Münchner am See:Das etwas andere Pendlerleben

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Wo ist Erst-, wo Zweitwohnsitz? Wer teils in München lebt und teils am Gardasee, fühlt sich wie im Urlaub und doch ganz anders: Monika Kellermann meidet die Straßen der Touristen. Und Rolf Klug war in elf Jahren zweimal baden

Von Dominik Hutter und Melanie Staudinger

Ohne die Nähe zu München, davon sind Rolf Klug und Uschi Caspari-Klug überzeugt, hätte es sie nicht an den Gardasee verschlagen. So aber geht es immer mal wieder heimwärts an die Isar: Biergärten und bayerische Kultur genießen. "Das ist ja nah dran", sagt Rolf Klug. Ein paar Monate München und sehr viele in ihrem Haus in Padenghe am Südwestufer des Gardasees, das sie im November 2004 bezogen haben. Den Großteil des Jahres sind die beiden hier - Pool, Garten und Hanglage mit herrlichem Blick hinunter auf den See.

Die Szenerie mit dem weiten Horizont wirkt entrückt, die Welt der Strandgänger und Quietschentenkäufer ist weit entfernt. Im Hintergrund sind die Berge zu sehen. Vielleicht zehn Münchner leben in Padenghe, schätzt Uschi Caspari-Klug, für Gardasee-Verhältnisse ist das ziemlich wenig. Aber der Südwesten, der schnell von Mailand, Bergamo oder Brescia erreichbar ist, wird nach wie vor eher von Italienern als aus Richtung Norden angefahren.

Inzwischen kennen die Klugs ihre Nachbarn gut, auch wenn Italiener deutlich zurückhaltender seien, was engere Kontakte angeht. "Das dauert ein bisschen", hat Rolf Klug festgestellt. Sehr hilfreich war, wie oft in solchen Fällen, Hund Rico. Beim Spazierengehen dient das Tier immer wieder als Türöffner für ein Gespräch, und weil er gerne einmal wegläuft, kommt man beim Suchen ganz zwangsläufig in Kontakt mit der näheren Umgebung.

Rolf Klug und Uschi Caspari-Klug genießen den Seeblick. (Foto: Johannes Simon)

Einmal hat Rico 14 Tage auf einer Putenfarm verbracht, integriert in ein ganzes Rudel Hunde. Über den weggelaufenen Rico haben Klugs auch den deutschsprachigen Stammtisch in einem nahen italienischen Biergarten kennengelernt. Man trifft sich, lädt sich gegenseitig ein, feiert zusammen - die vielen Zugereisten in Padenghe leben nicht jeder für sich allein. Auch mit dem Italienisch klappt es ziemlich gut, obwohl die Klugs nie einen professionellen Kurs belegt haben.

Dass es das Münchner Paar im Ruhestand mal an den Gardasee ziehen würde, war keineswegs ausgemachte Sache. Es gab aus der Vergangenheit keine engeren Verbindungen zum Lago, die Reisen führten eher nach Spanien oder Südtirol. Als es den Klugs in Spanien nicht mehr gefiel, haben sie sich auf die Suche nach einem neuen Auslandsdomizil gemacht. "Wasser sollte schon da sein, aber nicht mehr unbedingt das Meer", erzählt Rolf Klug, das hatten sie ja schließlich in Spanien jahrelang gehabt. Also: ein See. Es folgte eine Besichtigungstour der oberitalienischen Seen. Lago Maggiore, Lago di Como, Lago d'Idro und eben der Lago di Garda, an dem sie sich schließlich einmieten wollten.

Die Münchner und ihr Gardasee. Letzter Teil der SZ-Serie. (Foto: N/A)

Als eine Maklerin aber das Hanggrundstück in Padenghe präsentierte, ließen sich die Klugs auf das Abenteuer Hausbau in Italien ein. Rund ein Jahr hat es gedauert, dann stand das Anwesen mit dem leuchtend blauen Schwimmbecken direkt an der Terrasse. Das Wichtigste am Wohnort ist immer noch das Haus, findet Rolf Klug, der einst mit Wein gehandelt hat.

Und was macht man so am Lago, wenn man nicht gerade Lust auf einen München-Trip hat? Das Programm der Klugs klingt wie ein entspannter Dauer-Urlaub: Freunde treffen, Golf spielen, Fahrrad fahren, Ausflüge machen. Das Paar fährt gerne nach Sirmione, Mantua oder auch Venedig. Und natürlich gibt es die vielen Nahziele mit den Lieblingslokalen. Der kleine Hafen von Portesea. Restaurants in Manerba. Mal ein Konzert auf der Isola del Garda.

Touristen sind die Klugs trotzdem nicht, sie treffen nicht einmal besonders oft auf welche. Ganze zwei Mal, schätzt Rolf Klug, war er in den vergangenen elf Jahren im Gardasee baden. Auf den glasklaren Lago lässt er dennoch nichts kommen. "Der Lido hier ist wirklich schön."

Wie oft Monika Kellermann bisher an den Gardasee gefahren ist, kann sie schon längst nicht mehr zählen. Was sie aber genau weiß: Die Straße, die die Orte direkt am See miteinander verbindet, die Gardesana, nutzt sie kaum. Zu anstrengend, findet die Frau, die fast wöchentlich mit ihrem Hund Resi von Aschheim bei München zu ihrer Zweitwohnung zwischen Lazise und Bardolino im Südosten des Gardasees pendelt. Die Touristen kriechen durch die Kurven, weil sie den Ausblick genießen, an jedem Ort staut es sich, weil alle fünf Meter ein Passant einen Zebrastreifen überquert, Kreisverkehre bremsen den Fluss zusätzlich. Kellermann nimmt die Autobahn bis nach Affi. "Ich liebe es anzukommen", sagt sie. Der Gardasee reiße sie aus dem stressigen Alltag in München, sie komme zur Ruhe und gehe ihrer Leidenschaft nach: dem Recherchieren und Schreiben von Büchern.

Monika Kellermann schreibt Bücher am Gardasee. (Foto: Johannes Simon)

Kellermann hat mittags in ihre Wohnung geladen - da sei es auf der Terrasse noch nicht so heiß, was bedeutet, dass es vielleicht 33 statt 35 Grad hat. Als Vorspeise bietet sie Piadini mit Thunfisch oder Käse. Sogar die Fladenbrote hat Kellermann selbst gemacht. Danach gibt es Pasta mit frischem Büffel-Mozzarella und saftigen Tomaten. "Fertigzeug kommt bei mir nicht auf den Tisch", sagt die ausgebildete Ernährungsberaterin, die ihre berufliche Laufbahn in Dießen am Ammersee in einem Altenheim begann. Heute, mehr als drei Jahrzehnte später, hat die gebürtige Niederbayerin aus Weinberg mehr als 90 Bücher geschrieben, die meisten davon haben mit Kulinarik und Genuss zu tun. Gardasee-Liebhabern dürfte ihr Name ein Begriff sein, denn viele ihrer Werke handeln von Münchens südlichstem See: der "Genussführer Gardasee" zum Beispiel, "Gardasee - Das Kochbuch" oder "99 x Gardasee - wie Sie ihn noch nicht kennen".

Wenn jemand Kellermann vor 15 Jahren gesagt hätte, dass sie einmal einen großen Teil ihres Lebens am Gardasee verbringen würde, hätte sie das wohl vehement abgestritten. Denn der Lago sei niemals ihr Traumziel gewesen, erzählt sie. "Das erschien mir damals viel zu teuer." Nach Italien wollte die Journalistin und Buchautorin aber auf jeden Fall. Sie liebe Land und Leute und habe die Sprache lernen wollen, sagt Kellermann. Sie betrieb von 1998 bis 2010 den Weinhandel "Punto di Vino" an der Sendlinger Straße in München und wollte endlich selbst mit den Winzern verhandeln können. Ein Zimmer in einem kleinen Weindorf in Norditalien sollte es sein, günstig, nicht zu weit von München entfernt und vor allem ohne Gesellschaft von anderen Deutschen.

Doch alles kam anders: Ein Freund brauchte seine Wohnung am Gardasee nicht mehr ständig. Er fragte Kellermann, ob sie nicht in den Mietvertrag einsteigen wolle. Dort lebt sie noch heute: zwei Zimmer inklusive Küche, eine große Terrasse mit vielen Blumentöpfen und Grill, der traumhafte Blick auf den See, der Park hinter dem Haus, der den Lärm der Durchgangsstraße vom Gebäude abschirmt. Nicht zu vergessen: der Privatstrand mit Bäumen, die Schatten spenden - am Gardasee eine Seltenheit. "Ein Paradies", sagt die Autorin und das wird kaum einer bestreiten. Heute ist sie alleinige Mieterin.

Von hier aus recherchiert sie für ihre Kochbücher und Genussführer, reist am Gardasee herum oder fährt in die Abruzzen. Manchmal kommt auch Sohn Dominik vorbei, der mittlerweile auch ins Gardasee-Geschäft eingestiegen ist und eine Genuss- und Lifestyle-App betreibt. Auch Kellermann will schriftstellerisch dem Gardasee treu bleiben. Ein neues Projekt ist noch für dieses Jahr geplant. Dieses Mal versucht sie sich an einem Roman, über ihr Leben in zwei Welten, in München und am Gardasee.

© SZ vom 13.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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