen Freifläche im Rücken des Münchner Marstalls einen Konzertsaal für das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks zu errichten und dabei das von Leo von Klenze entworfene Marstallgebäude, ein Hauptwerk des deutschen Klassizismus, von hinten zu durchlöchern und zum Foyer - man könnte auch sagen: zum Windfang - des Konzertsaals zu degradieren, haben immer schon Kritik auf sich gezogen.

"Der von Leo von Klenze entworfene Marstall ist einer der bedeutendsten Bauten dieses großen Architekten, der München wie kaum ein anderer geprägt hat. Nach schweren Verlusten im Weltkrieg zählt der Marstall neben der Glyptothek und der Alten Pinakothek zu den nicht gerade zahlreich erhaltenen Meisterwerken Klenzes." (Foto: Foto: dpa)

Jetzt hat der Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, Dieter Borchmeyer, der selber ein passionierter Nutzer des Münchner Konzertangebots ist, in Absprache mit den Mitgliedern der Akademie einen Protestbrief gegen diese - inzwischen auch von Ministerpräsident Horst Seehofer mit Lob bedachten - Konzertsaalpläne veröffentlicht.

"Lange hat es so ausgesehen, als ob der Ideenwettbewerb "Kulturobjekt Marstall", der im September 2007 zugunsten des Konzertsaal-Entwurfs von Axel Schultes und Charlotte Frank entschieden wurde, in der Versenkung verschwunden wäre, da Finanzminister Kurt Faltlhauser, der das Projekt entschieden förderte, 2008 aus der Regierung ausschied und der neue Minister für Kunst und Wissenschaft, Wolfgang Heubisch, dem Vorhaben keine Priorität zumaß.

Durch die Erklärung von Ministerpräsident Horst Seehofer - "Ich möchte dieses Projekt" - wird es jedoch neuerdings wieder aus der Versenkung heraufgeholt. Es ist daher dringend erforderlich, zu dem Wettbewerbsergebnis Stellung zu nehmen und die Öffentlichkeit auf die architektonischen, denkmalpflegerischen, städtebaulichen und allgemeinen kulturellen Konsequenzen dieser Planung hinzuweisen.

Der von Leo von Klenze entworfene Marstall ist einer der bedeutendsten Bauten dieses großen Architekten, der München wie kaum ein anderer geprägt hat. Nach schweren Verlusten im Weltkrieg zählt der Marstall neben der Glyptothek und der Alten Pinakothek zu den nicht gerade zahlreich erhaltenen Meisterwerken Klenzes. Auch wenn das großartige Gebäude nicht immer seinem ästhetischen Rang gemäß genutzt wurde, ändert das nichts an seiner herausragenden Bedeutung und prominenten Stellung in der Architektur des 19. Jahrhunderts. Der Marstall ist im Zusammenhang der Residenz als freistehendes, allseitig wirkendes Bauwerk konzipiert worden und bestimmt deshalb durch seine Dimension und Symmetrie die gesamte Umgebung.

Akt der Barbarei

Dass an eine Architektur dieser Bedeutung ein Anbau über die ganze Längsseite angefügt werden soll, kann nur als ein Akt der Barbarei bezeichnet werden. Genausogut könnte man vorschlagen, um einer eventuell notwendigen Erweiterung der Pinakothek willen doch einfach das Gebäude zu verdoppeln. Es ist vollkommen unverständlich und inakzeptabel, dass ein architektonisches Juwel ruiniert werden soll, um einen Konzertsaal zu gewinnen, dessen Sinn und Notwendigkeit für München umstritten ist, der aber auf keinen Fall um den Preis der Zerstörung eines herausragenden Baudenkmals verwirklicht werden darf.

Schon die Jury, in der die Denkmalpflege kein Stimmrecht hatte, merkte in ihrem Bewertungstext kritisch an, dass durch den geplanten Konzertsaal "die direkte räumliche Verbindung zwischen dem Franz-Josef-Strauß-Ring und der Marstallbebauung Süd verstellt und die Solitärwirkung des Marstalls beeinträchtigt wird", ja dass "die historisch-städtebauliche Dominanz" des Bauwerks aufgegeben und die ursprüngliche Raumwirkung "verzeichnet" würde. Um so unverständlicher ist es, dass es überhaupt zu einer Prämierung dieses nur als Desaster zu bezeichnenden Entwurfs kam.

Der klassizistische Marstall würde durch einen Anbau zu einem Zwitter verunstaltet und die gesamte städtebauliche Situation zwischen Residenz, Maximilianstraße und Altstadtring gravierend beeinträchtigt. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass im Auslobungstext Ziffer 8.1 festgelegt wurde, dass "eine unmittelbare Beauftragung eines der Preisträger oder Teilnehmer des Ideenwettbewerbs ausgeschlossen ist." Dass das Projekt von Schultes und Frank einfach zur Ausführung bestimmt wird, ist somit juristisch ausgeschlossen.

Im Interesse der Kunst und Kultur

Die Bayerische Akademie der Schönen Künste fordert die Verantwortlichen auf, im Interesse der Kunst und Kultur in München die Planung zu einem Konzertsaal in dieser Form und an diesem Ort nicht weiter zu verfolgen. Ob München überhaupt einen dritten großen Konzertsaal braucht und ob nicht durch den Umbau der Philharmonie im Gasteig die drängenden Konzertsaalprobleme in München gelöst werden können, das soll in einer Podiumsdiskussion der Bayerischen Akademie der Schönen Künste im März erörtert werden."

Dieter Borchmeyer, Präsident der Akademie

© SZ vom 30.01.2009/agfa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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