Nach versuchtem Mord an Tochter:Mutter muss in die Psychiatrie

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Prozess um versuchten Mord an Tochter: Geständige Mutter, die an einer seelischen Störung leidet, wird zu sechseinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.

Konstantin Kaip

Der letzte Verhandlungstag eines dramatischen Prozesses endet so, wie der erste begonnen hat: mit den Tränen einer verzweifelten Mutter. "Ich vermisse meine Tochter", schluchzt Razieh J. bei ihrem Schlusswort. Das Mädchen ist heute vier Jahre alt und lebt bei Razieh J.s Ehemann, ihrem Vater. Dass es noch lebt, ist Zufall. Razieh J. hörte erst auf, ihre Tochter zu würgen, als die sich nicht mehr rührte am Morgen des 23. Februar.

Razieh J., 28, wurde nach vier Verhandlungstagen am Freitag zu sechseinhalb Jahren Freiheitsstrafe bei Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus verurteilt. (Foto: Foto: dpa)

Dann lief sie in die Küche, holte ein Messer, weckte ihren Mann und forderte ihn auf, sie zu töten. Sie habe gerade das Kind umgebracht. Der Vater aber rannte ins Kinderzimmer, nahm das bewusstlose Mädchen und brachte es ins Krankenhaus, wo es gerettet werden konnte.

Sechseinhalb Jahre Freiheitsstrafe bei Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, lautet das Urteil, das die Strafkammer nach vier Verhandlungstagen am Freitag verkündet. Die 28-Jährige ist schuldig des versuchten Mordes an ihrer Tochter. Sie habe heimtückisch gehandelt, sagt Richter Manfred Götzl in der Begründung, weil sie ausnutzte, dass weder ihr Kind noch der im Nebenzimmer schlafende Mann mit dem Angriff rechneten. Zudem habe sie die Tür des Kinderzimmers verschlossen, damit ihr Mann den Mord nicht verhindern konnte.

"Echte Reue" gezeigt

Allerdings mildert das Gericht die lebenslange Haftstrafe stark ab. Die gebürtige Iranerin ist laut Urteil nur vermindert schuldfähig, weil sie an einer krankhaften seelischen Störung leidet. Richter Götzl folgt damit der Einschätzung des psychiatrischen Gutachters Norbert Nedopil, der bei Razieh J. eine schizoaffektive Psychose diagnostizierte, mit einer schweren depressiven Episode zum Zeitpunkt der Tat.

Razieh J. leidet seit 2006 an Depressionen. Nach einer manischen Phase im Frühjahr und Sommer 2007 kam im Winter der zweite depressive Schub, der Razieh J. laut Urteil so sehr in die Verzweiflung trieb, dass sie letztlich beschloss, sich selbst und ihre Tochter, die sie nicht allein zurücklassen wollte, zu töten.

Die Strafe wird zudem gemildert, weil die Angeklagte von Anfang an geständig war und die Rettung ihrer Tochter durch ihren Mann nicht behinderte. Die Staatsanwaltschaft forderte zuvor acht Jahre Freiheitsstrafe, teilte aber die Motive des Gerichts für die Strafmilderung. Die Angeklagte habe "von Herzen" über ihr Kind gesprochen und "echte Reue" gezeigt, sagte Staatsanwalt Andreas Franck.

"Ich schäme mich so"

Richter Götzl war zu Beginn der schwierigen Beweisaufnahme zunächst nicht überzeugt von Razieh J.s Ausführungen. Eine Wende brachten die Aussagen des Psychiaters Nedopil, des Ehemanns und der jüngeren Schwester. Vor allem sie habe den Verlauf der Krankheit glaubwürdig schildern können, sagt Götzl bei der Urteilsbegründung. Die Angeklagte nimmt das Urteil an.

"Ich schäme mich so", sagt Razieh J. am Schluss unter Tränen. "Ich hätte mich früher in Behandlung begeben sollen". Ihre Therapie aber begann erst nach dem versuchten Mord an ihrer Tochter. Seit acht Monaten ist Razieh J. im Isar-Amper-Klinikum in Taufkirchen untergebracht. Dort wird sie auch die nächsten Jahre bleiben.

© SZ vom 03.11.2008/af - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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