Neue Becken:Frischzellenkur fürs Klärwerk

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Diese Betonfläche mit 60 Metern Durchmesser wird einmal ein Klärbecken, in dem Bakterien den Kohlenstoff aus dem Wasser fressen. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Anlage in Fröttmaning wird für 146 Millionen Euro renoviert

Von Dominik Hutter

Von Dach des Bürogebäudes sieht alles ganz idyllisch aus: Das Windrad auf dem Fröttmaninger Berg dreht sich in gemächlichem Tempo, hinter den Bäumen lugt das Minarett an der Freisinger Landstraße hervor, in der Ferne ist die Isar zu erahnen. Unten aber wird gewerkelt: Bauarbeiter in Warnwesten montieren die Stahlarmierung an einer kreisrunden Betonfläche, Durchmesser 60 Meter. Die Schüssel soll einmal ein Klärbecken werden, eine Art Biotop für Bakterien, die den Kohlenstoff aus dem Abwasser herausfressen. Ein natürlicher Prozess - nur dass er im Klärwerk Großlappen im Zeitraffer stattfindet. Wenn das Wasser nach 20 Stunden in die Isar fließt, ist es zu 99 Prozent sauber.

Gelegentlich aber benötigt auch die Kläranlage selbst eine Frischzellenkur. Derzeit wird die zwischen 1965 und 1973 errichtete erste biologische Stufe komplett neu gebaut - samt Pumpen, Leitungen, Steuerung, Turboverdichter und was man sonst noch für die Wiederaufbereitung des Wassers braucht. Der ältere Teil der Anlage ist bereits abgebrochen, nur die ganz im Norden gelegenen Becken sind noch übergangsweise in Betrieb. Wenn die fast 146 Millionen Euro teuren Bauarbeiten im Jahr 2019 abgeschlossen sind, sind die für die Klärung notwendigen Bakterien nur noch in sechs statt der ursprünglich neun Becken tätig. Die neuen sind dafür größer, tiefer und benötigen weniger Energie. Was durchaus eine Rolle spielt in der Kalkulation des zweiten Werkleiters Robert Schmidt. Denn Kläranlagen sind Mega-Stromverbraucher, vor allem mit ihren biologischen Stufen.

Davon gibt es zwei in Großlappen, dem größeren der beiden Klärwerke. Im Münchner Norden, in Sichtweite der Allianz-Arena, kann das Wasser von zwei Millionen Menschen aufbereitet werden, die Anlage in Dietersheim ist auf eine Million ausgelegt. Dieser Wert ist allerdings theoretisch, denn durch die beiden "Beckenlandschaften" fließt nicht nur klassisches Abwasser aus Haushalten und Industrie, sondern auch das Regenwasser - und das kümmert sich nicht um Einwohnerzahlen. Neben der Stadt München mit ihrem rund 2500 Kilometer Kanalnetz sind auch 23 Umlandgemeinden an die Kläranlagen angeschlossen. Etwa vier Kubikmeter Wasser passieren pro Sekunde das Werk Großlappen, noch einmal 2,5 Kubikmeter sind es in Dietersheim - zusammengerechnet, so Schmidt, ist das fast so viel Wasser wie im Auer Mühlbach.

Einst, im 1929 angelegten Speichersee bei Ismaning, waren Fische für die Reinigung des Abwassers zuständig. Heute erfolgt die Aufbereitung in mehreren Stufen: In Großlappen, 1926 eröffnet, ist die erste Station nach wie vor ein großer Rechen, der das Gröbste entfernt. Es folgen Absetzbecken, in denen die übrigen Schwebstoffe nach unten sinken. Sind Sand und Fett erst einmal entfernt, kommen die beiden biologischen Stufen an die Reihe, in denen Kohlenstoff und Stickstoff verschwinden. Das Abfallprodukt, der Klärschlamm, wird zu zwei Dritteln in Großlappen und zu einem Drittel im Kraftwerk Nord verbrannt.

Aktuell müssen die 190 Mitarbeiter in Großlappen viel improvisieren, um die Anlage trotz der Bauarbeiten in Betrieb zu halten. Denn Abwasser gibt es immer - auch wenn gerade die biologische Stufe erneuert werden muss.

© SZ vom 29.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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