Muslimische Gräber in München:Engpass auf dem Friedhof

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"Unerwartet große Nachfrage in der letzten Zeit": In München gibt es keine freie muslimische Grabstätte mehr. Die Verwaltung will den Mangel nun schnell beheben.

Monika Maier-Albang

Benedikt Mager sagt, er habe Glück gehabt. Für einen befreundeten afghanischen Asylbewerber, dessen Bruder gestorben war, wollte der Religionslehrer vergangene Woche eine muslimische Grabstätte besorgen.

Auf dem muslimischen Teil des Westfriedhofs können die Angehörigen ihre Gräber weitgehend frei gestalten: Blumen, Kieselsteine, Holz - alles findet Verwendung. Die Namen der Toten sind häufig auf Steelen aus Holz oder Marmor eingraviert, die mit Blumen, dem Bild einer Taube oder Kalligraphien verziert sind. (Foto: Foto: Catherina Hess)

Kein Problem, dachte Mager und telefonierte jene drei Münchner Friedhöfe durch, auf denen es ein muslimisches Gräberfeld gibt. Auskunft am Westfriedhof: Nichts frei! Auskunft am Waldfriedhof: Nichts frei! Auskunft am Neuen Südfriedhof: Eine Grabstätte frei! Wer zuerst kommt, bekommt sie. Also organisierte Mager eine Vertretung in der Schule und fuhr umgehend los. Der afghanische Freund konnte seinen Bruder schließlich beerdigen, nur Mager sagt, er habe sich gefühlt "wie auf Schnäppchenjagd bei Aldi".

Bei der Friedhofsverwaltung ist man ob des Gräber-Mangels sichtlich zerknirscht. Es gebe tatsächlich "einen Engpass bei muslimischen Gräbern", räumt Peter Lippert, Leiter der Betriebsabteilung der städtischen Friedhofsverwaltung ein. Und er führt eine "unerwartet großen Nachfrage in der letzten Zeit" als Grund dafür an.

"Weggegangen wie warme Semmeln"

Wobei diese Zeitspanne, in der es offenbar auch Hinweise von den Friedhofsverwaltern vor Ort auf den drohenden Notstand gab, schon etwas zurückreicht. Vor vier Jahren hatte man auf dem Westfriedhof einen neuen Bereich mit rund 200 Gräbern ausgewiesen. Zusätzlich zu den bestehenden rund 300 Gräbern stadtweit.

Doch die neuen Grabstätten, sagt Lippert, seien "weggegangen wie warme Semmeln". Viele muslimische Verbände haben ganze Bereiche für ihre Mitglieder erworben, zuletzt der Sufi-Orden. Dort wächst zwar jetzt noch Gras, doch was verkauft ist, kann nicht anderweitig belegt werden. Deshalb gibt es nun für diejenigen unter den rund 90000 Münchner Muslimen, die nicht einem Moscheeverein angehören, der vorgesorgt hat, auf absehbare Zeit keine Grabstätten - zumindest nicht auf dem muslimischen Teil der Friedhöfe. Auf den christlichen Teilen sind Gräber frei, "aber dahin wollen die Muslime nicht", sagt Lippert, "sie wollen unter sich sein".

Dies sei nicht als Zurückweisung Anders-Gläubiger zu verstehen, es gebe auch keine religiöse Vorschrift, wonach Muslime nicht in der Nähe von Christen bestattet werden dürfen, sagt Benjamin Idriz, der Imam von Penzberg. Die Gläubigen fühlten sich einfach wohler an einem eigenen "identitätsstiftenden" Platz. Daneben gibt es auch praktische Gründe für die Separation: Die muslimischen Gräber sind so ausgerichtet, dass das Gesicht des Verstorbenen nach Mekka zeigt.

Gestalterische Freiheit

Auch die Vorschriften bei der Grabgestaltung sind viel lockerer als im Rest des Friedhofs, was zur Folge hat, dass manche Gräber mit Rasen überwachsen, andere mit einer Steinplatte abgedeckt sind. Die Umrandungen sind mal aus Kieselsteinen, mal aus Plastik, mal aus Holzpflöcken oder gar nicht erkennbar. Und wo normalerweise zwischen den Grabreihen Wege verlaufen würden, ist hier Gras. Diese gestalterische Freiheit schätzt nicht jeder Friedhofsbesucher - auch das ist ein Grund, warum die muslimischen Anlagen etwas abseits liegen. Wobei die Klagen, die bei der Friedhofsverwaltung eingehen, von zweierlei Art sind: Die einen beklagen die "Unordnung", andere monieren, dass sie nicht ebenso kreativ sein dürfen.

Die erste muslimische Grabanlage Münchens wurde 1955 auf dem Waldfriedhof eröffnet. Anfang der 90er Jahre kam der Westfriedhof hinzu, dann der Neue Südfriedhof. Mittlerweile lassen sich fast nur noch Muslime aus der ersten Gastarbeitergeneration in der alten Heimat bestatten. Wenn jüngere Menschen sterben oder Kinder tot geboren werden, suchen die Familien Gräber in Deutschland, sagt der türkische Bestatter Mehmet Dogan.

Nach wie vor aber ist die - am Ende kostengünstigere - Überführung in die Türkei sein Hauptgeschäft: 90 von 100 Bestattungen organisiert er außerhalb Deutschlands, in "heimischer Erde". Die Überführung in die Türkei kostet rund 2000 Euro. Dort zahlt man in der Regel nichts für die Grabstätte im Heimatdorf; Freunde oder Nachbarn organisieren die Bestattung, die nach muslimischer Tradition innerhalb von 24 Stunden erfolgen soll. In Deutschland erlaubt das Bestattungsgesetz frühestens nach 48 Stunden die Beisetzung; der Leichnam darf, weil in Bayern Sargzwang gilt, nicht nur ins schlichte Leinentuch gewickelt beigesetzt werden. Für viele Familien überwiegt dennoch das Argument, dass man hier das Grab nahe bei sich hat.

Erweiterung geplant

Üblicherweise wird bei Muslimen nur ein Toter in ein Grab gelegt; Familiengräber gibt es nicht - was natürlich den Platzbedarf erhöht. Ebenso unüblich ist, dass ein Muslim sich in quasi benutzter Erde bestatten lässt. Aufgelassene Gräber akzeptierten die muslimischen Familien nur im Notfall, und auch dann nur, wenn zuvor jemand vom selben Geschlecht an der Stelle bestattet wurde.

Die Friedhofsverwaltung will nun möglichst rasch Abhilfe schaffen. Im Neuen Südfriedhof sollen hundert zusätzliche Gräber entstehen, auch im Westfriedhof ist eine Erweiterung des muslimischen Teils geplant. Hier soll es dann auch einen eigenen "Abschiedsplatz" geben, an dem der Imam mit den Trauernden beten kann. Nach muslimischem Ritus werden die Verstorbenen nicht aufgebahrt, man geht im Anschluss an die rituelle Waschung des Toten direkt ans Grab.

Doch bis das neue Gräberfeld am Südfriedhof eröffnet werden kann, wird es wohl noch ein paar Wochen dauern. Der Plan steht seit Winter, doch bei der Umsetzung, sagt Lipperts Kollege Herbert Huber, habe es ein "Missverständnis" in der Absprache mit der Gartenbauabteilung gegeben. Die Gärtner hätten im Winter auf dem vorgesehenen Areal Büsche entfernen sollen. Doch sie lichteten nur das Unterholz aus. In den Büschen nisten nun Vögel. Und so lange die Brutzeit dauert, sagt Huber, dürfe man die Büsche nicht antasten.

© SZ vom 28.05.2009/pfau - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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