Deutschlands wohl bekanntester Abtreibungsarzt sucht neue Räume - und er findet sie ausgerechnet im Umfeld der CSU: Diese Mischung sorgt in der Partei für Getuschel und einige Fragen, seitdem der Mediziner Friedrich Stapf seine Klinik in Freiham neu eröffnet hat. Sein Vermieter in einem Ärztehaus ist der Münchner CSU-Schatzmeister und Immobilienunternehmer Hans Hammer. Für ihn ist es ein relativ normaler Mietvertrag, den er mit Stapf abschloss. Andere, auch herausgehobene CSU-Politiker tun sich damit sehr viel schwerer. Denn die Parteilinie ist nach wie vor gegen Abtreibungen.
Stapf nannte als Motiv für seine Tätigkeit einmal, dass es besser sei, zum Abbruch entschlossenen Frauen anständig zu helfen, als sie sich selbst oder Quacksalbern zu überlassen. Nach mehr als zwei Jahrzehnten im Westend lief sein Mietvertrag dort aus, so kam er nun vor einigen Wochen in den neuen Stadtteil im Münchner Westen. Er mietete dort etwa 500 Quadratmeter im neuen "Medicare Gesundheitszentrum Freiham". Dort gibt es jetzt also nicht nur Zahnärzte, Orthopäden und Physiotherapeuten sowie eine Apotheke, sondern eben auch die Abtreibungsklinik Stapf (und dazu noch eine Kinderkrippe).
Westend:Nach langer Suche - Geburtshaus findet neue Räume
Das einzige Geburtshaus der Stadt zieht ins Westend - in die einstige Praxis eines prominenten Abtreibungsarztes.
Für den CSU-Schatzmeister, der im Hauptberuf Chef der Hammer AG ist, eines Immobiliendienstleisters und -entwicklers, ist das ein relativ normales Geschäft. Zu diesem will er öffentlich wenig sagen, weil es um interne Beziehungen zu Kunden gehe. Sein Mieter gehe einer völlig legalen Tätigkeit nach. Hammer sagt, für ihn selbst hätten Beruf und Parteiehrenamt nichts miteinander zu tun. "Die CSU haftet nicht für mich und ich nicht für sie", fügt er etwas spitz hinzu.
Vor allem Bundestagsabgeordnete der CSU sehen das anders. Über den "durchaus brisanten Sachverhalt" bestehe "aus unserer Sicht dringender Gesprächsbedarf", schrieb die Abgeordnete Julia Obermeier (München-West) auch im Namen ihrer Münchner Kollegen Hans-Peter Uhl und Johannes Singhammer an Münchens CSU-Chef Ludwig Spaenle und an CSU-Bürgermeister Josef Schmid in einer internen Mail.
Daran angefügt ist eine in aggressivem Tonfall gehaltene Mail der Unions-Initiative CDL (Christdemokraten für das Leben). In dieser heißt es, es sei ein "Skandal, dass hier ein CSU-Politiker als Helfershelfer für einen Abtreibungsprofi auftritt". Das werde der CSU bei christlich-konservativen Wählern sehr schaden. Die Initiative droht auch mit öffentlichem Protest und Lichterketten vor dem Haus. Solche Aktionen hatte es auch vor Stapfs altem Domizil gegeben.
Die CSU stellt sich nicht vor ihren Schatzmeister - und schießt intern
Auch Bundestags-Vizepräsident Singhammer äußert sich klar gegen die Vermietung an Stapf: "Das ist ein unglückliches Geschäftsverhältnis, welches ich bedauere", sagte Singhammer der SZ. "Wer mit der Not von Frauen lukrative Geschäfte macht, sollte nicht auf Unterstützung der CSU bauen können."
Praxis gesucht:Keiner will den Abtreibungsarzt
Sie stellen sich vor seine Praxis und versuchen, Frauen von einer Abtreibung abzubringen. Doch das ist nicht das einzige Problem, das der Münchner Mediziner Friedrich Stapf mit selbsternannten "Lebensrettern" hat. Er sucht dringend nach neuen Räumen für seine Praxis - unmöglich mit den Demonstranten.
Viele andere in der CSU denken deutlich moderater und wollen sich zugleich überhaupt nicht öffentlich äußern, weil sie kein Öl ins Feuer gießen möchten. Denn jeder Streit spiele letztlich nur den fundamentalistischen Abtreibungsgegnern in die Hände, findet ein führendes Münchner CSU-Mitglied. Stapf, der selbst auch nichts sagen will, hatte schon in der Vergangenheit viel Hass von rigorosen Abbruch-Gegnern auf sich gezogen. Auch der Umzug sorgt im Internet wieder für Aktivitäten der Stapf-Gegner in ziemlich militantem Tonfall.
Beruf nicht mit Parteiamt mischen
Richtig vor Hans Hammer stellen will sich in der CSU aber auch niemand. Er gilt als sehr erfolgreicher Schatzmeister in dem früher chronisch überschuldeten Bezirksverband. Intern war in der Partei verabredet worden, dass man in öffentlichen Äußerungen die Sphären nicht vermischt: dass Hammer also als Geschäftsmann spricht und die CSU-Oberen sich mit Bewertungen zurückhalten.
In der Münchner CSU denken zwar viele durchaus liberal in der Abtreibungsfrage, gleichzeitig will man aber auch die konservative Klientel nicht verschrecken. Die kann sich auch im Grundsatzprogramm der Christsozialen wiederfinden, in dem es heißt: "Das ungeborene Kind ist Mensch von Anfang an. Abtreibung ist Tötung." Auch im neuen CSU-Grundsatzprogramm, das gerade diskutiert wird, dürfte sich an der bisherigen Linie kaum etwas ändern.