Neue Wege:Netz Gottes

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Die Frauenkirche und andere Gotteshäuser werden wegen des Coronavirus auf absehbare Zeit leer bleiben. (Foto: Florian Peljak)

Kirchen sprechen Gläubige mit Botschaften im Internet an

Von Bernd Kastner

Das Leben der religiösen Gemeinden, seien sie christlich oder muslimisch, verlagert sich immer mehr ins Internet. So versuchen Bischöfe, Pfarrer und Imame, Kontakt zu ihren Gläubigen zu halten und der Verunsicherung in der Coronakrise zu begegnen, jetzt, da Gottesdienste nicht mehr stattfinden, zumindest keine gewöhnlichen. Ungewöhnliche aber sehr wohl.

Kardinal Reinhard Marx etwa will am kommenden Sonntag um zehn Uhr einen Gottesdienst in der Sakramentskapelle des Doms feiern und ihn live auf der Seite des Erzbistums übertragen. Zudem sollen alle Pfarreien im Erzbistum am Sonntag um zehn Uhr die Kirchenglocken läuten, um an die Gebetszeit zu erinnern. Katholiken seien eingeladen, daheim einen Hausgottesdienst zu feiern. Das notwendige Material werde die Diözese am Wochenende online zur Verfügung stellen.

Jeweils mittwochs wollen sich Marx und die Weihbischöfe mit einem Videoimpuls an die Gläubigen wenden. Begonnen mit den "Mittwochsminuten" hat Bernhard Haßlberger: "Wir stehen in einer Krise, in einer globalen Krise, und davon ist auch die Kirche erfasst", sagte der Weihbischof. "Schon oft war das Volk Gottes am Abgrund gestanden. Schon oft hatte es den Eindruck, es geht nicht mehr weiter." Gott aber habe immer geholfen. Zusätzlich bieten die Telefonseelsorge (0800/111 0 222) sowie die Krisen- und Lebensberatung "Münchner Insel" (www.muenchner-insel.de) Beratung an. Katholische Pfarreien bereiten zudem unterschiedliche Angebote für die Corona-Zeit vor.

Ähnlich verfahren die Verantwortlichen im evangelischen Dekanat München: In vielen Gemeinden werde gerade an Not-Angeboten via Internet gearbeitet. Ein Überblick darüber soll sich demnächst auf der Seite des Dekanats finden unter www.muenchen-evangelisch.de. Stadtdekanin Barbara Kittelberger sagt, dass alle Gemeinden aufgerufen seien, ihre Kirchen offen zu lassen, um einen Ort der Stille und des Gebets zu erhalten. Dort könnten zum Beispiel Zettelkästen aufgestellt werden. In ihnen können Protestanten ihre Telefonnummer hinterlassen, verbunden mit der Bitte, angerufen zu werden. In vielen Gemeinden werde versucht, die Nachbarschaftshilfe zu unterstützen.

Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm schlägt vor, die ungewohnte Lage sinnvoll zu nutzen: "Wenn wir jetzt unerwartet mehr Zeit haben durch abgesagte Veranstaltungen oder weil wir zu Hause bleiben müssen, dann können wir sie nutzen für Besinnung, Gebet, Psalmenmeditation, Auftanken und Gemeinschaft mit lieben Menschen." Er selbst stelle fortan regelmäßig morgens ein Ermutigungsvideo auf seine Facebookseite.

Während die Israelitische Kultusgemeinde derzeit online nichts anbietet, hat Imam Benjamin Idriz, Vorsitzender des Münchner Forums für Islam, seinen Kollegen in München vorgeschlagen, via Internet Kontakt zu Gläubigen zu halten. Er selbst wolle sich diesen Freitag mit einer Videobotschaft an Muslime wenden. Es gelte, die Menschen in dieser Zeit zu trösten, zu ermutigen und sie an die von den Behörden vorgegebenen Regeln zu erinnern. Auch sollen so Jugendliche motiviert werden, sich in der Nachbarschaftshilfe zu engagieren.

© SZ vom 19.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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