OB Christian Ude über Klimaschutz:"Die Kommunen sollten eigene Stadtwerke behalten"

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Die Städte wollen sich um besseres Klima bemühen. In einem noch unveröffentlichten Papier zum Klimaschutz in den Städten fordert der Deutsche Städtetag dafür umfassende Hilfe vom Bund.

Jan Bielicki

Münchens OB Christian Ude (SPD) ist seit 2005 Präsident des Deutschen Städtetages.

Klimaschutz wird in den Städten immer wichtiger. (Foto: Foto: Stephan Rumpf)

SZ: Dafür, dass sich die Erde gefährlich erwärmt, sind Städte besonders verantwortlich. Hier konzentrieren sich Verkehr und Industrie, drehen besonders viele Leute Heizungen und Klimaanlagen auf - und stoßen das klimaschädliche Kohlendioxid aus. Was sollen die Städte selber gegen den Klimawandel tun?

Christian Ude: Natürlich kann keine Stadt das Klima im Alleingang retten. Klimaschutz braucht vor allem internationale Zusammenarbeit. Doch die Hauptursachen des Klimawandels liegen tatsächlich in den Stadtgebieten - aber auch die meisten Opfer und Betroffenen eines veränderten Weltklimas leben in Städten. Schon deshalb können die Städte nicht die Hände in den Schoß legen und auf internationale Vereinbarungen warten.

SZ:Was also müssen Sie tun?

Ude: Es gibt drei Felder, auf denen die Städte aktiv sein müssen: in der Verkehrspolitik, in der Energieerzeugung und beim Energiesparen.

SZ: Wie muss städtische Verkehrspolitik heute aussehen?

Ude: Das Gebot der Stunde heißt: Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs mit seinem gigantischen Energieverschleiß und Stärkung des Umweltverbundes, also vor allem des öffentlichen Personennahverkehrs. Um aber das Netz der Busse und Bahnen weiter betreiben und sogar ausbauen zu können, sind aus Sicht des Städtetages zwei Dinge dringlich nötig: Erstens darf der Querverbund, der es Stadtwerken erlaubt, Gewinne aus dem Energiegeschäft in den defizitären Nahverkehr zu stecken, nicht in Frage gestellt werden, wie es besonders rigide Marktwirtschaftler tun. Wenn dieser Querverbund wegfiele, würden dem öffentlichen Nahverkehr bundesweit 1,3 Milliarden Euro entzogen.

SZ: Was wäre die Folge?

Ude: Dann müssten die Busse und Bahnen entsprechend teurer werden oder ihre Leistungen einschränken - beides absurd, weil der öffentlichen Nahverkehr wegen des Klimawandels ja attraktiver werden soll. Der Querverbund braucht darum eine gesetzliche Absicherung durch den Bund, damit er nicht auf dem Altar der europäischen und nationalen Rechtsprechung geopfert wird.

Zweitens muss der Bund sichern, dass seine Gemeindeverkehrsfinanzierungsmittel unbedingt auch in Zukunft dem öffentlichen Personennahverkehr gewidmet bleiben. Beim derzeitigen Rechtsstand wären die Länder in wenigen Jahren frei, diese Mittel einzusetzen, wofür sie wollen. Es wäre jedoch klimapolitisch unverantwortlich, dem öffentlichen Nahverkehr Geld zu entziehen. Er braucht im Gegenteil mehr Geld.

SZ: Sehen Sie dadurch den Bau des zweiten S-Bahn-Tunnels in München gefährdet?

Ude: Nein. Der Tunnel soll ja bereits in den nächsten Jahren gebaut werden. Aber das Projekt zeigt, welche ungeheuren Investitionen notwendig sind.

SZ: Eine frohe Botschaft für kommunale Verkehrspolitiker müssten ja die hohen Benzinpreise sein, die vom Autofahren in der Stadt abschrecken...

Ude: Die Preise zwingen viele Pendler tatsächlich dazu, auf ihr Auto ganz oder teilweise zu verzichten. Und das führt zu besserer Auslastung der Busse und Bahnen, die dadurch im Wettbewerb auch finanziell attraktiver werden. Das ist umweltpolitisch grundsätzlich zu begrüßen, auch wenn sich der einzelne Arbeitnehmer über die Kostenbelastung ärgert. Auch weil der öffentliche Nahverkehr immer mehr zur einzigen bezahlbaren Alternative wird, darf er nicht durch Sparzwänge zur Ader gelassen werden.

SZ: Was halten Sie von Forderungen, die Pendlerpauschale wieder herzustellen?

Ude:Der Städtetag stand der Pendlerpauschale immer kritisch gegenüber. Sie erleichtert es den Leuten auf Kosten der Steuerzahler, sich weit weg von den Städten anzusiedeln. Manche sind dazu natürlich gezwungen, aber grundsätzlich ist es problematisch, lange Wege steuerlich zu fördern statt eine Politik der kurzen Wege zu begünstigen. Gefördert werden müsste eher die Konzentration des Wohnungsbaus auf die Städte, nicht die weitere Zersiedelung der Landschaft.

SZ:Sehen Sie auch in der rapide steigenden Preisen für Strom und Gas eine Chance für die Städte?

Ude:Für manchen, der mit seiner Heizkostenrechnung nicht mehr klarkommt, als zynisch empfunden werden, wenn man sagt, dass hohe Energiepreise auch zu richtigen Entwicklungen führen können. Doch so ist es. Wir wissen, dass Ressourcen endlich sind und wir mit einer Verteuerung rechnen müssen. Deswegen ist die Reduzierung des Energieverbrauchs ein erstrebenswertes Ziel.

Es wird schon aus marktwirtschaftlichen Gründen immer dringlicher, Gebäude so zu bauen und zu sanieren, dass sie möglichst wenig Energie verbrauchen. Dabei müssen die Kommunen in ihren Bauten vorbildhaft vorangehen. Es braucht aber auch die Hilfe des Bundes - allerdings nicht nur durch zinsgünstige Kredite, weil ärmere Kommunen diese gar nicht mehr aufnehmen dürfen.

SZ: Müssten die städtischen Energieversorger jetzt nicht wieder mehr auf Atomenergie setzen? Auch die Stadtwerke sind ja am Atommeiler Ohu beteiligt.

Ude: Natürlich kenne ich den Versuch der Atomlobby, sich als Klimawohltäter wieder ins Gespräch zu bringen. Doch an der grundlegenden Erkenntnis, die zum Ausstieg aus der Atomkraft geführt haben, geht kein Weg vorbei. Die Risiken der Kernkraft sind ethisch nicht vertretbar, die Frage der Entsorgung ist weiter ungelöst, und auch Kernenergie stützt sich auf endliche Ressourcen. Deutschland wäre besser beraten, nicht einer Dinosaurier-Technologie nachzulaufen, sondern die heutigen Chancen bei erneuerbaren Energie, Energieeffizienz und Energieeinsparung zu nutzen.

SZ: Sehen Sie München als Vorreiter im städtischen Klimaschutz?

Ude:Auf einigen Gebieten ohne jede Frage. Eine stadtverträgliche Verkehrspolitik betreibt München schon seit der Ära Hans-Jochen-Vogel. München wurde auch bereits vom einstigen Bundesumweltminister Jürgen Trittin als Hauptstadt des Energiesparens ausgezeichnet. München ist auch mit großem Abstand führende Stadt bei der Energieeffizienz: Der Anteil der Kraft-Wärme-Koppelung in der Energieerzeugung ist bei den Münchner Stadtwerken acht Mal so groß wie im Bundesschnitt.

Das spart sehr viel Energie, und darum darf der Bund seine Förderung für die Sanierung solcher Anlagen nicht auslaufen lassen. Gerade in der Energiepolitik sind die Kommunen ja ganz besonders gefordert. Und hier komme ich auf mein Lieblings-, Leib- und Magen-Thema: Nur wer seine Stadtwerke noch besitzt, kann mit ihnen zukunftsorientierte Energiepolitik machen. Wer - wie Hamburg - sie verkauft hat, kann nur noch aus der Ferne zusehen, was sein einstiges Unternehmen so treibt.

© SZ vom 06.06.2008/wib - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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