Morgensendungen im Radio:Spaßarbeiter der Frühschicht

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So früh und schon so lustig: Der Wettbewerb der Münchner Stadtradios am frühen Morgen ist knallhart - die Witzchen der Moderatoren sind umso seichter. Das geht nicht immer gut zusammen.

Michael König

Sie sind wach, wenn wir noch schlafen. Sie begrüßen uns, wenn wir uns aus dem Bett quälen. Wir treffen sie im Bad, wenn wir mit verkniffenen Augen zur Zahnpastatube greifen. Ihr Tag beginnt mitten in der Nacht, und wenn wir schwerlich ein "Guten Morgen" über die Lippen bringen, sind sie schon seit Stunden live auf Sendung. Sie sind die Morgen-Moderatoren der Münchner Stadtradios, und sie sorgen für gute Laune. Oder für das, was sie dafür halten.

"Schorsch nervt! Er hat die Heizung voll aufgedreht, der Depp!", ruft Markus Pürzer in sein Mikrofon. Es ist kurz nach sechs in der Früh, im Münchner Bahnhofsviertel herrscht eisige Kälte. Menschen mit grauen Gesichtern eilen zur Arbeit. Nur allmählich kriecht das Tageslicht aus Richtung Osten in die Innenstadt. Bei Pürzer aber herrscht schon eitel Sonnenschein.

Der ewige Praktikant

Er steht im Studio von Radio Charivari in der Paul-Heyse-Straße und lächelt seine Assistentin an. Die stimmt mit ein: "Himmel, ist das warm hier." Und dann darf auch Schorsch, der Übeltäter, etwas sagen: "Aber die Hendl sind jetzt fast schon durch." Alle drei lachen, bis das rote Licht ausgeht. Dann läuft Musik.

Markus Pürzer ist der Moderator der Morgensendung Markus & Co, die seit sechs Jahren beim Münchner Privatsender Charivari läuft. Gemeinsam mit Susanne Brückner, die nur als "Sendungsassistenz Susanne" firmiert, und dem ewigen Showpraktikanten Schorsch, der seinen wirklichen Namen nicht preisgeben will, bildet er das Team der "Morningshow", wie diese Art von Sendung im Radiodeutsch genannt wird.

Früh ist Trumpf

Es ist die wichtigste Sendung im gesamten Programm. Für viele Münchner gehört das Radio beim Aufstehen, Frühstücken und auf dem Weg zur Arbeit dazu. Die Einschaltquoten erreichen gegen sieben Uhr morgens ihren Höchststand. Entsprechend hoch sind die Werbepreise. In der Marktforschung gilt die Morgensendung nach der Musik als eines der wichtigsten Argumente für den Hörer, wenn er sich für einen Lokalsender entscheidet.

"Wenn ich den Hörer bis neun Uhr nicht für mich gewonnen habe, bekomme ich ihn gar nicht mehr", sagt Thomas Rump, Programmberater aus Freiburg, zu dessen Kunden viele große Radiosender im In- und Ausland gehören. "Deshalb investieren die Sender einen Großteil ihrer Ressourcen in die Morningshow."

Berühmt wie Walter

Der Markt ist entsprechend umkämpft. Radio Energy wirbt in der Münchner Innenstadt mit großflächigen Plakaten für seine Toast Show, Radio Charivari schaltet Anzeigen in den lokalen Boulevardmedien. Radio Arabella bedient ein Publikum weit über München hinaus und Radio 2Day versorgt die Fans gut abgehangener Hits aus den achtziger Jahren.

Der Platzhirsch unter den Stadtradios ist Radio Gong, das mit der Mike-Thiel-Show seit Jahren die höchste Reichweite in München und Umgebung erzielt. In diesem Jahr feiert der Sender, der in einem pittoresken Altbau in Schwabing residiert, 25-jähriges Jubiläum. In seiner Geschichte hat er spätere Show-Stars wie Walter Freiwald ( Der Preis ist heiß) und Mediengrößen wie Fernsehproduzent Fred Kogel oder Focus-Chefredakteur Helmut Markwort hervorgebracht.

"Wir sind authentisch"

Der selbst ernannte "Morning Man" knüpft an diese Tradition an: Thiel ist in München längst ein B-Prominenter, der beim Brötchenholen erkannt wird und auf einen Fanclub mit 100 Mitgliedern verweisen kann. "Wir sind authentisch, das zeichnet uns aus", sagt der Moderator, als er um 9.30 Uhr sein zweites Frühstück zu sich nimmt.

Von fünf bis neun Uhr war er auf Sendung, er hatte leichtes Spiel, die Themen ergaben sich von selbst: Real Madrid ist aus der Champions League ausgeschieden, die Bayern sind hingegen eine Runde weiter. Große Freude in München, große Freude im Studio. "Die Dinge, die uns interessieren, sind auch draußen auf der Straße angesagt", sagt Thiel und nimmt einen Schluck Trinkjoghurt.

Auf der nächsten Seite: Die schlimmsten Kalauer - und wie sie die Moderatoren rechtfertigen.

Wie seine Mitbewerber spielt Radio Gong viel Musik, sie macht bis zu 70 Prozent der Sendezeit aus. Hinzu kommen Nachrichten, Verkehrsmeldungen und die Wetterlage, teilweise im 30-Minuten-Takt, teilweise auch öfter. "Das sind die Dinge, die der Hörer früh am Morgen kurz und präzise abrufen möchte", sagt Programmberater Rump.

Weil diese Informationen in beinahe jeder Morningshow gleich sind, kommt es auf die Moderatoren an, die Sendung zu einer Marke zu machen. Mike Thiel macht das mit launigen Sprüchen, die aus dem Bauch heraus kommen. Darauf legt er großen Wert. Das klingt dann so: "Cristiano Ronaldo wollte sich nach dem Ausscheiden von Real Madrid vor Wut die Haare raufen. Aber dann fiel ihm ein, dass seine Nägel frisch lackiert sind."

"Da putzen! Da!"

Auch die Konkurrenz hält den Witz flach. Energy-Moderator Jan Herold ist sich nicht zu schade, im Anschluss an das Lied Die perfekte Welle der Popgruppe Juli zu kalauern: "Juli im März - ein Wahnsinn. Im Juli spielen wir dann ein Lied von einer Band, die März heißt."

Bei Charivari kommentiert Praktikant Schorsch die Alkoholfahrt von Bischöfin Margot Käßmann: "Liebe Lutheraner, Alkohol ist keine Lösung, sondern ein Destillat." In einer anderen Sendung teilt er den Hörern mit, die polnische Putzfrau habe soeben das Studio betreten und ruft ihr zu: "Da putzen! Da! Da!" Beim gemeinsamen Go-Kart-Fahren mit Hörern gibt er sich als ukrainischer Reporter "Kei Ibel" aus, der kleine Jungen in den Arm nimmt und fragt: "Gehst du auf katholische Klosterschule? Nicht? Schade!"

"Was die machen, ist Comedy"

Es ist diese Art von Humor, die manchen Hörern ein morgendliches Lächeln ins Gesicht zaubert - und anderen den Tag verdirbt. "Die Moderatoren müssen bestrebt sein, gute Laune zu erzeugen. Das ist ein wichtiger Faktor", sagt Experte Rump. Das dürfe aber nicht in "Clownerie" ausarten: "Der Hörer erwartet keine Dauerbespaßung. Das ist langfristig nicht von Erfolg gekrönt."

Die Moderatoren sehen das freilich anders. Markus Pürzer von Radio Charivari hält die "authentische Situationskomik" für ein Alleinstellungsmerkmal seiner Sendung. Und Praktikant Schorsch sagt im Hinblick auf die Konkurrenz: "Da gibt es einige, denen scheint richtig die Sonne aus dem Arsch. Aber wenn du ihnen ihr Skript weg nimmst, kommt da nichts mehr."

Zahnpasta im Mundwinkel

Marktführer Mike Thiel sagt, er könne nicht gemeint sein - er wisse gar nicht, was ein Skript ist. Und in Richtung der Mitbewerber: "Wir machen authentisches Radio. Was die machen, ist Comedy."

Das endgültige Urteil gebührt dem Hörer, wenn er morgens mit verkniffenen Augen vor dem Badezimmerspiegel steht. Gefällt ihm das Programm, wird er lächeln, bis ihm die Zahnpasta aus dem Mundwinkel quillt. Gefällt es ihm nicht, wird er sein Radio ausschalten - es sei denn, er ist selbst dafür noch zu müde.

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