Nachhaltige Landwirtschaft:Die Öko-Pioniere

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Als die Lautenbachers in Kochel am See ihren Hof Anfang der Achtzigerjahre zu einem Bioland-Betrieb machten, galten sie als Exoten. Das hat sich inzwischen geändert.

Von Claudia Koestler, Bad Tölz-Wolfratshausen

Die Landwirtschaft prägt den Landkreis zwischen Isar und Loisach noch immer deutlich. Insbesondere in den vergangenen Jahrzehnten unterlag der Agrarsektor einem grundlegenden Wandel. Flächen werden weniger, die Produktion steigt. Moderne Maschinen machen es möglich, mit immer weniger Arbeitskräften zu produzieren, der Kapitaleinsatz nimmt spürbar zu.

Europaweite Überproduktion und knallharter Wettbewerb auf den Märkten machen den Bauern zusätzlich zu schaffen. In der Folge verschwinden Klein- und Kleinstbetriebe, die Zahl der Anwesen mit größerer Nutzfläche wächst. Aufhören oder ausbauen, vor dieser Entscheidung standen bereits viele Bauern, und in Zukunft wird diese Frage weiter ein steter Begleiter sein. Manche von ihnen aber gehen genau deshalb einen anderen Weg: Statt sich den turbulenten Marktbedingungen anzupassen, entscheiden sie sich für Nachhaltigkeit. Rund zehn Prozent der Agrarbetriebe im Landkreis wirtschaften ökologisch, sind zertifiziert oder in einem Bio-Verband organisiert. Zwei Beispiele für die Abkehr von der konventionellen Landwirtschaft sind der Benediktbeurer Abrahamhof und der Erharthof in Ort bei Kochel am See. Auch an diesen beiden Höfen hat sich seit 1977 so viel verändert wie seit Jahrhunderten nicht - und neue Entwicklungen sind im vollen Gange. Was beide eint, ist ein so logisches wie simples Credo: Lieber weniger produzieren, dafür in besserer Qualität, so gelingt Wertschöpfung.

Seit 1590 ist die Familie von Franz Sindl-hauser auf dem Abrahamhof zuhause. Er selbst übernahm den Hof von seinem Vater und war in den 1970er Jahren der letzte Jahrgang in der Landwirtschaftsschule, der ohne Computer arbeitete. "Ein gewaltiger Umbruch, der da seither vonstatten gegangen ist", sagt er. Anerkannter Biobetrieb ist der Abrahamhof erst seit rund einem Jahr. Doch schon jahrzehntelang arbeitete die Familie nachhaltig, überwiegend nach ökologischen Richtlinien. Vor mehr als 25 Jahren nahm die Familie zudem am sogenannten Extensivierungsprogramm teil, was Sindlhauser als Vorstufe zum Biobetrieb bezeichnet. Natürlich sei das eine wirtschaftliche Nische, sagt der Landwirt über seine Arbeitsweise. Zum anderen resultiere es aus der Verantwortung für frühere und kommende Generationen. "Es ist etwas besonderes, wenn man so weitreichende Wurzeln hat. Und alle aus der Familie haben wir uns immer schon für den Ort, für die Heimat, eingebracht. Das war genauso wichtig, wie etwas vorwärts zu bringen", sagt Sindlhauser.

Mathias Lautenbacher 2002 im Kuhstall. Auf dem Erharthof gab es damals schon einen Laufstall, die Rinder waren nicht mehr angebunden. (Foto: Manfred Neubauer)

Sein Vater sei ein außergewöhnlicher Mensch gewesen: "Er hat mir mitgegeben, dass man sich vielseitig interessieren und informieren soll." Bauern gestalten schließlich die Landschaft. "Wenn sie vielseitig bleibt, ist das von Nutzen und von Vorteil für alle. Es gilt, ein Gleichgewicht zu halten. Wenn wir das ausräumen, haben wir Probleme." Sorgen bereitet ihm die steigende Macht der Großkonzerne, die immer mehr diktieren: "Sie haben schon den Handel komplett unter sich und wollen nun auch die Erzeuger komplett kontrollieren. Wer Lebensmittel in der Hand hat, hat die Menschen in der Hand", sagt Sindlhauser.

Um sich der Fremdbestimmung nicht zu beugen, will er mit seinem Biobetrieb nun etwas ganz Neues machen: "Wir werden unseren Betrieb umbauen zum Arche-Hof, dem ersten im Landkreis." Ein neuer Stall dient dann nicht nur alten, fast ausgestorbenen Haustierrassen, sondern auch der Öffentlichkeit. Sindlhauser will den Menschen die Landwirtschaft mit Lehrgängen näherbringen und das Programm "Schule am Bauernhof" ausbauen. Ein gläserner Betrieb also, mit dem er vermitteln will: "Naturschutz und landwirtschaftliche Nutzung lassen sich vereinbaren."

Der Abraham-Hof der Familie Sindlhauser in Benediktbeuern. Er soll nun zu einem Arche-Hof werden, auf dem alte Haustierrassen bewahrt werden. (Foto: Manfred Neubauer)

Als einen "Erlebnishof" für Mensch und Tier bezeichnet Mathias Lautenbacher seinen Betrieb im Kochler Ortsteil Ort, der bereits 1980 auf ökologische Landwirtschaft umstellte und 1983 vom Verband "Bioland" anerkannt wurde. Seit 1523 wird der "Erharthof" von der Familie Lautenbacher bewirtschaftet. 1955 wurde die Hofstelle in der Ortsmitte zu eng, so dass sein Vater neu baute, "damals noch einen klassischer Milchviehbetrieb mit 17 Kühen", sagt er.

In den 1970er Jahren aber wurden Milch und Fleisch immer mehr zur Massenware, "da hatte der Betrieb durchaus ein Problem", erinnert sich Lautenbacher. Schon 1980 wandelte sein älterer Bruder Benedikt, der ursprüngliche Hoferbe, den Betrieb in einen Bioland-Hof um. "Auch, weil es für uns kein großer Schritt war", sagt er. Dennoch seien sie mit der Entscheidung, Ökolandwirte zu werden, absolute Exoten gewesen. "Bei meinem Bruder war es einerseits Überzeugung, aber auf der anderen Seite schon auch ein bisschen ein Spleen", lacht Lautenbacher. Fünf Jahre später begannen sie mit der Direktvermarktung, doch ein anderer Wunsch ließ den älteren Bruder nicht los: Pfarrer zu werden. 1990 übernahm Mathias Lautenbacher den Betrieb, Benedikt wurde Jesuit. Um den Betrieb so vielseitig wie möglich aufzustellen, tummeln sich inzwischen zehn verschiedene Tierarten am Hof. "Als wir umstellten, waren wir noch die Spinner. Das Bild aber hat sich komplett gewandelt", sagt Lautenbacher. Eine naturverträgliche Produktionsweise werde in Zukunft noch viel wichtiger, um Böden, Lagen und Flächen nachhaltig zu nutzen und dem Konsumenten mit hochwertigesten Produkten zu versorgen. Produkte mit Identität und Charakter, so wie der Landkreis - keine Allerweltsmarken.

© SZ vom 06.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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