"Nacht der Autoren" 2012:Wie der Buchstabensalat in die Zeitung kommt

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Bei der "Nacht der Autoren" kamen Redakteure der "Süddeutschen Zeitung" mit ihren Lesern ins Gespräch. Dabei ging es um große und kleine Dinge, auch um Rechtschreibfehler - und seltsame bayerische Bräuche.

Melanie Staudinger und Stefan Mühleisen

Mist. Falscher Ort. Die junge Frau mit dem Blümchenkleid dreht sich abrupt um und eilt davon, hinaus aus dem Innenhof des Münchner Rathauses zurück auf den Marienplatz. Sie wolle die Seite 3 hören, nichts über die Higgs-Teilchen, sagt sie schon leicht außer Atem. Doch Ressortleiter Alexander Gorkow und Reporterin Karin Steinberger lesen bei der sechsten Nacht der Autoren nicht im Großen Sitzungssaal, sondern im Alten Rathaussaal, und den erreichen die Zuhörer durch einen Seiteneingang. Die Frau rennt, andere folgen ihr.

SZ-Nacht der Autoren 2012
:"Auf der Dritten liest man besser"

Wie wird die Zeitung voll, wie entsteht eine Seite Drei und woran erkennt man ein gutes Streiflicht? Zum sechsten Mal lud die "Süddeutsche Zeitung" an diesem Samstag zur "Nacht der Autoren". Die Leser erschienen zahlreich - und brachten viele Fragen mit.

Im Saal lassen sie sich auf den Platz plumpsen - und können gleich mal lauthals loslachen. Gorkow erklärt gerade, warum es sogar in den großen Reportagen, dem Aushängeschild der Zeitung, immer wieder Rechtschreibfehler gibt: "Manche nehmen wir raus, machen dafür aber andere leider wieder rein."

Es ist diese wiederkehrende Frage nach den Tippfehlern in der Zeitung, die die Redakteure an diesem Abend begleitet. Kein neues Thema, aber ein wichtiges, das die Leser beschäftigt. Die 1800 Besucher können wählen zwischen 23 Veranstaltungen an sechs verschiedenen Orten, zwischen reinen Lesungen, Vorträgen und Fragestunden. Sie können über die Beschneidungsdebatte diskutieren, sich über skurrile Geschichten aus der Welt des Fußballs amüsieren oder den Streiflichtautoren lauschen. Und sie können die Redakteure fragen, was sie schon immer über die Süddeutsche Zeitung wissen wollten. Viereinhalb Stunden haben sie am Samstagabend Zeit, überall hin aber schafft man es nicht.

Im Carl-Orff-Saal im Gasteig versucht Heribert Prantl, Mitglied der Chefredaktion und Innenpolitik-Chef, eines der "größten Rätsel der Menschheit" zu klären, die Frage, wie die Zeitung überhaupt voll wird. Prantl wird bei dieser anspruchsvollen Aufgabe unterstützt von einigen Redakteuren und Korrespondenten. Und die punkten beim Publikum vor allem, wenn sie aus dem Nähkästchen plaudern.

Wenn Baden-Württemberg-Korrespondent Roman Deininger erläutert, warum dem Leser bisher die spannenden neuen Entwicklungen des Stuttgarter Juchtenkäfers vorenthalten wurden ("Kein Platz wegen ESM"). Oder wenn Claudia Henzler, die die Kinderzeitung verantwortet, vom Leserbrief eines Fünftklässlers berichtet. "Wie blöd kann man eigentlich sein?", hatte der geschrieben, weil in einer Überschrift statt "diesem" der Buchstabensalat "deisem" stand.

Silberhochzeit mit der SZ

Im hell erleuchteten Max-Joseph-Saal in der Residenz gibt es für Zuspätkommer keine Gnade. Wer Chefredakteur Kurt Kister, seinen Stellvertreter Wolfgang Krach und Heribert Prantl auf dem Podium verfolgen will, muss früh da sein oder stehen. Dafür aber erfahren die Zuhörer, dass der 55-jährige Kister schon langsam in ein Alter komme, das ihn nostalgisch auf die Vergangenheit zurückblicken lasse. Oder dass Prantl demnächst seine Silberhochzeit feiert - mit der SZ, bei der er seit fast 25 Jahren arbeitet. Auch ihre Idealvorstellung von der Zeitung verraten die drei: Kister etwa will unterhalten, Texte präsentieren, die man gerne liest, und zwar möglichst ohne Tippfehler.

Im Großen Sitzungssaal des Rathauses sind die Scheinwerfer auf zwei Redakteure gerichtet, die sich mit der bayerischen Mentalität und sogar mit der Sprache der Leute vom Land auskennen: Sebastian Beck und Hans Kratzer unterhalten das Publikum mit kuriosen Geschichten von Wildbieslern, Dorffriseuren und gestressten Pendlern. Danach präsentieren die München-Redakteure Thomas Anlauf, Wolfgang Görl und Christian Mayer ihre Kolumnen aus dem Lokalteil.

"Jetzt ist es aus mit München", behauptet Görl. Transrapid? Gescheitert. Olympia-Bewerbung? Gescheitert. Dritte Startbahn am Flughafen? Erst mal gescheitert. Eventuell wird München am zweiten Wiesn-Sonntag untergehen. Köstlich. "Schön, die alle mal in Echt zu sehen", sagt eine Besucherin. Nicht nur für die Gäste ist der Abend interessant. Auch so mancher Kollege stellt fest, dass Texte noch viel witziger sind, wenn der Autor sie persönlich vorträgt.

© SZ vom 17.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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