Nach U-Bahn-Schlägerei:Brutale Bilder aus dem Untergrund

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Zwei Jugendliche schlugen an der Münchner Freiheit einen Elektroniker grundlos zusammen. Die Polizei fahndet nun mit Fotos nach den Tätern.

S. Wimmer

Einer der Täter holt aus, schlägt dem Opfer mit einer Spraydose in der Hand mitten ins Gesicht. Sein Kumpel, ebenfalls mit einer Dose im Anschlag, versetzt dem Mann einen Hieb auf den Hinterkopf, dass die Kopfhaut platzt.

Lachend verlassen die Jugendlichen nach der Tat den U-Bahnhof Münchner Freiheit. (Die Schläger sind mit uT1 und uT2 markiert, die anderen waren nicht beteiligt.) (Foto: Foto: SWM)

Der Verletzte flieht, währenddessen klatschen sich die Täter lachend ab. Szenen aus dem U-Bahnhof Münchner Freiheit vom Sonntag, 18. Oktober. In dieser Nacht hatten zwei Jugendliche einen 22-jährigen Elektroniker grundlos zusammengeschlagen. Mit den Bildern der Überwachungskameras fahndet die Polizei nun nach den Tätern.

Eine Platzwunde am Hinterkopf, eine Kinnverletzung, Platzwunden an Ober- und Unterlippe, Zahnschaden, Halswirbelsäulensyndrom, Zerrung am Hals - das sind die Verletzungen, die die beiden Graffiti-Sprüher ihrem Opfer zugefügt haben. "Der Münchner weiß nicht mehr, was sich in den Minuten vor und nach der Tat abgespielt hat", sagt Kriminalhauptkommissar Werner Schellmoser. Der 22-Jährige wisse nur noch, dass er von der Feilitzschstraße aus die Treppen zur U-Bahn hinunterging. Danach sind alle Erinnerungen gelöscht.

Die sieben Überwachungskameras, die an der U-Bahnstation installiert sind, zeigen allerdings ziemlich genau, was sich in dieser Nacht abgespielt hat: Der 22-Jährige steuert gegen 3.30 Uhr auf den Eingang zum Bahnsteig zu, sieht, dass das Rolltor geschlossen ist und keine U-Bahn mehr fährt, geht zurück und setzt sich im Sperrengeschoss auf den Boden, mit dem Rücken an einen Bauzaun gelehnt. Dann telefoniert er mit dem Handy.

Ein paar Minuten später nähern sich vier Jugendliche. Schon im Treppenabgang sprühen sie die Buchstaben "HSB" an die Wand, die laut Polizei für den Stadtteil Hasenbergl stehen. Sie gehen hinter den Bauzaun, zerreißen Folien, sprühen. Jetzt steht der Elektroniker auf, dreht sich zu den Tätern und spricht sie an. Einer von ihnen sprüht ihm kurz ins Gesicht. Der 22-Jährige schubst daraufhin den Bauzaun in seine Richtung, doch der Zaun wackelt nur.

Nun kommen zwei Sprüher hinter dem Zaun hervor, beide mit Graffiti-Dosen in der Hand. Der eine schlägt dem Opfer ins Gesicht, der andere, der an der Seite steht, knallt dem Mann die Dose an den Hinterkopf. 3.32 Uhr und 45 Sekunden zeigt die Überwachungskamera als Tatzeit an. Der 22-Jährige blutet stark und flüchtet. Die Täter klatschen sich ab, der eine wiederholt nochmal großspurig die Schlagbewegung, dann gehen sie Richtung Ausgang Herzogstraße davon.

Genau vier Wochen nach der gefährlichen Körperverletzung hofft die Polizei, mit Hilfe der Fotos die Täter zu identifizieren. Zuvor hatte Werner Schellmoser Zeugen vernommen, die Spurensicherung den Tatort abgearbeitet, allerdings ohne Hinweise zu finden, die zu den Tätern führen könnten. Auch die Graffiti-Spezialisten konnten nicht weiterhelfen.

"Erst wenn alle Ermittlungsansätze abgeklärt und alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind, können wir einen richterlichen Beschluss erwirken, um mit den Bildern an die Öffentlichkeit zu gehen", sagt Staatsanwalt Steinkraus-Koch. Und: Es müsse sich um eine "Straftat von erheblicher Bedeutung" handeln. Bei einem Tötungsdelikt beispielsweise könne die Polizei mit mehr Personal diverse erfolgversprechende Ermittlungsansätze abarbeiten - und schneller auf eine Lichtbildveröffentlichung zugreifen.

Steinkraus-Koch erklärt, dass "der Schutz von Persönlichkeitsrechten zugenommen hat". Das Persönlichkeitsrecht sei ein hohes Gut, man müsse immer abwägen, sagt Polizeipressesprecher Peter Reichl. Er fragt sich aber zuweilen, ob dieses "Gleichgewicht zum Nachteil des Opfers" gekippt sei. Und: "Natürlich ist die Arbeit für uns leichter, wenn wir zeitnah zur Tat mit einer Lichtbildveröffentlichung arbeiten können."

© SZ vom 18.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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