Münchner Straßen: Schellingstraße:Wo Lenin und Brecht ihren Kaffee tranken

Einst flanierten hier große Künstler und bekannte Politiker - auch die Reichsleitung der NSDAP war zeitweise in der Schellingstraße zu finden. Inzwischen haben Münchner Studenten die historische Gegend erobert. Und doch finden sich noch immer Spuren der Vergangenheit - wenn man nur genau genug hinsieht. In Bildern.

Kristina Milz

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(Foto: Kristina Milz)

"Uni Ecke Schelling" - ein beliebter Treffpunkt der Münchner Studenten. An die großen Geschichtsmomente, die sich in der heute so hippen und quirligen Schellingstraße abgespielt haben, denkt da fast niemand mehr. Und doch finden sich hier immer wieder Spuren einer interessanten Vergangenheit - wenn man nur genau genug hinsieht. Schon der Namensgeber der wohl geschichtsträchtigsten Straße Münchens ist ein historisches Schwergewicht: Der Philosoph Friedrich Wilhelm Joseph Ritter von Schelling war er einer der bekanntesten Vertreter des deutschen Idealismus.

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(Foto: Kristina Milz)

Im Osten wird die Schellingstraße von der monumentalen Ludwigskirche begrenzt - formal heißt sie "katholische Pfarr- und Universitätskirche St. Ludwig". Auch architektonisch bildet die Kirche eine Einheit mit der schräg gegenüberliegenden Ludwig-Maximilians-Universität. Der Erbauer wollte so verdeutlichen, dass für die ganzheitliche Bildung des Menschen die Verbindung von Glaube und Wissen wesentlich sei. Heute dient St. Ludwig nur noch wenigen Studenten als Gebetsort. "Aber schön ist sie schon" - da sind sich die meisten einig, wenn sie vom Uni-Hauptgebäude zu den vielen Cafés und sonstigen Studenten-Läden in der Schellingstraße laufen.

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(Foto: Kristina Milz)

Eine Hausnummer, die fast allen Studenten ein Begriff ist, ist die Schellingstraße 3. Hier ist nicht nur der Sitz der so wichtigen Universitäts-Buchhandlung mit eigener Abteilung in englischer Sprache...

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(Foto: Kristina Milz)

...sondern auch der Mensaria, die vor allem Münchens Geisteswissenschafts-Studenten mit Mittagessen und Kaffee versorgt. Außerdem werden in dem Gebäude Vorlesungen und Seminare abgehalten.

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(Foto: Kristina Milz)

Der Haupteingang des Historicums liegt in der Schellingstraße 12. Hier bewegen sich die Münchner Geschichtsstudenten auf den Spuren der Vergangenheit. Ob sie sich der historischen Bedeutung "ihrer" Straße auch bewusst sind?

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Manche mögen melancholisch an alte Zeiten zurückdenken, doch das traditionelle Studentenlokal "Atzinger" hat auch nach der Renovierung im Jahr 2008 kaum an Anziehungskraft eingebüßt. Hier treffen sich nicht nur die Münchner Studenten auf ein Helles sondern auch Gäste aller Altersgruppen. Doch Vorsicht bei größeren Fußball-Events: Ohne Reservierung findet man an solchen Abenden selten ein freies Plätzchen.

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(Foto: Kristina Milz)

Es wird gemunkelt, dass hier tatsächlich Studenten einkaufen: Der "Unimoden"-Laden in Hausnummer 28a bezeichnet sich als "Spezialist für preiswerte Mode, Jeans, Armeebestände und Campingartikel". Ob das jedoch ein typischer Bestandteil eines studentischen Kleiderschranks ist? Aus dem Straßenbild ist der Laden dennoch kaum mehr wegzudenken.

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Es muss nicht immer die Bude an der Straßenecke sein: Im "Lara 44" lässt sich der bei den Studenten so beliebte Döner stilvoll im Restaurant genießen. Der eine oder andere wird dabei auch auf ausgefallenere türkische Spezialitäten aufmerksam, die sich mit dem obligatorischen Kebap nicht erschöpfen.

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(Foto: Kristina Milz)

Geht man nur einige Schritte weiter, sieht man auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein unscheinbares Gebäude mit der Hausnummer 51. Früher befand sich hier das "Münchner Buchgewerbehaus M. Müller & Sohn". Durch dessen Druckmaschinen liefen sowohl die Nazizeitung Völkischer Beobachter als auch Hitlers "Mein Kampf".

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(Foto: Kristina Milz)

Direkt gegenüber der ehemaligen Druckerei befindet sich die Schellingstraße 50. Das Emblem in seiner heutigen Gestalt vor dem unscheinbaren Hauseingang kann man leicht übersehen. Es handelt sich um einen Reichsadler; der Kopf ist inzwischen abgeschlagen, das Hakenkreuz herausgemeißelt. Im August 1925 wurde in diesem Haus der "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterverein" - der Vorläufer der NSDAP - neu gegründet. Später war hier auch die Reichsleitung der Partei untergebracht, bevor sie später ins sogenannte Braune Haus in der Brienner Straße umzog. Außerdem hatte hier Heinrich Hoffmann, der persönliche Fotograf Adolf Hitlers, bis 1929 sein Atelier. Doch auch die restliche NSDAP-Parteispitze wusste die Fähigkeiten des Fotografen Hoffmann zu schätzen: Heinrich Himmler, Hermann Göring und Joseph Goebbels waren in der Hausnummer 50 gern gesehene Kunden.

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"Grüß Gott, liebe Gäste": So lautete der Titel eines Films, der 1998 über die Geschichte einer besonderen Gaststätte in der Schellingstraße 54 gedreht wurde. Der für seine Gastfreundschaft bekannte "Schelling-Salon" musste seiner Kundschaft jedoch manchmal auch ihre Grenzen aufzeigen: So wurde einst sogar Adolf Hitler Hausverbot erteilt. Die unbezahlten Rechnungen des damals noch unbekannten Mannes hatten sich über Jahre angesammelt. Die Münchner Gaststätte hat eine lange Tradition: Seit 1872 in Familienbesitz und seit 1911 im Stil eines "Wiener Café-Restaurants" eingerichtet, gingen hier die Münchner Intellektuellen ein und aus.

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Zu ihren berühmtesten Gästen zählt der Salon unter anderem Bert Brecht, Wassily Kandinsky, Rainer Maria Rilke, Ödön von Horvath und sogar den russischen Revolutionsführer Lenin. Werbung macht die Gaststätte heute allerdings mit einem anderen Prominenten - der dort, glaubt man der Speisekarte, das Bier für seinen Vater holen musste. Der "Schellingstraßler" und spätere bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß ist in den Gebäuden mit den Hausnummern 44 und 49 aufgewachsen.

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(Foto: Kristina Milz)

Nur einige Schritte weiter hatten die "Großen" Münchens ihren nächsten Stammplatz: Im "Café Altschwabing" in der Schellingstr. 56 konnte man auf Schriftsteller wie Thomas Mann, Frank Wedekind, Joachim Ringelnatz und Stefan George treffen. Auch die berühmten Maler Franz Marc und Paul Klee ließen sich im Kaffeehaus verwöhnen. Heute zeugen die zu Beginn des neuen Jahrtausends aufwendig renovierten Malereien aus dem 19. Jahrhundert und die wiederhergestellte Stuckdecke vom alten Glanz des 1887 im historischen Stil erbauten Kaffehauses. Geschätzt wird das "Café Altschwabing" heute jedoch von vielen Münchnern vor allem wegen des hervorragenden und preiswerten Essens. Erobert wird es auch immer mehr von den Studenten, die dort abends gern den ein oder anderen Cocktail trinken.

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(Foto: Kristina Milz)

Früher hieß sie "Osteria Bavaria", damals im Jahr 1890, als der Gastronom Josef Deutelmoser das Lokal gründete. Heute findet sich in der Schellingstraße 62 dasselbe Restaurant - nur der Name hat sich dem Zeitgeist angepasst. Inzwischen ist die "Osteria Italiana" eine Legende; für das mediterrane Lebensgefühl und die exzellente und vom "Guide Michelin" mit Sternen ausgezeichnete italienische Küche muss man allerdings auch den ein oder anderen Euro ausgeben. Für den studentischen Geldbeutel hat dieses Restaurant definitiv kein großes Angebot.

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(Foto: Kristina Milz)

"Mutigen Menschen wie ihnen verdankt München die Ehrenrettung. Nur ihretwegen darf es behaupten, nicht nur die Hauptstadt der Bewegung gewesen zu sein," sagte der damalige Bürgermeister Klaus Hahnzog, als diese Gedenktafel am 26. Oktober 1987 in der Schellingstraße 78 angebracht wurde. Sie erinnert an Paula Frieb und ihren Sohn Hermann, die in diesem Haus lebten und beim Aufbau der NS-Widerstandbewegung "Neu Beginnen" in ihrer Region halfen. 1942 wurden sie des "Hoch- und Landesverrats" angeklagt. Der zu zwölf Jahre Haft verurteilten Mutter wurde die Rechnung für die Hinrichtung ihres Sohnes im Gefängnis zugestellt.

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(Foto: Kristina Milz)

Einen gänzlich anderen Blick auf die Geschichte bietet ein Laden auf der gegenüberliegende Straßenseite: Das "Holareidulijö" in Hausnummer 81 wirbt mit seinen "alten königlich bayerischen Lederhosen". Ob gebrauchte oder neue Tracht - für den stilechten Auftritt auf der Wiesn hat das urige Geschäft einiges zu bieten. Und wer seine speckige Lederhose loswerden will, sollte getrost einmal anklopfen, denn im "Holareidulijö" wird die Ware angekauft und runderneuert.

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Auch wenn die studentischen Bars und Kneipen langsam verschwinden -  junge Kultur zeigt sich am Ende der Schellingstraße immer wieder.

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(Foto: Kristina Milz)

Um den Nachwuchs kümmert man sich in Hausnummer 155. Hier, fast schon am Ende der Schellingstraße, sitzt neben der bayerischen Behindertenbeauftragten und dem Integrationsbeauftragten auch das Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung.

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(Foto: Kristina Milz)

Durch die Lothstraße mit angrenzendem Grün wird die lange Schellingstraße nahezu abrupt beendet. Dass sich ein Student hierher verirrt, kommt recht selten vor. Die meisten Bars und Uni-Einrichtungen, in denen sich das studentische Leben abspielt, liegen schon etliche Meter zurück.

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