Nachfolge:Schleudertrauma und Aderlass

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Die Stadtrats-CSU verliert immer mehr prägende Politiker. Während der Bündnispartner SPD mit Häme auf Schmids Wechsel reagiert, finden die Grünen auch freundliche Worte

Von Heiner Effern, München

Die Rollen im Rathaus sind eindeutig verteilt. Die einen würdigen Josef Schmid (CSU) und sein Wirken freundlich und differenziert, kombiniert mit einer Prise Bosheit. Die anderen lästern nur ab, finden kaum ein freundliches Wort. Überraschend ist nur, wer welche Rolle einnimmt. Es sind nämlich die Grünen, also die Opposition, die dem Bürgermeister schriftlich ein "Servus Seppi" hinterherrufen, seine Rolle als liberaler Konservativer würdigen und im Übrigen das schleudertrauma-verdächtige Personalkarussell der CSU geißeln. Die SPD wiederum, Schmid und seinen Leuten im Regierungsbündnis verbunden, ringt sich als freundlichste Geste ein "respektiere ich" in Person von Oberbürgermeister Dieter Reiter ab. Sonst wird getreten, was das Zeug hält.

Die Münchner SPD-Vorsitzende Claudia Tausend etwa "zweifelt an der Verlässlichkeit" des Regierungspartners. Die Personalwechsel der CSU sorgten für "Irritationen", Schmids Wechsel werde Stillstand in der Stadt oder "dem Landtagswahlkampf geschuldete Effekthascherei" mit sich bringen. Vize Roland Fischer stichelt: "Offenbar steht für viele die persönliche Karriereplanung weit über dem ursprünglichen Wählerauftrag, München hat aber mehr verdient." Weiter wirft die SPD Schmid vor, sich vor einer weiteren OB-Kandidatur zu drücken und "sich rechtzeitig vor der Niederlage in den Landtag zu retten", wie Parteichefin Tausend sagt.

Die Grünen dagegen fürchten, dass Schmids Abschied "nicht Gutes" für die Stadt bedeutet. "Bei allen Meinungsverschiedenheiten, die wir mit Seppi Schmid hatten und haben, bleibt es seine Leistung, die Münchner CSU für eine moderne Großstadtpolitik geöffnet und sie dabei von einigem, noch aus der Ära Strauß stammendem gesellschaftspolitischen Unrat befreit zu haben", sagt Fraktionssprecher Florian Roth. Wie die SPD sehen die Grünen in Schmids Wechsel einen Offenbarungseid der Münchner CSU für die OB-Wahl 2020. Und sie verweisen auch darauf, dass sich mit Schmid und den vielen Abgängen aus dem Kern der neuen Fraktionsspitze ein Personalvakuum bei der CSU abzeichne. "Gleichwertige Nachfolger für Seppi Schmid mit ähnlich liberal-konservativem Profil sind nicht in Sicht - weder für den Bürgermeisterposten noch für das Referat für Arbeit und Wirtschaft", sagt Grünen-Fraktionssprecherin Gülseren Demirel.

Tatsächlich könnten nach einer erfolgreichen Landtagswahl zehn der ursprünglich 26 gewählten CSU-Stadträte ihre Position in der Fraktion aufgegeben haben, inklusive Bürgermeister Schmid. Wenn Fraktionschef Manuel Pretzl für Schmid ins Bürgermeisterbüro einziehen sollte, hätte die CSU nahezu ihre komplette Fraktionsspitze eingebüßt, inklusive ersten Nachrückern dort.

Wie die Verantwortlichen diesen Aderlass an prägenden Politikern auffangen wollen, ist unklar. Im Rathaus wird vermutet, dass die Stadträte Johann Sauerer und Sebastian Schall die CSU stärker als bisher vertreten sollen. Von den Frauen könnte Manuela Olhausen mehr in den Vordergrund treten, auch der Name Sabine Pfeiler sollt intern in der Fraktion in diesem Zusammenhang fallen. Keiner von diesen Stadträten zeigte bisher in der Öffentlichkeit ein starkes Profil. In der SPD wurde damit gerechnet, dass die CSU möglicherweise Personalreferent Alexander Dietrich zum Bürgermeister wählen könnte. Doch Fraktionschef Pretzl gab am Mittwoch zu erkennen, dass ihn diese Aufgabe selbst reizen könnte. Dann müsste sich die CSU eineinhalb Jahre vor der Kommunalwahl einen neuen Fraktionschef suchen. Das böte die Möglichkeit, sich am stets so erfolgreichen FC Bayern ein Beispiel zu nehmen. Hans Podiuk, mittlerweile Ehrenvorsitzender der CSU-Fraktion, könnte den Jupp geben und vorübergehend als Chef zurückkehren.

© SZ vom 26.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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