Mordprozess:Wehrlosem Rivalen die Glasknochen gebrochen

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Blinde Eifersucht auf einen kranken Rollstuhlfahrer führt die Staatsanwaltschaft als Tatmotiv an: Der Angeklagte soll sein Opfer im Bett erstickt haben.

Stephan Handel

(SZ vom 1.7.2003) — Seine Freunde nannten ihn Charly — obwohl er doch eigentlich Klaus-Peter hieß. Charly war 44 Jahre alt, und er saß im Rollstuhl: Glasknochen, Osteogenesis imperfecta, eine Krankheit, bei der die Knochen so spröde sind und so brüchig wie Glas.

Jetzt ist Charly tot, und Jürgen K. ist angeklagt, ihn umgebracht zu haben, indem er ihm zahlreiche Knochen brach und ihn schließlich erstickte.

Eine Eifersuchtsgeschichte

Es ist eine Eifersuchtsgeschichte, die seit gestern verhandelt wird vor dem Landgericht München I. Jürgen K. war mit Milka zusammen, Milka, die eigentlich Ludmilla heißt, Ludmilla W., aus Polen gekommen ohne Aufenthalts- und ohne Arbeitserlaubnis. Jürgen K., 37, wollte Milka, 35 heiraten. Nur die Sache mit Charly, die stank ihm.

Denn Milka ging putzen — in der Behinderten-Wohnanlage der Pfennigparade an der Barlachstraße in Neuperlach hatte sie einige Kunden. Einer davon war Charly, Klaus-Peter S., 44, der mit dem Rollstuhl und den Glasknochen.

Bei ihm blieb Milka oft noch, wenn sie fertig geputzt hatte, sie unterhielten sich und tranken. Wenn sie dann nach Hause kam, war Jürgen K. sauer. Er soll, so die Anklage, Milka dann gewürgt und geschlagen haben.

Als das nichts half, als Milka trotzdem immer wieder bei Charly blieb, beschloss Jürgen P. — so stellt es der Staatsanwalt dar —, "diesen zur Rede zu stellen und notfalls zu beseitigen". Anfang Juni 2002 soll das gewesen sein, er fand Charly auf dem Bett liegend, hilflos: "Er brachte diesem zunächst mehrere Knochenbrüche bei. Schließlich erstickte er sein Opfer, das weder fliehen noch sich verteidigen konnte."

Als Charlys Leiche gefunden war, wurde sie obduziert. Dabei fanden die Ärzte die Verletzungen und informierten die Polizei. Die stieß schnell auf Milka und auf Jürgen K. Der Vernehmungsbeamte berichtete gestern, es sei ihm da einiges merkwürdig vorgekommen bei der Zeugenaussage, so entstand der Verdacht, Jürgen K. könnte der Täter sein.

Das Schweigen des Angeklagten

Der Angeklagte selbst sagt nichts - nicht zur Person und nicht zur Sache. Sein Anwalt Klaus Gussmann stellt Beweisanträge: Milkas Aussage bei der Polizei dürfe nicht verwertet werden, weil sie und Jürgen K. verlobt gewesen seien, also hätte Milka die Aussage verweigern dürfen, aber das sei ihr nicht gesagt worden.

Jürgen K.s Aussage dürfe nicht herangezogen werden, weil ein Teil seiner Zeugenaussage nicht protokolliert wurde, er aber im Verlauf dieser Vernehmung vom Zeugen zum Beschuldigten geworden sei.

Milka wurde wegen illegalen Aufenthalts zu vier Monaten auf Bewährung verurteilt und nach Polen abgeschoben. Charly ist tot. Der Prozess gegen Jürgen K. wird fortgesetzt.

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