Münchner Bundestagskandidaten:Phantom und Provokateur

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Der AfD-Kandidat Petr Bystron sagt, er sei ein "starker Vertreter einer Festung Europa". (Foto: Robert Haas)

Petr Bystron (AfD) will einen "Untersuchungsausschuss Merkel"

Von Dominik Hutter, München

Bei der politischen Konkurrenz genießt er einen Phantom-Status. Petr Bystron? Nie gesehen am Infostand oder beim Flugzettelverteilen. "Ich bin in ganz Bayern unterwegs", sagt der 44-Jährige. Er ist eben bayerischer Landesvorsitzender der AfD, am Tag zuvor war er noch in Aschaffenburg. Ein Café in der Maxvorstadt: Bystron sitzt leger an einem Tisch, in Hemd, Jeans und Turnschuhen. Und fragt gleich zu Beginn, wie es denn so ist, mit dem bösen AfDler zu reden. Das Spiel mit dem Schmuddelkind-Image gehört zum Standardrepertoire der Partei. Das hat durchaus Vorteile, bindet es doch die Wähler umso enger an den vermeintlichen Paria. Bystron gefällt es trotzdem nicht. "Die Nachteile überwiegen", sagt er und erinnert daran, wie bürgerlich man einst gestartet sei: als Professorenpartei. Auch der in Tschechien geborene Unternehmensberater ist wegen Lucke und seinem Anti-Euro-Kurs zur AfD gekommen.

Dennoch bedient auch Bystron mit Enthusiasmus die AfD-typische Klaviatur der Provokation. Mit Bezug auf das neue Ude-Buch behauptete er auf Plakaten, die Politik zu machen, von der der frühere Oberbürgermeister nur schreibt. Gelungen findet er auch den Plakat-Spruch, Franz Josef Strauß wäre heute AfD-Wähler. Die AfD sei in das Vakuum gestoßen, das die CSU bei ihrem Weg nach links geräumt habe. Für Bystron sind solche Wahlkampfaktionen eher Spaß, der "Bewegung in die lahmen Strukturen" bringt. Es gelte, Verkrustungen aufzubrechen.

Im persönlichen Umgang ist der AfD-Chef locker und freundlich, zeigt Witz und Charme. Auf den Hinweis, zum Gespräch im Café werde auch ein Fotograf kommen, antwortet er scherzhaft per SMS: "Oh schade, dann kann ich nicht in meinem Schlabber-T-Shirt kommen." Bystrons erklärtes Idealbild für die Gesellschaft? "Laissez-Faire, leben und leben lassen. Nicht nur hier, sondern überall."

Ob die AfD diesen Anspruch erfüllen kann, ist in der Gesellschaft leidenschaftlich umstritten. Es gibt ja auch noch die Plakate, auf denen drei Frauen in Tracht dafür werben, dass Deutschland schon genug Vielfalt biete. Die Anti-Islam-Plakate. Das klingt dann eher nach Abgrenzung als nach Laissez-Faire. Der Familienvater Bystron sagt, er sei ein "starker Vertreter einer Festung Europa". Und ein überzeugter Europäer. Bystron verteidigt den heftig umstrittenen Ausspruch der Parteivorsitzenden Frauke Petry, an der deutschen Grenze notfalls auch Schusswaffen einzusetzen. Dies sei schlicht die Darstellung der geltenden Rechtslage und nur als ultima ratio gedacht. Niemand wolle das.

Bystron ist selbst anerkannter Asylbewerber. Als Jugendlicher floh er mit seinen Eltern aus der damals noch sozialistischen Tschechoslowakei, weil er nach der verbotenen Gründung einer Pfadfindergruppe von der Schule zu fliegen drohte. Seine erste Adresse war eine Asylbewerberunterkunft in Moosach, später schlug er sich mit Jobs durch und studierte. Der Bundestagskandidat für den Münchner Norden sieht sich selbst als Überzeugungstäter in Sachen Freiheit. "Ich habe schon einmal meine Heimat verloren, weil ich in einem System der Unfreiheit leben musste." Das sei prägend. "Jetzt weiß ich, dass man die Freiheit nicht geschenkt bekommt." Bystron schloss sich der FDP an. Bis die Liberalen deutsche Finanzhilfen für Griechenland beschlossen und damit die Wähler verraten hätten. 2013 trat Bystron in die AfD ein, zwei Jahre später wurde er zum Landeschef für Bayern gewählt. Der studierte Politikwissenschaftler sieht seine Partei heute nicht viel anders aufgestellt als zu Lucke-Zeiten. Das Thema Islam habe auch damals schon einen Großteil der Mitglieder beschäftigt. Nur Lucke eben nicht. Die Partei weise heute wie damals ein breites Spektrum an Meinungen auf. Und sie polarisiere wie keine andere, hat Bystron im Wahlkampf erfahren. Bei den meisten Parteien reagierten die Menschen mit einem gewissen Gleichmut. Bei der AfD gebe es nur zwei Positionen: "entweder Ablehnung oder Begeisterung".

Die AfD macht es den Wählern aber auch nicht leicht. Häufig tauchen Provokationen von sehr rechtslastigem Charakter auf, es gibt Vorwürfe des Antisemitismus oder der Sympathie für Rechtsaußen-Organisationen. Bystron wird vom Verfassungsschutz überwacht, seit er in einem Essay lobende Worte für die als rechtsextrem eingestufte "Identitäre Bewegung" (IB) fand, die für den Erhalt der "ethnokulturellen Identität" und gegen einen angeblichen "Bevölkerungsaustausch" durch Muslime kämpft. Bystron zog vor Gericht - und errang einen Teilerfolg. Es sei unzulässig gewesen, Bystrons Namen öffentlich zu verkünden, urteilten die Richter im Juli. Die Beobachtung Bystrons wegen Anhaltspunkten für verfassungsfeindliche Bestrebungen sei aber rechtens.

Bayerns AfD-Chef sieht in dem Ganzen einen "Ausdruck der Verzweiflung der CSU". Es handle sich um eine "langfristige Strategie, mich als Extremisten darzustellen". Bystron streitet Kontakte zu den Rechtsextremen ab. Der wahre Verfassungsschutz sei die AfD. Allerdings macht er auch klar, dass er die Aktionen der IB für völlig harmlos hält. "Ich kann nicht nachvollziehen, warum die so stigmatisiert werden." Alles laufe völlig gewaltfrei ab. Laut Verfassungsschutz sei die IB nicht auf den ersten Blick als rechtsextremistisch erkennbar. Sie arbeite aber letztlich auf die "Ausweisung großer Bevölkerungsteile unter Missachtung der vom Grundgesetz garantierten Menschenrechte" hin, steht im Verfassungsschutzbericht von 2016. Die AfD nahm ihrem Landeschef diese wenig förderliche Einstufung übel, Bystron musste lange kämpfen, um auf der Bundestagsliste zumindest Rang vier zu erhalten.

Der Vater zweier Kinder weist jede Verfassungsfeindlichkeit von sich, lobt das demokratische Prinzip von Debatte und Konsens, das in Vergessenheit geraten sei. "Die Politikerkaste hat sich völlig entkoppelt", sagt er. Politik müsse wieder mit der Stoßrichtung gemacht werden, die auf dem Giebel des Berliner Reichstagsgebäudes stehe: "Dem deutschen Volke". Gesetze müssten wieder befolgt, Verträge eingehalten werden. Damit meint Bystron das seiner Ansicht nach unzulässige finanzielle Engagement für ausländische Banken oder Staatshaushalte sowie eine Vernachlässigung des Grenzschutzes, die Attentate wie das auf den Berliner Weihnachtsmarkt erst ermöglicht hätten. Bystron sieht daher als erste Amtshandlung einen "Untersuchungsausschuss Merkel". Die Bundeskanzlerin müsse für angebliche Rechtsbrüche zur Verantwortung gezogen werden.

© SZ vom 16.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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