NullAchtNeun:Schöner schlafen mit Kunst

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Hat der Münchner Besuch, gibt er sich als Kenner zeitgenössischer Hochkultur - obwohl ihm ein Bierchen statt Brandhorst lieber wäre.

Joachim Käppner

Der Münchner erhält naturgemäß mehr Besuch aus Wuppertal und Wanne-Eickel als der Wuppertaler und Wanne-Eickler aus München. Derlei gehört zu den Grundgewissheiten dieser schönen Stadt, wobei man hinzufügen könnte, dass der ehrende Begriff "der Münchner" aus Sicht gewisser Stadtbewohner nur ihnen selbst vorbehalten ist, zu vergeben nach verschiedenen, nur von ihnen selbst bestimmten Kriterien. Aber wir wollen nicht abschweifen. Die Vielzahl der Besuche aus in jeder Hinsicht weniger gesegneten Regionen des Landes führt jedenfalls rasch zu der Frage, was man bloß den lieben langen Tag mit den Wuppertalern und Wanne-Eicklern anfangen soll.

"Ihr habt es gut in München mit der modernen Kunst" - Der Münchner selbst sieht das manchmal ganz anders. (Foto: Foto: ddp)

Dummerweise bestehen sie darauf, jene Attraktionen anzuschauen, mit denen der Münchner so gern angibt, die er aber doch eher selten oder auch gar nie besucht. Im Fall des Ehemanns und Vaters sind das die gewiss bewundernswerten Institutionen moderner Kunst, neuerdings bereichert um das bestimmt höchst interessante Museum Brandhorst. Trifft er Verwandte und Freunde von anderswo, sagen diese oft: Ihr habt es gut in München mit der modernen Kunst, bei uns stehen höchstens ein paar Betonquader vor der Kreissparkasse. Er hat dann stets gönnerhaft genickt, ein, zwei gängige Künstlernamen gemurmelt und so den gänzlich unzutreffenden Eindruck erweckt, er gehe ein und aus in den Häusern zeitgenössischer Hochkultur.

Von der Moderne entzückt

Der Nachteil dieser Strategie ist, dass die auswärtigen Besucher logischerweise verlangen, von ihm durch die Pinakothek der Moderne geführt zu werden. Sein Versuch, in den Tierpark Hellabrunn auszuweichen, wird im Ansatz verworfen. Also läuft er mit ihnen durch die Pinakothek, und es ist nun leider zu spät, viel zu spät für ein Geständnis, dass er noch nie hier gewesen sei, dass er von den meisten Künstlern noch niemals gehört habe, dass er gar nicht wisse, warum mehrere Räume voll grüner Neonröhren ein kostbares Kulturgut bildeten und dass er, ja leider, einfach ein Banause sei, der jetzt am liebsten auf ein Bierchen in den nahen und doch so fernen Schelling-Salon gehen, oder wenn schon Kultur, dann doch lieber Spitzweg gucken würde in der Neuen Pinakothek.

Der Besuch jedoch ist von der Moderne entzückt, er, der Ehemann und Vater, aber müde, sehr müde von den langen Gängen und Zimmern voller Farbklecksbildern. Aber plötzlich stehen da Autos. Vor einem original Ro80 mit Wankelmotor - was macht der hier? - lebt er nachgerade auf und berichtet, dass er in jungen Jahren eine Freundin im Rheinischen eigentlich nur deshalb besucht habe, um den Ro80 ihres Vaters anzuschauen; faszinierendes Design, also der Wagen, meinte der damals noch nicht Ehemann und Vater. Er spürt, dass die Besucher ihn argwöhnisch mustern.

Wovon Münchner im Museum träumen

Der Ehemann und Vater entdeckt einen schön geformten Schaukelstuhl und setzt sich hinein. Um ihn herum summt der Museumsbetrieb, er denkt an den Schelling-Salon, die Freundin von damals, wie hieß sie noch gleich, an den Ro80, den ihr Barbar von Vater dem Schrotthändler schenkte statt ihm, dem heutigen Ehemann und ...

Da rüttelt ihn eine Hand an der Schulter. Er schreckt hoch und blickt in feixende Gesichter. Du bist bestimmt der einzige Besucher der Pinakothek der Moderne, der zum Mittagsschlaf herkommt, höhnen die Wuppertaler und Wanne-Eickler. Nach Münchner Art bewahrt er selbstredend die Coolness. Wenn man alles schon kennt, knurrt er. Gehen wir jetzt lieber mal auf ein Bierchen in den Schelling-Salon.

© SZ vom 06.06.2009/sus - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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