Nahverkehr in München:Trend zur Tram

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Um Lücken im Netz zu schließen, setzen die Münchner Planer vor allem auf die Straßenbahn. Neue U-Bahn-Linien rentieren sich wegen der hohen Kosten nicht.

Marco Völklein

Mitte der 1990er Jahre gab es in München noch ein eigenes U-Bahn-Referat. Die Stadt boomte, der Verkehr wuchs. Und München baute eine neue Strecke nach der anderen. Eine der Mitarbeiterinnen war die Stadtplanerin Elisabeth Merk, die heutige Stadtbaurätin. "Damals", erinnert sich Merk, "lag eine Verlängerung der U6 nach Martinsried noch in weiter Ferne." In diesem Jahr nun könnte, wenn alles glatt läuft, der erste Spatenstich erfolgen. Das Planfeststellungsverfahren für die 1,3 Kilometer lange Trasse läuft.

Gutes Argument: Ein neues Straßenbahn-Gleis kostet vielleicht drei Millionen Euro pro Kilometer, bei der U-Bahn ein Vielfaches. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Klar ist aber auch: Für die nächsten Jahre dürfte dies die vorerst letzte neue U-Bahn-Trasse in München sein. Die Stadt ist mittlerweile zu gut erschlossen, als dass sich größere U-Bahn-Neubaustrecken noch rechnen würden. Auch wenn die Politiker im Münchner Stadtrat immer mal wieder Ideen entwickeln und Stadtviertel-Vertreter Wünsche anmelden - die Planer stehen meist vor einer großen Frage: Wie lässt sich das bezahlen? Selbst eine prosperierende Stadt wie München kann sich die Verlängerung einer bestehenden Strecke oder gar den Neubau einer ganzen Linie nicht leisten; sie ist auf Zuschüsse angewiesen. So kostete zum Beispiel die im Dezember eröffnete Verlängerung der U3 nach Moosach 180 Millionen Euro, sie wurde zu 75 Prozent mit Zuschüssen des Bundes und des Freistaats Bayern finanziert.

Bevor die Parlamente aber solche Summen lockermachen, verlangen sie aufwendige Studien zur Wirtschaftlichkeit. Weist ein Projekt einen Kosten-Nutzen-Faktor von weniger als 1,0 auf, fließt kein Geld. Die Planer weichen deshalb zunehmend auf die Trambahn aus, um Lücken im Netz zu schließen und die einzelnen Äste besser zu verknüpfen. "Die Tram ist kostengünstiger", sagt Stadtbaurätin Merk. "Und sie ist schneller zu realisieren als eine U-Bahn." Was ja das Beispiel der U6 nach Martinsried zeigt.

Deutlich werden diese Zwänge bei einem Projekt im Münchner Norden: der Anbindung des Gebietes zwischen Moosach und Fröttmaning. Dort haben die Fachleute des Planungsreferats zuletzt verschiedene Varianten geprüft, wie sie unter anderem das geplante Neubaugebiet auf dem Areal der früheren Bayernkaserne für den Nahverkehr erschließen können.

Zahlreiche Ideen spielten sie durch: unter anderem eine U-Bahn-Verbindung zwischen dem U-2-Haltepunkt Am Hart und der U6 am Kieferngarten, eine Verlängerung der U1 vom Olympia-Einkaufszentrum mit drei neuen Haltepunkten bis zur Endhaltestelle Am Hart sowie eine Verlängerung der U1 zur S-Bahn-Station Fasanerie. Bei all diesen Überlegungen zeigte sich, dass die erwarteten Fahrgastzahlen nicht ausreichen, um die hohen Investitionskosten zu rechtfertigen. Der Kosten-Nutzen-Faktor kam nie auch nur annähernd heran an den magischen Wert von 1,0. Denn ein Kilometer U-Bahn mitsamt der dazugehörigen Station kostete zuletzt in München etwa 80 bis 90 Millionen Euro.

Der Bau einer Trambahn kostet dagegen nur einen Bruchteil; so gehen die Planer bei der neuen, 4,3 Kilometer langen Strecke nach St. Emmeram, die die Stadtwerke derzeit bauen, von Gesamtkosten in Höhe von zwölf bis 15 Millionen Euro aus. Und nicht nur das: Auch im Unterhalt ist eine Tramlinie günstiger als eine U-Bahn.

So rechnen zum Beispiel die Stadtwerke München in den nächsten Jahren mit einem jährlichen Mehrbedarf von 50 Millionen Euro, um das in die Jahre gekommene U-Bahn-Netz zu erneuern und den Fuhrpark auszutauschen. Verständlich also, dass Merk und ihre Mitarbeiter im Planungsreferat nun auch im Münchner Norden eine Tramlösung vorschlagen: Sie wollen die Linie 23 (auch bekannt als "Parkstadt-Schwabing-Tram") bis Kieferngarten verlängern; zusätzlich soll eine Linie 24 zwischen Kieferngarten und Am Hart pendeln. Fahrgastverbände begrüßten bereits "den Realismus der Stadt".

Denn allen Beteiligten ist klar, dass die Geldtöpfe, aus denen Nahverkehrsprojekte in den nächsten Jahren finanziert werden können, eher kleiner denn größer werden dürften. So kommt ein Großteil der Zuschüsse derzeit noch aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG), einem Sondertopf des Bundes für kommunale Verkehrsprojekte. Dieses Programm läuft allerdings im Jahr 2019 aus. Bislang ist völlig unklar, ob überhaupt und, wenn ja, in welcher Höhe der Bund erneut Geld zur Verfügung stellt.

Der Fahrgastverband Pro Bahn fordert daher den Freistaat auf, in die Bresche zu springen und ein "Landes-GVFG" auf den Weg zu bringen, wie Baden-Württemberg dies bereits getan hat. Doch auch beim Freistaat ist das Geld für Verkehrsprojekte eng bemessen; das zeigt nicht zuletzt das Gerangel um die Finanzierung der zweiten S-Bahn-Stammstrecke, die nach wie vor ungeklärt ist. Und bei der die Befürworter nun auf einen politischen Schub durch eine möglicherweise erfolgreiche Olympia-Bewerbung Münchens hoffen.

Die unsichere Lage bei der Finanzierung jedenfalls macht es den Stadtplanern nicht leichter. Ihnen bleibt nichts anderes übrig, als die zahlreichen Projekte zu prüfen und planerisch voranzutreiben.

Merk sagt zwar: "Wir glauben an die U5 nach Pasing und die U4 nach Englschalking." Doch als wahrscheinlichste Projekte stehen in nächster Zeit die Westtangente durch die Fürstenrieder Straße und die Verlängerung der 19er-Tram nach Freiham an. Beides sind Trambahnprojekte. Für alles andere fehlt schlicht das Geld.

© SZ vom 02.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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