Neues Votum:Sand im politischen Getriebe

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In der Koalition wird gestritten, wer für die Vergabe des Kulturstrands zuständig ist - nun wird noch einmal abgestimmt

Von Heiner Effern

Mit Strand verbindet man gewöhnlich Faulenzen im Liegestuhl, eine lässige Bar, entspannte Menschen ringsum. Geht es um den (Kultur-)Strand in München, erlebt man seit einiger Zeit das Gegenteil: hektische Vorbereitungen unter Zeitdruck, Streit um die Schank- und vor allem Betriebsvergabe sowie Menschen, die sich gegenseitig piesacken. Dabei stechen im Moment nicht einmal die zwei potenziellen Veranstalter Benjamin David und Zehra Spindler hervor, vor allem der Stadtrat glänzt durch politische Ränkespiele.

Die nächste öffentliche Gelegenheit dafür wird die Vollversammlung am 25. Januar bieten. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) will dort über das Vorgehen bei der Vergabe des Kulturstrands von 2017 bis 2019 am Vater-Rhein-Brunnen abstimmen lassen. Klingt harmlos, bedeutet aber den zweiten Anlauf in nur fünf Wochen. Denn der OB hält den Beschluss der letzten Stadtratssitzung im Dezember für einen Rechtsbruch. Damals hatten CSU, Grüne und Piraten seine SPD überrumpelt und die Vergabe an den Kreisverwaltungsausschuss delegiert, in dem sie gemeinsam die Mehrheit besitzen. Das vom SPD-Referenten Thomas Böhle geführte Kreisverwaltungsreferat (KVR) wurde ausgebootet.

Das Direktorium arbeitet nun auf Betreiben von OB Reiter eine Vorlage aus, die den Rechtsbruch belegen und den Beschluss einkassieren soll. Natürlich ausschließlich wegen rechtlicher Bedenken, Parteipolitik soll keine Rolle spielen. Dabei geht es bei der Vergabe des Strands sehr wohl auch darum. Die beiden potenziellen Veranstalter stehen jeweils einem politischen Lager nahe: David und die Urbanauten kommen aus der grünen Szene, sind mittlerweile aber auch mit Bürgermeister Josef Schmid (CSU) bestens bekannt. Dierk Beyer wiederum, der Kompagnon von Zehra Spindler, kandidierte bei der letzten Stadtratswahl auf der SPD-Liste. Beide können organisatorisch und inhaltlich den Strand stemmen. Das legt folgendes politisches Szenario nahe: Wählt das KVR unter SPD-Herrschaft den Betreiber, gewinnen Beyer und Spindler. Bestimmt der Kreisverwaltungsausschuss mit einer Mehrheit aus CSU, Grünen und Piraten, geht der Strand an David und seine Urbanauten.

Alles dreht sich also um die Frage, wer die Bewerber beurteilt und letztendlich den Sieger aussucht. KVR-Chef Böhle rechnet fest damit, dass seine Behörde die Unterlagen prüfen und zumindest eine Vorlage ausarbeiten darf und muss, wenn sie nicht selbst den Strand auch gleich vergibt. Es sei nicht mit geltendem Recht zu vereinbaren, dass das KVR dem Ausschuss "das Material unbewertet vor die Füße kippt". Böhle und Reiter halten eine Vergabe durch den Stadtrat für problematisch. Sonst könnte künftig ja auch jedes Wiesnzelt nach politischem Gusto und nicht nach fachlicher Eignung vergeben werden, so die Lesart der SPD. Das sei unmöglich.

Die CSU und die Grünen werden sich die rechtlichen Einwände von Reiters Direktorium genau ansehen. Eine "rechtliche Pfennigfuchserei" will CSU-Fraktionsvize Michael Kuffer nicht auslösen. Aber dass die Vergabe am Ende ausschließlich im KVR laufe, kann er sich auch nicht vorstellen. Eine denkbare Variante sei, dass das KVR in einer Vorlage die Bewerbungen bewerte und eine Empfehlung formuliere, die Kandidaten sich anschließend im Ausschuss vorstellten und dort dann auch die endgültige Entscheidung fiele. Auch die Grünen können derzeit juristisch nicht nachvollziehen, warum die Vergabe nicht im Ausschuss fallen soll. "Die Politik entscheidet seit Jahren über unterschiedlichste Vergaben, auch bei der Wiesn. Warum nicht auch hier?", fragt die Fraktionsvorsitzende Gülseren Demirel.

Einigt sich der Stadtrat nicht auf einen Beschluss, den OB Reiter rechtlich mitträgt, wird er sich an die Rechtsaufsicht bei der Regierung von Oberbayern wenden. Diese wird dann ein Gutachten erstellen. Hält sie den zweiten Beschluss für rechtswidrig, wird die Vollversammlung zum dritten Mal versuchen müssen, einen gültigen Beschluss zu fassen. Würde der immer noch nicht dem geltenden Recht entsprechen, könnte die Regierung diesen kassieren. Das dürfte frühestens im Frühjahr der Fall sein, damit wäre auch der Strand 2017 wegen der kurzen Vorbereitungszeit in akuter Gefahr. Die Anmeldung läuft ungeachtet aller politischer Turbulenzen wie geplant. Bis 31. Januar können alle interessierten Bewerber ihre Unterlagen einreichen.

© SZ vom 16.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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