Die Frage sei, wie man reagieren wolle, sagt Angelika Bachmann. Die Gesellschaft verändere sich, und es herrsche viel Enttäuschung darüber, wie schwierig die Integration von Zuwanderern sei. "Die einen sagen deswegen, es wäre besser, es gäbe gar keine Migration", sagt Bachmann. "Man kann aber auch sagen: Es ist schwieriger als gedacht, also engagiere ich mich und zeige: So könnte es gehen."
Angelika Bachmann hat sich dafür entschieden, sich zu engagieren - und zwar so, wie sie es am besten kann. Sie ist Lehrerin, leitete zuletzt den Montessori-Schulverbund in Neubiberg. Jetzt gründet sie gemeinsam mit zehn Gleichgesinnten eine internationale Montessori-Schule in München. "Campus di Monaco" heißt sie; Kinder und Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund sollen hier miteinander und auf Augenhöhe lernen. Geplant ist eine zweizügige Mittelschule mit Ganztagesangebot. Die staatliche Genehmigung steht noch aus, doch am Ende soll es etwa 200 Schüler geben und mehr als 20 Lehrer. Bachmann wird zur Schulleitung gehören. Schon zum Schuljahr 2019/20 sollen die ersten Klassen gebildet werden.
Bis dahin sei freilich noch viel zu tun, sagt die künftige Schulleiterin Antonia Veramendi. Auch sie ist vom Fach: In den vergangenen fünf Jahren leitete sie die Schlau-Schule, die schulanalogen Unterricht für Flüchtlinge anbietet.
Derzeit kümmern sie und Bachmann sich um die Voranmeldungen der Schüler. Es soll ein Schulgeld geben, sagt Veramendi, die Beiträge würden aber nach einem Solidarprinzip gestaffelt. "Es soll niemandem aus finanziellen Gründen verwehrt sein, an unsere Schule zu kommen." Und parallel suchen die Schulleiterinnen nach einem Standort. Sie hätten zwei Immobilien in Aussicht, eine im Süden, eine im Osten Münchens, sagt Bachmann. Beide seien gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. An diesem Montagabend laden die Gründer von 19 Uhr an zu einem Informationsabend ins Café Bellevue di Monaco an der Müllerstraße 6.
Das Konzept sei Vielsprachigkeit, sagt Veramendi. Unterrichtssprache solle zwar Deutsch sein, aber die Muttersprachen der fremdsprachigen Kinder sollen nicht abgewertet, sondern integriert und im Unterricht sowie beim Lernmaterial genutzt werden. "Konkret heißt das zum Beispiel, dass wir Lieder in unterschiedlichen Sprachen singen", erklärt Veramendi. Es werde Literatur und Recherchematerial in den Muttersprachen der Kinder geben. Und geplant sei auch etwa ein "Sprachen-Café" am Nachmittag: Dort werde es dann Tische geben, an denen unterschiedliche Sprachen gesprochen werden. Dort könnten Schüler mit fremder Muttersprache in die Rolle eines Lehrers schlüpfen, statt immer die zu sein, die Unterstützung brauchen.
An Regelschulen hätten es Kinder mit Migrationshintergrund schwer, trotz dem oft großen Engagement der Lehrkräfte, sagt Veramendi. "Deshalb bin ich überzeugt, dass wir mehr als genügend Schüler aus diesem Bereich finden." Eine Montessori-Schule sei zur Integration ohnehin besonders gut geeignet: Sie blicke stärker auf die Bedürfnisse der Schüler, jeder arbeite in seinem Tempo, die Schule verwende individuelle Lern- und Förderpläne und beziehe das Umfeld der Kinder mit ein, die Eltern etwa oder die Betreuer der Jugendhilfe. So wären Schüler mit unterschiedlichen Voraussetzungen gut aufgehoben.
Aber auch deutschsprachige Kinder sollen von "Campus di Monaco" profitieren. Die individuelle Förderung würde ja allen Kindern helfen, sagt Bachmann. Die Schule setze außerdem auf Kompetenzen wie Teamfähigkeit und auf die Vorbereitung auf das Berufsleben. Außerdem biete die Schule mit den geplanten 16 Schülern pro Klasse recht kleine Lerngruppen. Und im Zeichen der Internationalität sollen die Schüler zwei Fremdsprachen lernen, erst Englisch, dann Französisch oder Spanisch. Für Mittelschulen sei das außergewöhnlich, sagt Veramendi. Mit diesen Sprachfertigkeiten hätten es die Jugendlichen leichter, wenn sie später an eine Oberschule wechseln möchten, um Abitur zu machen. Und nach dem Abschluss wolle man sich weiterhin um die Absolventen kümmern.
"Wir wollen Internationalität zur Normalität machen", sagt Bachmann. Es gehe um Bildungsgerechtigkeit, da sei noch viel Luft nach oben, ergänzt Veramendi. Kinder mit Fluchthintergrund seien stark benachteiligt, "und ich bin nicht bereit, das hinzunehmen". Immer stärker sei deshalb der Entschluss gereift, die Schule zu gründen - auch wegen der gesellschaftlichen Entwicklungen der vergangenen Jahre, der Polarisierung, der Verrohung der Sprache, des Alltagsrassismus, der Gewaltbereitschaft und des zunehmenden Populismus. "Ich wollte nicht untätig sitzen bleiben, sondern tun, was ich kann", sagt sie. "Und wenn ich sehe, wie ein junger Mensch, der mit großen Hürden gekommen ist, seinen eigenen Weg geht und auf eigenen Füßen steht, dann ist das Glück eigentlich vollkommen."