Nachruf:Anderer Blick auf die Welt

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Christine Kron machte ihr Museum zum Ort des kulturellen Dialogs zwischen Menschen aller Kontinente. (Foto: Gregor Feindt)

Christine Kron, Direktorin des Museums Fünf Kontinente, ist im Alter von 54 Jahren gestorben

Von Evelyn Vogel, München

Der Schock sitzt tief bei den Mitarbeitern des Museums Fünf Kontinente. Und alle müssen sichtbar schlucken, als der stellvertretende Direktor des Hauses, Bruno Richtsfeld, die Nachricht bei der Pressekonferenz zu kommenden Ausstellung "Shaded Memories" offiziell bekannt gibt. Am Freitag ist Christine Kron, die Direktorin des Hauses, im Alter von 54 Jahren gestorben. Wenige Tage zuvor war sie von ihrem Arbeitsplatz weg ins Krankenhaus gebracht worden. Doch sie schien auf dem Weg der Besserung zu sein. Ihr plötzlicher Tod traf alle völlig überraschend. Kunstminister Ludwig Spaenle nannte den unerwarteten Tod von Christine Kron einen "großen Verlust für Bayerns Museumslandschaft".

Kron, eine gebürtige Rosenheimerin, die in Nordrhein-Westfalen aufwuchs, kehrte zum Studium zu ihren bayerischen Wurzeln zurück. An der Ludwig-Maximilians-Universität studierte sie in den Achtzigerjahren Ethnologie. Weitere Stationen waren Toronto, Berlin, Paris, Mali, dann wieder Berlin und Leipzig, wo sie als Afrikanistin promoviert wurde. Einzelne Projekte führten sie nach Berlin, in die USA und nach Oxford, bevor sie 2005 ans Museum Weltkulturen in Frankfurt ging, wo sie unter anderem die Afrika-Abteilung leitete, dann stellvertretende Direktorin und zweieinhalb Jahre Kommissarische Direktorin des Museums war.

Im April 2011 folgte sie dem Ruf als Direktorin des Staatlichen Museums für Völkerkunde und kehrte nach München zurück. Als angehende Wissenschaftlerin hatte sie einst zum Thema "Kosmografische Ideen und Mirabilien im Schlangenkönigin-Zyklus von Tausendundeiner Nacht" ihren Magister gemacht. Mit Wunderdingen kannte sie sich also aus. Und man könnte sagen: Nicht weniger wurde von ihr in München erwartet. Sie sollte das Haus an der Maximilianstraße aus dem Dornröschenschlaf wecken, das Museum weiterentwickeln und völlig neu ausrichten.

Schon bald wurde die Handschrift dieser engagierten, herzlichen und immer freundlich lächelnden Frau deutlich. Sie holte neue Besuchergruppen ins Haus und steigerte die Besucherzahlen. Dafür führte sie neue Veranstaltungsformate ein und änderte die Ausstellungskonzepte. Ein echter Paukenschlag gelang ihr, als sie den mit Kolonialgeschichte und NS-Vergangenheit verbundenen Namen des Hauses änderte. Das 1862 als "Königlich Ethnographische Sammlung" gegründet und fast das ganze 20. Jahrhundert hindurch unter dem Namen "Museum für Völkerkunde" residierende Haus wurde im September 2014 in "Museum Fünf Kontinente" umbenannt. Man wolle aus dem "Museum der Fachwelt für die Fachwelt" einen "Ort des kulturellen Dialogs zwischen Menschen aller Kontinente" machen, sagte sie damals. Zudem wollte sie wegkommen von einer "rückwärts gerichteten Betrachtung" hin zu aktuellen Zeitbezügen.

Das ist Christine Kron in ihrer knapp sechsjährigen Amtszeit bestens gelungen. Exemplarisch vielleicht mit der Myanmar-Ausstellung, die im Herbst 2014 eröffnete. Hier wurden nicht nur historische Schätze präsentiert, sondern auch aktuelle gesellschaftliche Strömungen aufgezeigt. Auch mit der neuen Schau "Shaded Memories" mit aktuellen Fotografien von Ann-Christine Woehrl aus Kambodscha und einigen wunderbaren Khmer-Skulpturen aus der hauseigenen Sammlung hätte Christine Kron diesen Ansatz unter Beweis gestellt.

Die ausgebildete Afrikanistin hatte in den zurückliegenden Jahren ihre Liebe zum südostasiatischen Kulturkreis entdeckt. Noch im Dezember reiste sie erneut durch Kambodscha und Laos. Sie fühlte sich dort hingezogen, wie Mitarbeiter erzählen. Am Herzen aber, so sagen sie, lag ihr alles, was das Museum lebendig machte.

© SZ vom 15.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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