Oberlandesgericht München:Islamisten im Internet

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Sie sollen Gräuelvideos im Internet veröffentlicht haben - und damit Propaganda für al-Qaida gemacht haben. Nun stehen sieben Männer und eine Frau vor Gericht. Sind sie der verlängerte Arm des islamistischen Terrors in Europa?

C. Rost

Die beiden 28 und 30 Jahre alten Männer haben sich die Haare kurz geschoren und markante Bärte wachsen lassen. Die 24-jährige Frau trägt einen Ganzkörperschleier. Ob diese Aufmachungen für eine bestimmte Gesinnung stehen, wird das Gericht noch herausfinden müssen. Schließlich wird auch dem Jüngsten auf der Anklagebank Unterstützung des internationalen Terrorismus vorgeworfen - und der 18-Jährige mit seinen kindlichen Gesichtszügen und der Bubenfrisur sitzt wie ein Schüler neben seinen Anwälten.

Die in München als Terrorhelfer angeklagten Renee S., Daniel P. und Tarek H. (v.li.) verbergen ihre Gesichter zum Prozessauftakt vor den Kameras. (Foto: dapd)

Insgesamt sieben Männer und eine Frau im Alter von 18 bis 30 Jahren müssen sich seit Dienstag vor dem Staatsschutzsenat am Oberlandesgericht München als mutmaßliche Terrorhelfer verantworten. Die Bundesanwaltschaft wirft ihnen vor, in den Jahren 2006 bis 2008 für Terrororganisationen wie al-Qaida oder Ansar al Islam im Internet Propaganda betrieben zu haben.

Bundesanwalt Michael Bruns hält die Angeklagten, die abgesehen von dem 18-jährigen Türken Emin T. allesamt deutsche Staatsbürger sind, für den verlängerten Arm des islamistischen Terrorismus in Europa. Laut Anklage haben sie Gräuelvideos, die bei Anschlägen im Irak getötete US-Soldaten und geköpfte Geiseln zeigen, in Internetforen eingestellt.

Zudem sollen sie Hetzreden von Osama bin Laden und anderen Terroristenführern im Netz verbreitet und damit um neue Mitglieder für deren Organisationen geworben haben. Ein Angeklagter, der 30-jährige Renee S., hat laut Anklage außerdem versucht, sich in einem Terror-Camp in Pakistan ausbilden zu lassen. Der aus Bremen stammende Mann habe seine Reise nur deshalb abgebrochen, weil er in Iran seinen Schleuser nicht angetroffen habe.

70 Seiten umfasst die Anklageschrift, sie listet jeden Videofilm und jede Textpassage auf, die die zur Tatzeit drei Jugendlichen, zwei Heranwachsenden und drei Erwachsenen für die "Globale Islamische Medienfront" verbreitet haben sollen. Möglicherweise wird sich das Gericht während der Beweisaufnahme in dem bis 19.Mai laufenden Prozess einen Teil der Filme ansehen.

Mit diesem ersten großen Verfahren um mutmaßliche Terrorhelfer im Internet will die Bundesanwaltschaft ein Zeichen setzen: "Das Internet hat sich zu einem der wesentlichen Mittel des internationalen Terrorismus entwickelt, um gefährliche Propaganda zu betreiben", so Bruns. Der Anschlag auf US-Soldaten am Frankfurter Flughafen habe gezeigt, wie sich durch solche Propaganda Einzeltäter radikalisieren ließen. "Diese Energieleitung des Terrorismus müssen wir kappen", sagte der Ankläger.

Die Verteidiger der aus Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Bremen und Nordrhein-Westfalen stammenden Angeklagten bezeichnen die Vorwürfe unterdessen als übertrieben. Anwalt Jann Henrik Popkes sagte, die sieben Männer und die Frau seien nicht vernetzt gewesen, sie hätten sich teils überhaupt nicht gekannt. "Man muss sich zumindest fragen, ob es ihnen um die Unterstützung von Terroristen ging oder vielmehr darum, Anerkennung in irgendeiner Form zu finden", so Popkes. "Manche Pubertierende finden Gräuelvideos leider geil."

© SZ vom 13.04.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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