Münchner Glaubensfragen:Nonne auf Probe

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Keine neue TV-Show, sondern Realität: Bei den Maria Ward Schwestern in Nymphenburg können junge Frauen das Leben im Koster testen.

Christine Auerbach

Wer putzt das Bad? Wer kauft die Milch? Wer räumt die Spülmaschine aus? In der Wohngemeinschaft von Maria Schwartz und Claudia Fackler geht es zu, wie in jeder anderen Studenten-WG auch. Dass die beiden jungen Frauen nur weibliche Mitbewohner suchen, ist auch nichts Ungewöhnliches - nur was die Neue mitbringen muss, klingt nicht nach normalem WG-Casting: "Wir suchen Leute mit der Bereitschaft, sich einzulassen auf die gemeinsame Sache. Die sagen: Doch, das probier ich aus!", sagt Maria Schwartz.

Das Wohnhaus für junge Nonnen bei Maria Ward: Hier bereiten sich Maria Schwartz und Claudia Fackler auf ein Leben als Nonne vor. (Foto: Foto: Catherina Hess)

Die gemeinsame Sache, auf die man sich in der WG einlassen muss, ist nicht der gemeinsame Putzplan oder kollektive WG-Partys. Wer in die WG gleich neben dem Nymphenburger Schloss einziehen will, der muss sich wie die anderen Bewohnerinnen vor allem einer Frage stellen: Will ich Nonne werden?

Ins Klosterleben hineinschnuppern

Genau das wollen Maria Schwartz und Claudia Fackler herausfinden - und gehen dabei ganz praktisch vor: Sie probieren es aus. Für zwei Jahre sind sie in die Wohngemeinschaft "Saint Omer" gezogen, auf das Areal des Klosters der Maria Ward Schwestern in München. Saint Omer ist eine "Gemeinschaft auf Probe" - die Maria Ward Ordensschwestern geben dort jungen Frauen die Möglichkeit, in das Klosterleben hineinzuschnuppern ohne gleich ihr altes Leben aufgeben zu müssen. Zumindest vorerst nicht.

Erst nach den zwei Jahren entscheiden sich die Bewohnerinnen: Mache ich weiter mit dem Noviziat, der Anfangsausbildung zur Nonne, die noch einmal zwei Jahre dauert, oder bleibe ich lieber im weltlichen Leben? Genau das richtige für Maria Schwartz. Sie promoviert gerade in Antiker Philosophie - "durch die WG kann ich mir klar darüber werden, ob ich mich wirklich im Kloster sehe, ohne dass ich gleich meine Promotion aufgeben muss".

Sich sofort für den Einstieg in den Orden zu entscheiden, wäre ihr zu viel gewesen, denn vor allem während des Noviziats weicht das weltliche Leben dem geistlichen: "Das ist dann schon ein ziemlich starker Bruch", sagt Maria Schwartz. "Wenn man danach merkt, dass es doch nicht das Richtige für einen war, dann muss man mühsam wieder zurück in seinen Job oder ins Studium." Das Klosterleben testen, ohne sich gleich fest zu binden, will auch Claudia Fackler. Sie studiert Lehramt für Berufsschulen.

Spiritualität im Alltag

Der Alltag der beiden Frauen ist ein Mix aus weltlichen und geistlichen Aufgaben. Sie gehen in die Messe, nehmen am gemeinsamen Gebet der Nonnen teil und treffen sich mit ihnen alle paar Wochen zum Abendessen. Die Grundlage des geistlichen Lebens der Maria Ward Schwestern und damit auch der WG ist das sogenannte Examen, eine Art Tagesrückblick, der dem Tag einen Rahmen gibt. "Das Examen ist das einzige, was man niemals weglassen darf", sagt Maria Schwartz. "Notfalls lieber die Messe." Wann und wo das Examen gemacht wird, ist jedoch jeder Schwester selbst überlassen. Jede hat ihre eigenen Rhythmus, ihre eigenen Gewohnheiten: abends daheim, morgens nach dem Aufstehen. "Das verträgt sich mit jeder Studenten-Party", sind sich die beiden Frauen einig.

Auch sonst ist die WG alles andere als klösterlich-karg. Im Gegenteil: In der Küche blubbert die Kaffeemaschine, im Wohnzimmer stapeln sich Biobücher neben der Bibel, Romane von Camus und Eco neben dem "Pauluskalender". An der Wand ein kleines, modernes Kruzifix, an die Gottesdienstzeiten erinnert ein Zettel am Bücherregal - werktags 7 Uhr, sonntags 8 Uhr. Ein Spagat sei es nicht, die beiden Leben miteinander zu verbinden, sagt Claudia Fackler. Spiritualität ist für sie kein Abschied von der Welt, sondern etwas, "das mit dem Alltag zusammen geht".

Seit einem Jahr wohnen die beiden Frauen nun in der Gemeinschaft auf Probe. Halbzeit. Die Reaktionen auf ihre Entscheidung, sich ausgerechnet dem Klosterleben anzunähern, waren unterschiedlich: Claudia Facklers Eltern waren am Anfang skeptisch, haben sie dann jedoch sehr schnell unterstützt. Beim Umzug in die WG waren sie vom ersten Moment an als Hilfe dabei. Bei Leuten, die es gar nicht verstehen würden, versuchen die beiden Frauen manchmal gar nicht zu erklären, was sie gerade machen: "Genau genommen musst du es ja nicht jedem erzählen. Denn uns sieht man es nicht an, der Wohnung sieht man es nicht an - woher soll man es wissen?"

Die meisten Reaktionen seien aber positiv, sagen beide. Nur manchmal müssen sie sich verteidigen. Zum Beispiel, warum sie sich ausgerechnet an eine derart von Männern dominierte Welt wie die der Kirche binden wollen. "Aber da gibt es einfach zwei Wege", sagt Maria Schwartz. "Entweder du trittst aus, oder du bleibst drinnen und versuchst, die Sache von innen her zu ändern. Die Kirche ist wie ein Ozeandampfer, wenn du jetzt das Ruder drehst, dann dreht er sich auch - aber eben ganz, ganz langsam."

Als Nonne voll im Leben

Ist die Kirche ein Ozeandampfer, ist die WG der beiden Frauen ein schnelles Beiboot: Studium, Kirche, daneben soziale Arbeit und Arbeit zum Geldverdienen. Eltern besuchen, Freunde einladen, zur Messe gehen, sich von den Hortkindern, die unten im Hof spielen, nicht von der Uni-Lektüre ablenken lassen. Das wollen sie auch später nicht ändern, denn "als moderne Nonne steckt man voll im Leben".

Die endgültige Entscheidung, ob sie bleiben oder nicht, haben die beiden Frauen noch nicht getroffen. "Bei mir wird es aber immer fester, je mehr ich von den Nonnen und vom Klosterleben mitbekomme", sagt Maria Schwarz. Claudia Fackler kann sich das Eintreten ebenfalls gut vorstellen, "aber das Nicht-Eintreten auch!" Schwester Hildegard, die das WG-Projekt betreut, mischt sich in die Entscheidungsfindung nicht ein: "Wenn eine von den Frauen jetzt den Partner fürs Leben entdeckt, dann ist es eben ihre Berufung, eine Partnerschaft einzugehen." Für die Schwester ist das Projekt dann nicht etwa gescheitert, sondern "Hilfe auf dem Lebensweg" gewesen. "Wir wollen hier ja keinen mit Angel und Fangleine einfangen."

Mitbewohnerinnen per Rundmail gesucht

Sagen die WG-Bewohnerinnen am Ende aber "ja" zum Klosterleben, bedeutet das nicht nur ein Leben in Keuschheit und Gemeinschaft, sondern auch ein Leben in Armut, denn selbst wenn viele Nonnen auch nach ihrem Gelübde ganz normalen Berufen nachgehen - das Geld, das sie verdienen, fließt in eine gemeinsame Kasse. Jede bekommt das Gleiche. "Ausgerechnet hier im Stadtteil Nymphenburg mit seinen Villen und dem Schloss über Armut nachzudenken, ist natürlich schon schwer", sagt Maria Schwarz.

Aber zum Nonne-Sein gehört für sie gerade auch, dass man die Lebensumstände, in die man kommt, annehmen kann. "Jetzt bin ich eben hier, in einem der schönsten Stadtteile Münchens, aber später kann ich genauso gut in eine sehr arme Gegend der Welt geschickt werden. Man muss mit beiden Extremen leben können." Die Lage der WG, gleich am Nymphenburger Schloss, und auch die billige Miete haben schon bei einigen Neugierigen Interesse geweckt. Aber die beiden jungen Frauen und Schwester Hildegard merken recht schnell, wer wirklich interessiert ist, und "wer nur auf die billige Miete hofft!"

Gerade werden wieder neue Mitbewohnerinnen für die WG gesucht - die Vorstellung läuft über Schwester Hildegard. Öffnet die einem die Tür, ist man erst einmal erstaunt: Weder Schleier noch Kutte. Dafür schwarzer Pulli und Hose. Auch die anderen jungen Schwestern sind in zivil. "Rock und Schleier sind bei jungen Nonnen selten geworden", sagt Claudia Fackler. "Hinter Klostermauern versteckt sich niemand mehr." Einigeln ist auch bei der Mitbewohnersuche passé: Gesucht wird per Rundmail, weitere Informationen liefert der Link auf der Kloster-Homepage der Maria Ward Schwestern und erste Anfragen schicken die Bewerber am besten auch gleich per Mail.

© SZ vom 10.06.2009/sus - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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