Nur für Könner:Die fliegenden Skifahrer

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,,Speedflying'' ist das neueste Abenteuer des Wintersports - eine Mischung aus Gleitschirmfliegen und Skifahren. Nichts für schwache Nerven.

Karl Forster

Es macht sich eine neue Sportart breit zwischen Himmel und Erde: Speedflying. An kleinen, bunten Schirmen hängend, düsen skibewehrte Menschen steilste Abhänge hinab, teilweise mit Schneekontakt, teilweise fliegend. Uli Wiesmeier, mit 48 nach eigener Auskunft ,,eigentlich für dieses Spielzeug viel zu alt'', ist einer der Pioniere des neuen Sports, dessen Hauptverband in München sitzt. Das ist kein Zufall: Der Profifotograf war auch einer der ersten deutschen Gleitschirmpiloten und gewann 1992 den Worldcup der Paraglider. Der SZ erklärt er die Faszination des Speedflying.

Ein Speedflyer in Action. (Foto: Foto: Christoph Kirsch)

SZ: Es gibt ein neues Phänomen am Skihimmel, zumindest dort, wo Schnee liegt: Speedflying. Was ist das?

Wiesmeier: Bei uns im Werdenfelser Land heißt das ,,Schnoifliagn''. Es ist eine Mischung aus Gleitschirmfliegen und Fallschirmspringen. Das Profil des Schirms kommt vom Fallschirmspringen und ist recht unempfindlich auf Turbulenzen. Start und Landen dagegen sind dem Gleitschirmfliegen sehr ähnlich. Das Gerät ist aber wesentlich einfacher zu bedienen als ein Gleitschirm. Das ist vor allem im Gebirge super, bei schwierigen Startplätzen oder Rückenwind.

SZ: Wie schwer ist das Fluggerät?

Wiesmeier: Da gibt es ein System von einem koreanischen Hersteller: Du drehst den Rucksack einfach um zum Gurtzeug. Mit dem Schirm zusammen wiegt das maximal vier Kilo, ein Drittel einer Gleitschirmausrüstung.

SZ: Wer hat's erfunden?

Wiesmeier: Wie immer die Franzosen. Wie damals 1986 mit den Gleitschirmen. Auch in der Schweiz hat der Sport schon Fuß gefasst. Und wie immer sind wir die letzten, vielleicht auch wegen des aktuellen Schneemangels.

SZ: Es sieht rasant aus. Was ist der besondere Reiz an diesem Sport?

Wiesmeier: Abgesehen vom einfachen Handling ist das die Geschichte mit der Bremse. Auf Nullstellung hast du einen katastrophalen Gleitwinkel von eins zu eins: einen Meter vorwärts, einen Meter nach unten, bei maximalem Speed. Ziehst du die Bremse auf Brusthöhe, hast du einen Gleitwinkel von eins zu vier, das ist dann schon Fliegen. Der Schirm reagiert sehr schnell. Über diese Bremse kannst du eine Flugroute sehr schön dem Gelände anpassen. Das ist der Reiz.

SZ: Es sieht aus wie Gleitschirmfliegen für Arme. Doch haben die Speedschirme wohl eine andere Aerodynamik.

Wiesmeier: Der Schirm hat zwischen zehn und 14 Quadratmeter (ein Gleitschirm ist doppelt so groß, d. Red). So reagiert er sehr direkt auf die Steuerimpulse. Aber du musst natürlich auch wesentlich konzentrierter fliegen. Deswegen hat das auf der Piste nichts verloren.

SZ: Die Stahlkanten des Piloten wären dann auf Aortahöhe anderer Skifahrer.

Wiesmeier: Speedfliegen und Skifahren werden nie gemeinsam auf einer Piste funktionieren. Das ist ein Sport fürs freie Gelände. Was fasziniert: Es gibt in schneearmen Wintern immer einen Aufstieg für eine Tour. Nur die Abfahrt ist das Problem. Dafür ist Speedflying ideal.

SZ: Wenn es sein muss, kannst du also von oben bis unten durchfliegen.

Wiesmeier: Das ist nicht ganz der Sinn der Sache. Man sollte es schon mit Skifahren kombinieren. Ideal ist dafür zum Beispiel die ,,neue Welt'', die Steilabfahrt von der Zugspitze nach Ehrwald. Eine sehr sportliche Abfahrt mit einer Abseilstelle. In diesem Winter unmöglich. Kein Schnee, freie Felsplatten. Doch wir haben einen Riesenspaß gehabt. So stelle ich mir Speedflying vor.

SZ: Muss man gut Skifahren können?

Wiesmeier: Das ist Voraussetzung. Du bist flott unterwegs, mit Minimalspeed 40 Stundenkilometer, es geht bis über hundert. Und wenn du dann Schneekontakt hast, solltest du das im Griff haben.

SZ: Gibt es schon einen Verband?

Wiesmeier: Ja, es hat sich der deutsch-österreichische Speedflyingverband mit Sitz in München gegründet.

SZ: Wie und wo kann man Speedflying lernen? Braucht man eine Lizenz dazu?

Wiesmeier: In Frankreich gibt es Schulen und offizielle Gelände. Bei uns ist das erst langsam im Kommen.

SZ: Wie hat die Industrie reagiert?

Wiesmeier: Ziemlich gut. Die koreanische Firma Gin hat das als eine der ersten professionell umgesetzt, zusammen mit dem Franzosen Francois Bon. Er hat auch die Erstbefliegung des Montblanc gemacht. Das ist natürlich die Krönung.

SZ: Was ist schöner: Gleitschirmfliegen oder Speedflying?

Wiesmeier: Man darf das nicht vergleichen. Das ist so verschieden wie Bouldern und alpines Klettern. Es fasziniert halt die Geschwindigkeit.

Am heutigen Dienstag um 19 Uhr stellt das Bayerische Fernsehen in ,,Bergauf - bergab'' diesen Sport vor.

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