Münchner Sparopfer:Der Kultur-Kahlschlag

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Noch weit mehr Einrichtungen und Projekte als bisher angenommen werden von den städtischen Sparplänen hart getroffen.

FRANZ KOTTEDER

Die Lage ist ernst. Und zwar ernster, als die meisten glauben. Noch wissen nicht einmal die zuständigen Abteilungsleiter im Kulturreferat genau, was alles wegfallen wird - zumindest sagen sie es nicht. Dabei soll es in den nächsten Wochen Entscheidungen geben, wo genau die Stadt sparen will an der Kultur.

Das Ergebnis könnte verheerend sein, für viele kleine Einrichtungen, die ohne städtische Zuschüsse nicht überleben können, aber durchaus auch für große Institutionen. Wen es treffen wird, ist bislang nur in Ansätzen bekannt.Und fest steht nur, dass die Behörde in ihrem Etat mindestens elf Millionen Euro, gestreckt über fünf Jahre, einsparen muss.

Das klingt weniger dramatisch als es ist. Tatsächlich handelt es sich dabei aber um einen erklecklichen Teil des kleinen finanziellen Spielraums, den die Stadt überhaupt für ihre Kulturaufgaben hat.

Die "kulturelle Grundversorgung" muss gewährleistet sein

In einer solchen Situation kommt man um Grausamkeiten nicht herum. Man muss entscheiden, was man noch haben will und was nicht. Und man muss aufpassen, dass die "kulturelle Grundversorgung", wie das so schön heißt, nicht in ihrer Substanz angegriffen wird.

Das aber steht unmittelbar bevor, wenn die Zeichen nicht trügen. Das fängt schon an mit einer großen städtischen Bühne. Das Deutsche Theater, da macht Kulturreferentin Lydia Hartl gar nicht lange herum, liegt ihr nicht besonders am Herzen. Wenn die Sanierung des Gebäudekomplexes, in dem das Theater untergebracht ist, zu teuer wird, dann spart sie sich auch gleich die Subventionen für die Bühne.

Auch wenn eine Initiative innerhalb von ein paar Monaten die stolze Zahl von 35.000 Unterschriften für die Erhaltung der Bühne gesammelt hat: Es hilft nichts, das Geld wird anderswo gebraucht.

Bibliotheken müssen schließen

Und deshalb geht es auch bei den Stadtteilbüchereien ans Eingemachte. Zwei von ihnen, so heißt es, werden wohl schließen müssen - die in Berg am Laim und die in Ramersdorf. Die Volkshochschule wird die Gebühren erhöhen müssen, Theater- und Konzertkarten sollen teurer werden.

In den städtischen Museen wird es weniger Ausstellungen geben, und ihre Ankaufsetats werden sinken oder ganz eingefroren. Das sind die Eingriffe, die schon halbwegs sicher zu sein scheinen. Eingriffe in die klassische Grundversorgung einer Kulturstadt.

Innovatives und Experimentelles muss weichen

Es wird dabei freilich nicht bleiben. Wer glaubt, mit dem Deutschen Theater und mit zwei Stadtbibliotheken sei es getan, wird sich täuschen. In den kommenden Jahren stehen noch andere städtische Einrichtungen im Feuer, wie die Kunsthalle Lothringer Straße und ihre Ladengalerie, wie das Maximiliansforum, das i-camp (ehemals Neues Theater) und vor allem auch das Einstein.

Institutionen, die den Humus der Szene bilden, in denen Neues ausprobiert werden kann. Einrichtungen, an denen vieles andere hängt, was in dieser Stadt passiert: ob es der Jazzclub Unterfahrt ist, die freie Tanzszene, junge Künstler oder auch nur ein paar experimentierende Freaks, die ihre Arbeiten zum Beispiel in der radiophonen Galerie "tube" zeigen.

Die Austrocknung der Kulturszene steht bevor

Und es sind zahlreiche kleine Vereine und Gruppen, denen es an den Kragen geht. Das Freie Musikzentrum etwa, dem 60 Prozent seiner Zuschüsse weggekürzt werden und das nun bestenfalls nur noch einen Bruchteil seiner vielen Musikkurse anbieten kann. Nur ein Beispiel von vielen.

Hinzu kommen noch Einrichtungen, die gar nicht unter dem Etat des Kulturreferats laufen, sondern beim Sozialreferat angesiedelt sind. Auch hier kann man nichts mehr ausschließen: Manche Stadträte glauben schon, man könne zum Beispiel auf das Jugendkulturwerk verzichten, an dem unter anderem Einrichtungen wie das Feierwerk und die Pädagogische Aktion hängen.

Langsam formt sich da ein Gesamtbild, das nichts weniger als die Austrocknung der gewachsenen Kulturszene in dieser Stadt ergibt. Wenn die Sparorgie vorüber ist, wird Münchens Kulturlandschaft anders aussehen. Sehr viel ärmer als heute.

Lieber ein Medienkunstlabor als Skulpturen

Kulturreferentin Lydia Hartl glaubt noch, das Schlimmste verhindern und gleichzeitig Neues, Experimentelles ermöglichen zu können.

In der jüngsten Ausgabe der Theaterzeitschrift "Die deutsche Bühne" erklärt sie ansatzweise, wie sie sich das vorstellt. "Strukturelle Veränderungen" seien nötig, über die Theaterförderung müsse man beispielsweise nachdenken, auch über die Kunstförderung, denn es genüge nicht, "den öffentlichen Raum immer weiter mit Skulpturen zuzuräumen".

Trotz der Ebbe in der Kasse will sie aber an ihrem Medienkunstlabor "Lab 21" festhalten. Das kostet zwar eine Million Euro in den nächsten drei Jahren, aber da handele es sich um "Investitionen in die Zukunft".

Der Stadtrat müsste sich stark machen

Eine Zukunft, die andere nicht mehr haben werden. Beileibe nicht nur deshalb, weil die Referentin sich ein Denkmal setzen will mit einem Kunstlabor, das außer ihr keiner wirklich ersehnt in dieser Stadt. Sondern vor allem deshalb, weil es keine Lobby mehr zu geben scheint für jene Einrichtungen und Strukturen, die jetzt bedroht sind.

Diese Lobby müsste im Stadtrat sitzen - denn der und nicht die Referentin entscheidet letztlich, wo es politisch langgeht. Aber im Kulturausschuss sind die Fraktionen von SPD und Grünen zahnlos geworden, verstecken sich vor ihrer Klientel hinter dem dort inzwischen weit verbreiteten Feindbild "Kulturreferentin" und nicken nur noch brav ab, was der Oberbürgermeister anordnet.

Hartl kann sich hinter Ude verstecken

Christian Ude aber will seine umstrittene Referentin unbedingt halten. Und so lange Hartl Ude an ihrer Seite weiß, braucht sie keine Kompromisse einzugehen, muss sie nicht für Mehrheiten werben, und das tut sie erkennbar auch nicht. Sie kann es sich sogar leisten, ihre Kritiker mit einer Vokabel zu belegen, die man sonst nur für Altnazis gebraucht: "Die ewig Gestrigen", sagt sie in der Deutschen Bühne, "mögen weiter maulen."

Maulen werden vor allem jene, bei denen es jetzt an die Substanz geht. Und später jene, denen diese kulturelle Substanz fehlen wird, wenn sie eben nicht mehr da ist.

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