Neues Gesetz:Doppelt so viel Hilfe, doppelt so viel Arbeit

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150 Euro zahlt die Stadt für ein Kind unter sechs Jahren pro Monat. Illustration: Dennis Schmidt (Foto: ztr)

Mit der neuen Vorschussregelung darf das Münchner Jugendamt nun für Kinder jeden Alters den monatlichen Unterhalt auszahlen - die Behörde sucht deshalb personelle Verstärkung

Von Sven Loerzer, München

Es ist eine bittere Erfahrung, die viele Alleinerziehende machen. Obwohl der Ex-Partner Unterhalt für sein Kind zahlen müsste, kommt von ihm kein einziger Cent. Etwa die Hälfte der Alleinerziehenden muss mit dieser Situation fertig werden, wie aus der im vergangenen Jahr von der Bertelsmann Stiftung veröffentlichten Studie "Alleinerziehende unter Druck" hervorgeht. Ein weiterer Teil bekommt zwar Geld, aber von den Unterhaltszahlungen, die fließen, reiche "etwa nur die Hälfte in der Höhe aus, um den Mindestanspruch auf Barunterhalt zu decken". Fast 8000 Alleinerziehende in München, also etwa 30 Prozent, sind auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen.

Um Alleinerziehenden in ihrer schwierigen Lebenssituation wenigstens einen Teil ihrer finanziellen Sorgen zu nehmen, wurde 1980 mit dem Unterhaltsvorschussgesetz zumindest ein Teilausgleich aus Steuermitteln geschaffen, wenn der sogenannte Barunterhalt des Elternteils ausbleibt, bei dem das Kind nicht wohnt. Für Kinder bis fünf Jahre gibt es derzeit 150 Euro monatlich, für Sechs- bis Elfjährige 201 Euro monatlich, das entspricht dem Mindestunterhalt abzüglich dem Kindergeld. Ältere Kinder gehen dagegen bisher leer aus. Außerdem ist die Bezugsdauer beim Unterhaltsvorschuss derzeit auf sechs Jahre begrenzt. Doch das wird sich bald ändern.

Wenn der staatliche Zuschuss endet, "dann ist das für die Alleinerziehenden schon ein Einschnitt", zumal die Zahlungsmoral des anderen Elternteils ja in der Regel nicht besser werde, sagt Sonja Waldvogel-Freund, die Leiterin der zuständigen Abteilung im Münchner Stadtjugendamt. "Und Kinder werden mit zunehmendem Alter nicht billiger." Um so mehr freut sie sich darüber, dass mit der Neuregelung des Unterhaltsvorschusses, die zum 1. Juli in Kraft treten soll, nun sowohl die zeitliche Begrenzung als auch die Altersgrenze fallen. "Es war immer unser Wunsch, dass der Vorschuss für Kinder bis 18 Jahre bezahlt werden kann." Für Zwölf- bis 17-Jährige sollen künftig dann 268 Euro monatlich überwiesen werden, allerdings nur dann, wenn das Kind nicht auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen ist oder aber der alleinerziehende Elternteil zusätzlich zu Hartz IV mindestens 600 Euro brutto verdient. Für die unter Zwölfjährigen muss bei Hartz-IV-Bezug der Unterhaltsvorschuss als vorrangige Leistung beantragt werden: Sie wird ebenso wie das Kindergeld auf Hartz IV angerechnet, bringt also nicht mehr Geld.

Die ersten Nachfragen nach der neuen Leistung kamen schon im Dezember, während Bund und Länder noch um ihre Finanzierungsanteile rangen. "Für Alleinerziehende ist der Unterhaltsvorschuss ganz einfach eine wichtige Sache", sagt die Leiterin der Abteilung Beistandschaft, Vormundschaft, Unterhaltsvorschuss. Damals mussten die Mitarbeiter in den Sozialbürgerhäusern die Mütter noch vertrösten. Ursprünglich hatte Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig den 1. Januar ins Auge gefasst, deshalb kritisierten viele Verbände, dass das Gesetz nicht mit Rückwirkung zum 1. Januar in Kraft treten soll.

Aber so sehr Sonja Waldvogel-Freund auch davon überzeugt ist, dass die Ausweitung der finanziellen Hilfe für Alleinerziehende richtig und wichtig ist, so ist ihr natürlich auch klar, dass es ihrer Abteilung erheblich mehr Arbeit bringt: Bislang kümmerten sich Mitarbeiter auf insgesamt 24 Vollzeit-Personalstellen um rund 4500 Alleinerziehende, die Unterhaltsvorschuss erhielten, weil der Unterhaltspflichtige nichts oder zu wenig für die Kinder bezahlte. Die Nachfrage insgesamt werde sich also mindestens verdoppeln. "Wir rechnen mit einer Antragsflut." Die Abteilungsleiterin im Jugendamt hat bereits eine Beschlussvorlage in Vorbereitung, damit der Stadtrat über die nötige Personalverdopplung entscheiden kann. "Für uns wird es schwierig, genügend Personal zu gewinnen und rechtzeitig einzuarbeiten, da ist es eine Erleichterung, wenn wir den Vorlauf haben." Denn Verwaltungsfachkräfte sind Mangelware, die Absolventen der Verwaltungshochschule außerordentlich gefragt auch in anderen städtischen Referaten.

Unterhaltsvorschuss bekommt ein Kind, wenn es bei einem allerziehenden Elternteil lebt und von dem anderen Elternteil nicht oder nur teilweise oder nicht regelmäßig Unterhalt in Höhe des gesetzlichen Mindestunterhalts erhält. Antragsteller müssen einen vierseitigen Fragebogen ausfüllen, der dann an eines der drei Sozialbürgerhäuser geht, in dem schwerpunktmäßig die Anträge bearbeitet werden. Keineswegs sind es nur alleinerziehende Mütter, die von dieser einkommensunabhängigen Leistung profitieren: "Die Väter werden mehr", sagt Sachbearbeiterin Stefanie Howe, den Anteil schätzt die Fachberaterin Alexandra Möller-Marinoff auf bis zu zehn Prozent. Das habe wohl auch damit zu tun, dass der Anteil der Väter steigt, denen bei Trennungen die Kinder zugesprochen werden.

Weit überwiegend werde der Antrag für jüngere Kinder gestellt. Im Schnitt beträgt die Bearbeitungszeit bis zum Bescheid etwa drei Monate. Der unterhaltspflichtige Elternteil erhält einen Anhörungsbogen. Die meisten Angeschriebenen machen ein zu geringes Einkommen geltend, höchstens zehn Prozent reagieren mit der Zahlung. Der Unterhaltspflichtige muss sein Einkommen nachweisen. Manch Selbständiger versucht da dann, sein Einkommen kleinzurechnen.

Um die Aufgabe, die ausbezahlten Vorschüsse bei den leistungsfähigen Unterhaltspflichtigen wieder einzutreiben, kümmert sich dann in Bayern das Landesamt für Finanzen. Die Rückforderung wird zwar nicht verzinst, "aber oft über sehr lange Zeit betrieben", das können zehn oder 20 Jahre sein. Gut ein Drittel des in einem Jahr ausbezahlten Geldes von rund neun Millionen Euro fließt wieder zurück, damit steht München unter den Großstädten bestens da.

Gerade in einer teuren Großstadt wie München ist der Vorschuss "schon sehr wichtig", sagt Sonja Waldvogel-Freund. Alleinerziehende mit ihrem oft sehr knappen Budget seien unbedingt angewiesen auf regelmäßige Zahlungen, wie sie das Jugendamt dann zum Monatsersten für den folgenden Monat leistet. Wer von der Neuregelung zum 1. Juli profitieren will, kann sich aber noch Zeit lassen bis Ende Juli: Die Zahlung erfolgt vom Monat der Antragstellung an.

© SZ vom 28.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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