München zum Raucher-Urteil:Kritik von Freund und Feind

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"Dann zettele ich eine Revolution an": Wirte, Initiativen und Behörden aus München reagieren gleichermaßen erfreut und erbost auf das Karlsruher Raucher-Urteil.

Astrid Becker

Dieser Aufruf kann nicht missverstanden werden: "Wenn sich die bayerische Staatsregierung nicht zu einer liberaleren Lösung in Sachen Rauchverbot durchringt, zettele ich eine Revolution an, wie sie Bayern so noch nicht erlebt hat." Harsche Worte, gesprochen von einer Frau, die sich als Nichtraucherin von Anfang an gegen die "Bevormundung durch den Staat am Exempel Rauchverbot" gewehrt hat: die Wirtin und stellvertretende Kreisvorsitzende des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands (BHG), Netzle-Piechotka.

Bayern - ein Verbotsstaat? Das Rauchverbot im Freistaat ist das strengste in Deutschland. (Foto: Foto: AP)

Dass die Gastronomin, die selbst Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt hat, wie viele Wirte, Initiativen und Behörden in dieser Stadt gleichermaßen erfreut und erbost auf das Urteil reagiert, hat einen einfachen Grund: Die Richter erklären sowohl einen "relativen als auch einen absoluten Gesundheitsschutz für verfassungskonform".

Das bedeutet: Eine Landesregierung kann das Rauchen in Gaststätten verbieten, darf dann aber keine Ausnahmen zulassen. Sie kann sich aber auch für eine mildere Lösung aussprechen.

Für das Münchner Kreisverwaltungsreferat (KVR) als Vollzugsbehörde ist dies Grund genug, eine Änderung des Gesetzes zu fordern, und zwar dahingehend, das Rauchen in Nebenräumen zuzulassen und den Betreibern von Einraumgaststätten mit Schankerlaubnis eine Wahlmöglichkeit einzuräumen. KVR-Chef Wilfried Blume-Beyerle: "Ich begrüße die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Nunmehr ist klargestellt, dass die unklaren Regelungen des Gesetzes und die dazugehörigen Vollzugsregelungen nachgebessert werden müssen."

Von einer Nachbesserung, die nun kommen müsse, spricht auch die Nichtraucherinitiative München - wenngleich sie naturgemäß ein anderes Ziel verfolgt. Deren Vorsitzender Ernst-Günther Krause: "Die Richter haben nun eindeutig entschieden, dass ein Rauchverbot ohne Ausnahmen verfassungsgemäß ist." Das Urteil könne als "Auftrag an die Politik verstanden werden, dies nun umzusetzen. Denn jede liberalere Regelung benachteiligt doch immer irgendwen."

Die Verbandsspitze des bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands sieht das offenbar ähnlich. So bekräftigt BHG-Präsident Siegfried Gallus nun seine einstige Forderung nach einem ausnahmslosen Rauchverbot, ergänzt dies jedoch dadurch, dass jenes dann für ganz Deutschland gelten müsse. Wenn allerdings künftig in den anderen Bundesländern liberalere Regelungen eingeführt würden, müsse dies auch in Bayern so gehandhabt werden: "Wir wollen keinen Fleckerlteppich." Bis eine neue Regelung gefunden sei, müsse die bayerische Landesregierung ihr Rauchverbot aussetzen - und zwar für alle gastronomischen Betriebsarten.

Dass dieser Forderung entsprochen wird, ist nach den Äußerungen der Staatsregierung (siehe Bayernteil) mehr als zweifelhaft. Auch die BHG-Funktionärin und Wirtin Birgit Netzle-Piechotka glaubt dies nicht, aber: "Ich habe die Hoffnung, dass das Gesetz doch noch im Sinne aller verbessert wird - sonst steht Bayern wie der letzte Depp im ganzen Land da; ein Freistaat, der nur eines ist: ein Verbotsstaat."

© SZ vom 31.07.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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