NS-Dokumentationszentrum:Ein Platz des neuen Geistes

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Das Siegermodell für das NS-Dokumentationszentrum gilt schon jetzt als großer Wurf.

Alfred Dürr

Über Jahrzehnte hatte es ausgerechnet in Hitlers früherer "Hauptstadt der Bewegung" kein Dokumentationszentrum über die NS-Zeit gegeben. Das soll nun anders werden - und der überraschende Siegerentwurf, ein schlichter, aber eindrucksvoller weißer Betonwürfel in der Nähe des Königsplatzes, begeistert schon jetzt die Verantwortlichen der Stadt.

Der überraschende Siegerentwurf: Ein schlichter, aber eindrucksvoller weißer Betonwürfel (Foto: Foto: Robert Haas)

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gestaltete der berühmte Baumeister Leo von Klenze im Auftrag König Ludwigs I. den Königsplatz mit der Glyptothek und dem Stadttor, den "Propyläen". Noch heute lassen die monumentalen und doch eleganten Gebäude den Geist der Antikenbegeisterung spüren, den der griechische Freiheitskampf gegen die Osmanen in Europa und besonders in Bayern geweckt hatte. Später kam die Staatliche Antikensammlung hinzu.

Tod der Freiheit

Die Nationalsozialisten veränderten den Königsplatz aber gravierend. Nun ging es nicht mehr um den Sieg der Freiheit, sondern um deren Tod. Das Gelände wurde zu einem "Forum der Partei". Die Fläche wurde mit Granitplatten belegt, auf der Ostseite entstanden zwei sogenannte Ehrentempel, und der Platz wurde außerdem durch zwei gigantische Parteibauten begrenzt.

Heute sind in diesen, von Paul Ludwig Troost entworfenen Komplexen, die Musikhochschule beziehungsweise Kulturinstitute untergebracht. Die Gebäude, die zum Vorbild für Repräsentationsbauten des NS-Regimes in ganz Deutschland wurden, sind durch unterirdische Gänge miteinander verbunden und besitzen weitläufige Keller. Von den einstigen "Ehrentempeln" sind nur noch die Fundamente erhalten. Bislang informiert nur eine Schautafel vor einem dieser Fundamente über das Parteiviertel aus der NS-Zeit. Einer der wichtigsten Neubauten aus den 1950er Jahren ist das Amerikahaus am Karolinenplatz.

Nun kommt also das NS-Dokumentationszentrum auf dem Gelände der ehemaligen NS-Parteizentrale, dem "Braunen Haus", an der Brienner Straße (siehe nebenstehenden Artikel). "Wir erwarten, dass uns die Landeshauptstadt München möglichst bald mit dem Bauvorhaben am Königsplatz befasst", sagt Bayerns oberster Denkmalpfleger, Generalkonservator Egon Johannes Greipl. Der am Sonntag präsentierte Siegerentwurf (die SZ berichtete) für das NS-Dokumentationszentrum würde sich in ein außergewöhnliches Ensemble einfügen. "Das Zentrum muss von seinem Volumen her und der Fassadengestaltung in die Umgebung passen", sagt Greipl. Ob dieser Anspruch erfüllt werde, könne man aber erst beurteilen, wenn detaillierte Pläne des Neubaus vorlägen.

Die Politik urteilt freilich schneller. Der Siegerentwurf sei ausdrücklich zu begrüßen und zu unterstützen, sagt der Grünen-Fraktionsvorsitzende Siegfried Benker. Er war auch in der Jury des Wettbewerbs. Der weiße Betonwürfel sei ein gelungener Kontrapunkt zur NS-Architektur. Benker: "Überraschenderweise haben alle Entwürfe, die durch gläserne Fassaden demokratische Transparenz zum Ausdruck bringen wollten, nicht überzeugt." Alles Gläserne und Filigrane habe sich, von der Wirkung her gesehen, nämlich gegen die massiven Bauten in der Nachbarschaft nicht behaupten können.

Breite Unterstützung

CSU-Stadtrat Marian Offman, der auch Vize-Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde in München war und zudem dem Politischen Beirat für das NS-Dokuzentrum angehört, spricht sich ebenfalls deutlich für den Siegerentwurf aus: "Die Stadt bekommt mit der neuen Synagoge, dem Jüdischen Museum und dem Gemeindezentrum auf dem St.-Jakobs-Platz sowie dem künftigen Dorfzentrum ein neues Antlitz." Der Bereich um den Königsplatz sei "mit brauner Ideologie kontaminiert wie kein zweiter Ort auf der Welt".Das Dokuzentrum setze dem deutlich etwas entgegen, "ohne unästhetisch zu sein".Der SPD-Stadtrat und Vorsitzende des Politischen Beirats, Michael Leonhart, glaubt nicht an Konflikte mit dem Denkmalschutz. Das Zentrum hebe sich von der Umgebung ab, passe aber dennoch zu ihr: "Genau diese Spannung macht das Besondere des Siegerentwurfs aus."

Damit zeichnet sich ab, dass im Rathaus mit einer breiten Unterstützung für den Kubus aus weißem Beton zu rechnen ist. Jeder kann sich selbst ein Bild über die Entwürfe im Rahmen des Architektenwettbewerbs machen - und zwar in der Ausstellung des Stadtmuseums, die am Montagabend von Oberbürgermeister Christian Ude eröffnet worden ist.

München soll ein NS-Dokumentationszentrum erhalten: Wie tauglich ist der Siegerentwurf? Wie sollte das Zentrum die Geschichte aufbereiten? Leserbriefe werden am kommenden Donnerstag im "Forum München" der Süddeutschen Zeitung abgedruckt. Schreiben Sie uns unter lokalredaktion@sueddeutsche.de

© SZ vom 10.03.2009/pfau - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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