Münchner Umweltzone:Ein Bußgeld zur Begrüßung

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Nächste Woche wird Münchens Innenstadt zur Umweltzone. Wirte und Geschäftsleute fürchten, dass scharfe Kontrollen viele Touristen abschrecken.

Dominik Hutter

Urlaub an der Isar? Macht 40 Euro und einen Punkt in Flensburg! Hoteliers, Wirte und Geschäftsleute bangen um den Ruf Münchens als Touristenstadt - die für den 1. Oktober geplante Umweltzone werde viele Besucher wohl eiskalt erwischen. Ein Beispiel liefert Berlin, wo bereits seit Februar kontrolliert wird: Von bislang 20.500 ohne Plakette ertappten Autofahrern stammten 14.200 von auswärts.

Am Mittwoch nächster Woche startet die Münchner Umweltzone - zunächst mit einer dreimonatigen Schonfrist für Plakettenlose (Foto: Foto: dpa)

"Wir müssen gemeinsam verhindern, dass der mit dem Auto anreisende Tourist mit einem München-mag-dich-Begrüßungsgeld empfangen wird", steht in einem Schreiben des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands (BHG) an Oberbürgermeister Christian Ude. Die Umweltzone dürfe nicht von einem Besuch der Stadt abschrecken oder ein negatives München-Bild erzeugen. Vor allem für Touristen aus dem Ausland sei es außerordentlich kompliziert, an die Umweltplakette zu kommen - verlangt werde sie bei Kontrollen aber trotzdem.

"Und spontan geht gar nichts mehr", kritisiert Susanne Gruber, die Geschäftsführerin des BHG München. Denn anders als etwa das Autobahnpickerl für Österreich ist die Umweltvignette nicht an Autobahnraststätten zu bekommen. Was in der Realität bedeutet: Ein spontan reisender Italiener oder Franzose müsste bei einer Zulassungsstelle, einer Prüforganisation à la TÜV und Dekra oder einer für die Abgasuntersuchung zertifizierten Werkstatt vorfahren.

Öko-Aufkleber für Auswärtige nur übers Internet

"Das ist Schilda pur", findet Wolfgang Fischer, Geschäftsführer des Vereins City-Partner, der die Interessen der Münchner Innenstadtkaufleute vertritt. Eine Stadt mit jährlich fast zehn Millionen Übernachtungsgästen, zehn Millionen Geschäftsreisenden und 100 Millionen Tagesbesuchern müsse mit Auswärtigen anders umgehen. Gruber plädiert für leicht erreichbare Verkaufsstellen außerhalb des Mittleren Rings, die rund um die Uhr geöffnet sind - den Touristen soll es so einfach wie möglich gemacht werden.

Tatsächlich gibt es für Auswärtige, vor allem aus dem Ausland, nur eine brauchbare Möglichkeit, an den Öko-Aufkleber zu kommen: das Internet. Dies kann bei ausländischen Fahrzeugen bis zu 50 Euro kosten und ein bis zwei Wochen dauern. Voraussetzung für all das ist jedoch stets, dass die Touristen überhaupt wissen, was von ihnen erwartet wird. Eine Info-Kampagne ist bereits angelaufen: Wer über das Tourismusamt oder auch direkt beim Hotel ein Zimmer bucht, findet auf dem Bestätigungsschreiben einen Hinweis auf die Umweltzone.

Zudem werden die Öko-Neuigkeiten bei Messen, Tourismusveranstaltungen und auch über den offiziellen Internetauftritt der Stadt gestreut, versichert Astrid Ganssen vom Tourismusamt. Umweltreferent Joachim Lorenz berichtet zumindest von Gesprächen mit der Kfz-Innung, um auch außerhalb der üblichen Geschäftszeiten Plaketten anzubieten. Konkrete Ergebnisse gibt es bisher noch nicht. Die Stadt bemühe sich aber, die Umweltzone so bürgerfreundlich wie möglich auszugestalten.

Allerdings ist offenkundig, dass München strenger mit Touristen umspringen will als etwa die Stadt Köln: Am Rhein können Touristen ihr Wapperl direkt übers Hotel bestellen und dann bei der ersten Anfahrt ohne Plakette in die Umweltzone einfahren. "Das lässt sich bei Kontrollen schließlich leicht nachvollziehen", betont Stadtsprecherin Inge Schürmann - wobei Gnade natürlich nur gewährt wird, wenn tatsächlich eine Bestellung vorliegt. München besteht dagegen schon bei der ersten Fahrt auf dem Wapperl. Kassiert wird allerdings erst nach einer dreimonatigen Übergangsfrist.

Köln ist gnädig

Innenstadt-Lobbyist Fischer hält die weiche Kölner Linie für den richtigen Weg, um rufschädigende Vorwürfe à la Abzocke erst gar nicht aufkommen zu lassen. Vor allem die bürgerfreundlichen Kölner Kontrollpraktiken haben es Fischer angetan: Wer dort ohne Plakette erwischt wird, muss nur dann eine Strafe zahlen, wenn sein Auto tatsächlich nicht der Schadstoff-Mindestnorm entspricht. Alle anderen können den Sanktionen entkommen, indem sie das Wapperl nachträglich kaufen - das gilt natürlich auch für Ortsansässige. Die Folge: In Köln liegt die Zahl ertappter Plakettensünder "irgendwo im zweistelligen Bereich", wie Schürmann berichtet. Die Akzeptanz der Umweltzone sei entsprechend groß. Dieses Modell hält Fischer auch in München für sinnvoll.

Schürmann wie auch Fischer warnen dringend vor allzu ausgreifenden Schritten bei der für 2010 angekündigten Verschärfung der Ökonorm. Für München ist derzeit im Gespräch, entweder auch Autos mit roter Plakette auszusperren oder aber die Umweltzone auf das gesamte Stadtgebiet auszudehnen. Das Berliner Zentrum dagegen soll bald auch für Autos mit gelbem Aufkleber tabu sein. "Da trifft es dann plötzlich drei Jahre alte, hochwertige Diesel", warnt Schürmann. Nach Berechnungen des Kreisverwaltungsreferats erhielten nach der Tabuisierung der roten und gelben Plakette zusätzlich 83.000Münchner Fahrzeuge ein Innenstadt-Verbot. In der ersten Stufe sind "nur" knapp 37.000 betroffen.

© SZ vom 24.09.2008/jh - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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