Nachruf:"Wir haben die Gemeinden verändert"

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Marianne Pflüger übernahm 1977 das Pfarramt der Nikodemuskirche im Münchner Norden. (Foto: privat)

Marianne Pflüger schrieb als erste Pfarrerin in Bayern Kirchengeschichte. Sie starb nun im Alter von 91 Jahren

"Ich sehe es als richtig an, dass Frauen diese Arbeit im Sinne der Emanzipation von Mann und Frau ausüben", sagte Marianne Pflüger, nachdem sie im März 1977 als 47-Jährige als erste Frau in Bayern ein Pfarramt übernahm. Es handelte sich um die evangelisch-lutherischen Nikodemuskirche im Münchner Norden. Sie gehörte 1976 auch zu den ersten drei Frauen, die in Bayern zu Pfarrerinnen ordiniert wurden. Nun ist sie Ende Mai im Alter von 91 Jahren gestorben.

Marianne Pflüger drängte es an sich in die Jugendarbeit, ließ sich aber von ihrem Vater zum Theologiestudium überreden. Von 1953 bis 1962 war sie Dekanatsjugendleiterin und gab Religionsunterricht. Als Sprecherin des Bayerischen Theologinnenverbands gehörte sie zu den Vorkämpferinnen für die Frauenordination. Im Herbst 1975 beschloss die Synode dann, dass auch eine Frau das Amt eines Pfarrers übernehmen kann. 1976, ein Jahr später als in den anderen Bundesländern, wurde dies auch in Bayern erlaubt. Aber Jahre danach waren immer noch Zweifel über diese Entscheidung zu hören. Auch, dass sich die evangelisch-lutherische Kirche durch Frauen im Talar nicht geändert hätte. Marianne Pflüger teilte diese Auffassung nicht. Zwar könne es sein, sagte sie im November 1985 der Süddeutschen Zeitung, dass die ordinierten Theologinnen die Institution Kirche nicht verändern konnten, aber "ich denke, wir haben die Gemeinden verändert".

Marianne Pflüger war immer überzeugt, dass Pfarrerinnen neue Impulse in den Gemeinden setzen konnten. "Ich werde von den Menschen, mit denen ich in meinem Beruf spreche, nicht so schnell mit der Institution Kirche in eins gesetzt." Und das bedeute für sie auch eine Erweiterung der seelsorgerlichen Möglichkeiten: "Anders als ein Mann kann ich bei der Taufe eines kleinen Kindes sprechen, weil ich etwas ahne von dem, was Geburt bedeutet", sagte sie damals der SZ.

2012 hat Marianne Pflüger das Bundesverdienstkreuz erhalten. Ein Foto zeigt sie mit schwarzen Blazer und weißem Rollkragenpulli, neben ihr steht der damalige bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle. Der CSU-Politiker lobte die Pfarrerin, weil sie ein neues Kapitel "bayerischer Kirchen- und Frauengeschichte" aufgeschlagen habe. "Sie haben auf das Recht und den Respekt der Frauen insistiert und ihre Position in der damaligen Männerwelt der Pfarrer auf eine freundliche, aber bestimmte Weise behauptet", sagte er. Über Jahre hinweg war sie Ausbildungspfarrerin, angehende Pfarrerinnen haben sich extra die Nikodemuskirche für das Lehrvikariat ausgesucht - weil man bei Marianne Pflüger "sehr viel gelernt habe", wie eine Absolventin einmal sagte.

Im Münchner Norden galt Pfarrerin Pflüger als treibende Kraft in der Ökumene. Zudem hat sie den Jugendtreff "Club 77" gegründet. Die Jugendarbeit war ihr von Anfang an ein großes Bedürfnis.

© SZ vom 10.06.2020 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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