Nachwuchsdesigner:Teilen und sparen

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Junge Modelabels in München kämpfen mit hohen Mieten und Raumnot. Nur wer kreative Ideen hat, überlebt - wie zum Beispiel das Designerduo Akjumii

Von Franziska Gerlach

Den Aushang im Schaufenster entdecken sie zufällig, beim Kaffeetrinken auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Die Geschäftspartnerinnen rufen den Vermieter an - und holen sich erst einmal eine Abfuhr. "Mode? Das hält sich doch eh nicht!" Das war die erste Reaktion, sagt Anna Karsch. Die 28 Jahre alte Designerin lacht. Eine Woche später ändert der Vermieter plötzlich seine Meinung, und heute präsentieren Anna Karsch und Michaela Wunderl-Strojny, 30, die Kleider, Mäntel und Hosen, die sie für ihr Label Akjumii entwerfen, auf 40 Quadratmetern in der hippen Reichenbachstraße. Wie hoch die Miete ist, wollen sie nicht verraten. Nur: "Es war ein totaler Glücksgriff."

Wer als Modelabel noch am Anfang steht - die unternehmerische Erfahrung überschaubar, die Einnahmen sowieso, da sind lange Kündigungsfristen riskant - um den reißen sich Immobilieninhaber in der Regel nicht. Die Mieten sind horrend, selbst alteingesessene Traditionsunternehmen strauchelten schon im Kampf um die wenigen freien Verkaufsflächen. Wie sollen da junge Labels an Raum kommen? Indem sie Flächen teilen und Kosten senken, zum Beispiel.

Den Laden des Designerduos Akjumii findet man in der Reichenbachstraße. (Foto: Stephan Rumpf)

Das Designerduo Akjumii überlässt eine Ecke seines Ladens einer Fotografin, aber auch die Kombinationen Mode und Schmuckdesign kennt man in der Stadt. Eine weitere Möglichkeit sind Pop-up-Stores, also temporäre Geschäfte, die oftmals mehrere Labels gemeinsam zur Zwischenmiete belegen. Jürgen Enninger hält viel von diesem Format. "Ich bin der Überzeugung, dass diese Zusammenschlüsse wichtig sind, um die Sichtbarkeit zu erhöhen", sagt er. Vom Kreativquartier an der Dachauer Straße aus leitet Enninger das Kompetenzteam Kultur- und Kreativwirtschaft, das seit dem vergangenen September Kreative jedweder Couleur berät. Um Vermarktung und Preisbildung drehen sich die Gespräche, die Enninger und seine Kollegen mit Musikern, bildenden Künstlern oder Designern führen, aber auch die Frage nach Raum taucht immer wieder auf. Diese lasse sich oft nicht isoliert betrachten. Manchmal komme jemand mit der Forderung nach einem günstigeren Büro, sagt er, dabei sei das eigentliche Problem ein Umsatzeinbruch. "Und der wird dann auch in einem günstigeren Büro nicht glücklich, wenn er sich nicht um die Akquise kümmert."

Diesen verkaufsorientierten Ansatz mag man in Städten belächeln, die sich ihrer brodelnden Szene rühmen. Kritiker werfen da gerne ein, allzu ausgeprägtes wirtschaftliches Denken schade der Experimentierfreude. Dabei schlummert an der Isar reichlich kreatives Potenzial, allerdings muss man mitunter gezielt danach suchen. Das ist nicht die beste Voraussetzung für dauerhaften Erfolg. Zugleich wählen manche den Standort ganz bewusst, nicht nur wegen der Kaufkraft, sondern auch wegen der Ruhe und Beständigkeit, die München abstrahlt. Gerade aber weil es hier so teuer ist, rumorte der Ruf nach mehr Anerkennung des Wirtschaftsfaktors Mode und mehr Förderung junger Talente geraume Zeit in der Stadt.

Mit Glück und Überredungskunst haben Anna Karsch (rechts) und Michaela Wunderl einen Laden ergattert. (Foto: Stephan Rumpf)

Nun tut sich etwas: Schon 2013 unterstützte das Kulturreferat das temporäre Ladenprojekt "Haeppi Piecis", im darauffolgenden Jahr waren zwei Modeprojekte im Maximiliansforum möglich. Auf Anregung der SPD im Stadtrat wird München von 2016 an alle zwei Jahre einen Preis an die Absolventen der Münchner Modeschulen vergeben. Der erste Platz ist mit 10 000 Euro dotiert, die Ränge zwei und drei mit 7000 Euro beziehungsweise 3000 Euro. Das finden nicht nur für Karsch und Wunderl-Strojny interessant. Im Erdgeschoss einer ehemaligen Trachtenfabrik in Moosach nickt Larissa Ziegler anerkennend. Die gelernte Damenschneiderin ist eine von 80 Kreativen, die im "super + Unholzer" eine Ateliergemeinschaft bilden. Als sie Ende 2012 das Taschenlabel "Lara Kazis" gründete, nähte sie zunächst bei sich zu Hause. Auf Dauer war das keine Option. "Mir hat der Arbeitsweg gefehlt, man kommt kaum noch raus", sagt sie. Mit zwei anderen Designerinnen bezieht sie ein winziges Atelier im Glockenbachviertel, ohne Klo und Heizung - alles andere als ein Glücksgriff. Für ihr 20 Quadratmeter großes Reich in Moosach bezahlt sie nun inklusive Internetzugang 400 Euro im Monat. Ihr Traum? Nicht ganz. "Das Tollste wäre etwas mit Schaufenster gewesen, ein offenes Atelier, in das man von außen hineinsehen kann." Doch in der Maxvorstadt oder Schwabing müsse man dafür sicher 1200 bis 1500 Euro im Monat berappen. Und das sei nicht drin.

Mit diesem Problem kämpfen viele: Größere Flächen gibt es fast ausschließlich am Stadtrand. Dorthin verirren sich nur wenige Kunden spontan. Enninger rät dazu, sich gut zu überlegen, ob man auf einer Fläche nur arbeiten oder auch verkaufen will. Er macht aber auch Mut: Sozial eingestellte Vermieter wie jener von Akjumii seien kein Einzelfall. Es gebe diese Chancen, und um sie wahrzunehmen, müsse man initiativ sein und Kontakte pflegen. Insbesondere unter bislang weniger arrivierten Modemachern müsste die Solidarität großer sein. Man schubst sich Aufträge zu und vernetzt sich. Die Offenheit von Axel Schnerring und Stefan Losert, beide Ende 20, ist da beispielhaft: Als "Cheers from Downtown" betreiben sie nicht nur ein eigenes Streetwearlabel, in ihrem Laden in der Kaulbachstraße bieten sie seit Mai 2014 auch anderen Labels eine Plattform zum Verkauf. Sie wissen um den Effekt, die die Präsenz in einem Geschäft haben kann, trotz des anhaltenden Online-Trends. "Allein dadurch, dass man kommunizieren kann, dass man in einem Laden hängt, wird die Glaubwürdigkeit gesteigert", sagt Schnerring. Und zwar unabhängig davon, wo der Kauf letztlich getätigt werde.

"Für uns war der Schritt ins stationäre Geschäft wahnsinnig wichtig", sagt Karsch. Bis heute laufe bei Akjumii offline besser als der Internetshop. Als Online-Label gestartet nutzen auch Karsch und Wunderl-Strojny Pop-up-Stores für erste Flirts am Markt - in München, Berlin und Wien. Im direkten Kontakt mit dem Kunden könne man die Philosophie seiner Marke genauer erklären, sagen die Designerinnen. Und außerdem überprüfen, ob man die richtige Zielgruppe im Visier hat. Alles aber ist nicht in Ordnung in der Welt der jungen Labels: Zwar seien Zwischennutzungen in München mittlerweile einigermaßen etabliert. Anders als in Wien aber böten kaum Vermieter von sich aus Leerstände an. "Hier muss man meist erst einmal den Vermieter herausfinden und erklären, was Pop-up überhaupt ist." Sie fordern nicht nur mehr Raum für ihresgleichen, sie fordern auch mehr Beachtung. Die Stadt, so schlagen sie vor, könne zum Beispiel ruhig mal einen Einkaufsführer nur für kleine Labels herausgeben.

© SZ vom 28.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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