Öffentlicher Personennahverkehr in München:Südring, Nordring, längere Züge - und alles wäre besser

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Ein immerwährendes Reformprojekt: der öffentliche Personennahverkehr. Im Bild ein Exemplar des sogenannten Schienenbusses. (Foto: N/A)

SZ-Leser freuen sich über Planungsideen, fragen sich aber, warum das alles neben einer zweiten Stammstrecke nicht längst umgesetzt wird

"Schneller, größer, dichter" vom 11./12. August über die Ansätze zur Lösung der Misere im öffentlichen Münchner Personennahverkehr (ÖPNV):

Planungs-Zaubereien

Schneller, größer, dichter... - schöne Worte der Politik, doch sie fallen mal wieder in ein Sommerloch der guten Ideen: Wie oft haben wir derlei schon mal in der SZ gelesen. Die Pläne sind da, schön, wäre wirklich toll! Aber an der Umsetzung hapert es wie so oft in München. Ein jahrzehntelang vernachlässigtes ÖPNV-Netz lässt sich nicht wie ein Kaninchen aus dem Hut der großen Planungs-Zauberer hervorziehen. Machen wir uns doch keine Illusionen: Der Bau der Stammstrecke Nummer 2 (egal wie falsch - aber sie wird nun mal gebaut) bindet Milliarden auf Jahre. Nord- und Südring sind vorhanden, müssten zwar optimiert werden, aber hier könnten deutsche Ingenieure zeigen, wie sie Schallschutz, neue Stationen und Umsteigeszenarien sowie neue Vernetzungen (nicht nur in Bezug auf den völlig überbelasteten und überbewerteten Herzknoten Marienplatz) bewältigen können, um es den Asiaten gleichzumachen.

Dabei sollte auch vor allem die U-Bahn mit dem Nordring vernetzt werden; aber auch scheinbare Gedankenspielereien wie jüngst die Idee einer Seilbahn bis hin zum Olympiapark sollten integriert werden. Wenn man bedenkt, dass ein Südring/Sendlinger Spange praktisch vorhanden ist, dann wundert man sich, dass hier nichts weiter geht. Ist es wirklich so unmöglich, hier einen optimalen notwendigen Lärmschutz für die Anlieger ohne öde Betonwände zu schaffen und eine gestalterisch überzeugende Isarquerung im Konsens mit den vielen durchaus berechtigten Bedenkenträgern zu schaffen? Fehlt hier wieder einmal mehr, wie gewohnt, der Mut in München? Ein positiver Stadtratsbeschluss allein führt nicht aus dem ewig tiefen Sommerloch der Münchner ÖPNV-Planung.

Und es geht ja nicht nur um mehr Schienen und noch mehr Züge. Man braucht dafür auch die Fahrer, die im teuren München wohnen müssen. Zu Mehdorns Zeiten wurden die Bahnwohnungen verkauft, heißt es. Aber das heißt auch, dass ohne solche Wohnangebote in Zukunft womöglich gar nicht so viel mehr Züge wie erhofft fahren können. Frank Becker-Nickels, München

Ölsardinenbüchsen-Modus

Ein herzliches Dankeschön an Stadtbaurätin Elisabeth Merk, endlich die narkotisierende Schockstarre abgelegt zu haben, alle Heilserwartung zur Lösung der Münchner ÖPNV-Misere einzig auf die zweite S-Bahn-Stammstrecke im Jahr 2026 (oder noch später, wenn es denn je klappt) zu richten - sondern jetzt sofort auch mit der Planung und dann schnellstmöglicher Umsetzung notwendiger Maßnahmen zu beginnen:

Viergleisiger S-4-Ausbau Richtung Buchenau/Geltendorf, viergleisiger Ausbau der S 8 von Daglfing nach Johanneskirchen, Sendlinger Spange mit Südring (mit den drei Umsteige-Hubs zur U-Bahn: Heimeranplatz, Poccistraße und Kolumbusplatz) sowie den Nordring, um nur die wichtigsten, bislang sträflich unterlassenen Maßnahmen zu nennen. Übrigens: Alle Maßnahmen sind schon seit langem von unabhängigen Münchner Verkehrs-NGOs eindringlich gefordert.

Apropos sträflich unterlassene Maßnahmen: Die allersträflichste Fehlleistung aber ist der unwürdige, total beängstigende "Ölsardinenbüchsen-Status" von uns Münchnern in der S-Bahn während der täglichen Rush-Hour, denn selbst im Berufsverkehr fahren fast nur Vollzüge (zwei Triebwagen) statt benötigter Langzüge (drei Triebwagen). Hier hätten wir also jetzt schon ein Drittel ungenutzter Reservekapazitäten. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen.

Die Erbauer unseres S-Bahn-Systems mit den elf Außenästen aus dem Olympiajahr 1972 haben die Bahnsteige damals bereits weitsichtig für "Drei-Wagen-Langzüge" ausgerichtet. Und was macht unsere bayerische Staatsregierung mit ihrer Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG) als Bestellerin und Bezahlerin von Nahverkehrsleistungen in Bayern daraus? Warum fahren diese bitter benötigten Langzüge nicht? Mega peinlich: Wir haben nicht genügend ET-423-Triebwagen für München! Ein Nachfolgemodell für den ET 423 hätte schon längst beauftragt werden können, denn das Abwarten auf die zweite Stammstrecke ist nur eine billig-unprofessionelle Ausrede.

Hier ist aber ausnahmweise nicht die Deutsche Bahn in der Verantwortung, denn man kann ihr fairerweise nicht zumuten, eine neue S-Bahn-Triebwagen-Generation zu bestellen, ohne zu wissen, ob künftig sie Münchner S-Bahn betreiben darf - oder ihre Konkurrenten. Die bisherigen S-Bahn-Verträge laufen ja aus. Deshalb ist hier zur Abhilfe einzig und allein die bayerische Staatsregierung gefordert. S-Bahn ist Ländersache.

Die bayerische Staatsregierung bräuchte sich nur an Baden-Württemberg (grün-schwarz regiert) oder Niedersachsen (rot-schwarz regiert) zu orientieren: Dort ordern die Landes-Nahverkehrsgesellschaften die benötigten Züge und Triebwagen. Anschließend werden diese Züge an die Betreiber der ÖPNV-Leistungen, also an die DB und deren Konkurrenten, verleast. Und wenn ein Betreiberwechsel vorgenommen werden soll, dann muss der neue Betreiber die gebrauchten Fahrzeuge zwangsweise per Leasing übernehmen; denn wer zahlt, schafft an - bei uns in Bayern dann also die BEG.

Wie raus aus der selbstverschuldeten Münchner S-Bahn-Misere? Die neue bayerische Verkehrsministerin Ilse Aigner müsste die bislang eher verschlafene Bayerische Eisenbahngesellschaft endlich auf Vordermann bringen und dafür sorgen, dass sich diese BEG jetzt mal vorrangig mit ganzer Kraft für das Wohl unserer Münchner S-Bahn-Fahrgäste einsetzt. Vielleicht hilft ja auch unsere Landtagswahl im Oktober, unsere S-Bahn endlich erfolgreich anzuschieben. Die prekären Zustände in der Münchner S-Bahn dulden jedenfalls kein weiteres phlegmatisches Kopf-in-den-Sand-Stecken. Jeder Monat zählt. Heinbert Janze, München

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© SZ vom 29.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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