Nicht schweigen:Lücken im Hilfesystem

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Eine neue Broschüre soll Opfer von Vergewaltigungen unterstützen

Von Manuel Kronenberg

Werden Frauen Opfer einer Vergewaltigung, passiert oft eines: Sie schweigen. Und wenn sie sich doch Hilfe suchen, kommt es in München wohl immer wieder vor, dass sie nicht die Unterstützung erhalten, die sie benötigen. Das Hilfesystem hat erhebliche Lücken, das hat die Gleichstellungsstelle der Stadt festgestellt, als sie zusammen mit der Beratungsstelle Frauennotruf eine neue Broschüre erarbeitete.

Die Broschüre soll das Thema Vergewaltigung stärker ins Bewusstsein rücken. Sie informiert einerseits über die aktuelle Rechtslage: Mit der Reform des Sexualstrafrechts im Jahr 2016 wurden die Rechte der Opfer gestärkt. In der Folge wurden auch vermehrt Sexualdelikte erfasst. Laut aktueller Kriminalstatistik ist im vergangenen Jahr wie schon 2017 die Zahl der Verstöße gegen die sexuelle Selbstbestimmung deutlich gestiegen - in München um knapp 24 Prozent auf fast 1472 Fälle.

Wichtigstes Ziel der Broschüre ist aber, Betroffene zu ermutigen, sich Hilfe zu holen. Denn immer noch spreche etwa die Hälfte aller Frauen in München nicht darüber, wenn sie Opfer sexueller Gewalt würden, sagt Maike Bublitz vom Frauennotruf. Überwinden sich Betroffene doch, sollten sie dann auch die nötige Hilfe erhalten. Allerdings komme es immer wieder vor, dass Betroffene in Frauenkliniken abgewiesen würden. "Da heißt es dann, dass man nicht zuständig sei", erklärt Bublitz. Oft sei das Problem auch, dass kein Personal anwesend sei, das für solche Situationen ausreichend geschult sei. "Das ist wirklich ein Skandal." Es sei wichtig, dass Opfer von Sexualstraftaten in den Kliniken schnell versorgt würden. Sie müssten auch auf Spuren hin untersucht werden, damit diese gesichert werden könnten, falls die Betroffenen Anzeige erstatten möchten.

"Diese Versorgungslücken müssen wir dringend in Angriff nehmen", sagt Bublitz. Sie und die Mitarbeiterinnen der städtische Gleichstellungsstelle sehen das Problem vor allem darin, dass die Finanzierung fehle und die nötigen Hilfeleistungen nicht ausreichend koordiniert würden. Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD) betont, dass die Beratung durch Hilfsstellen wie dem Frauennotruf gut funktioniere. Um die Versorgungslücken zu schließen, müsse man darüber nachdenken, was auf kommunaler Ebene unternommen werden könne, und ob Stadt oder Freistaat Geld beisteuern. Strobl kann sich vorstellen, dass Modelle aus anderen Bundesländern als Vorbild dienen können. In Niedersachsen gebe es zum Beispiel eine zentrale Koordinationsstelle, die die Zusammenarbeit von Polizei, Justiz, Beratungsstellen und Gesundheitswesen unterstützt.

Entscheidend sei, dass es überhaupt genügend Anlaufstellen gebe, sagt Strobl. Betroffene Frauen müssten zudem über Hilfsangebote informiert und ermutigt werden, diese auch zu nutzen. Sie hofft, dass die Broschüre "Vergewaltigung" betroffenen Frauen die Angst nehmen kann. Das Thema brauche aber generell viel mehr Aufmerksamkeit. Strobl kann sich deshalb vorstellen, dass es in München bald eine große Kampagne gegen Männergewalt geben wird.

© SZ vom 29.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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