Mordprozess:Sicherheitsstufe eins in Stadelheim

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Ein Formfehler im Verfahren vor der Großen Strafkammer hatte zur Aufhebung des ersten Urteils gegen Alexander Bor geführt. Nun wird der "Russenmafia-Prozess" in der Justizvollzugsanstalt Stadelheim neu aufgerollt.

Stephan Handel

(SZ vom 14.06.2003) — Handys sind verboten, Fotoapparate und Filmkameras sowieso, am Einlass werden die Personalausweise der Besucher fotokopiert und aufbewahrt: Unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen beginnt am Montag die Neuauflage des so genannten "Russenmafia-Prozesses" gegen den Weißrussen Alexander Bor. Die Verhandlung wird in der Justizvollzugsanstalt Stadelheim stattfinden — ebenfalls aus Gründen der Sicherheit.

Sämtliche Verfahrensbeteiligten stehen unter Polizeischutz, und an jedem Verfahrenstag wird ein anderer Staatsanwalt auf dem Stuhl der Anklage sitzen. Die Vorkehrungen sind offensichtlich notwendig: Während des ersten Prozesses gegen Bor im Herbst 2001 hatten mafiöse Kreise ein Kopfgeld von je 100.000 Euro auf den damaligen Staatsanwalt und auf den Ermittler der Kriminalpolizei ausgesetzt. Die beiden, obwohl nicht mehr befasst mit dem jetzigen Verfahren, werden bis heute auf Schritt und Tritt von Personenschützern begleitet.

Am 27. September 2001 hatte die Große Strafkammer des Landgerichts München I den heute 49-jährigen Alexander Bor wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Er wurde schuldig gesprochen, im Jahr 1991 auf dem Parkplatz des Ungererbads zusammen mit zwei oder drei Mittätern den Mafia-Konkurrenten Efim Laskin auf bestialische Weise erstochen haben - es ging um einen Machtkampf innerhalb einer Gruppe von Exil-Russen, die ihr Geld mit Auftragsmorden, Drogenhandel, Falschmünzerei, Raubüberfällen und Schutzgeld-Erpressung verdiente.

Bors machte Mafia-Karriere

Der Mord an Efim Laskin wirkte sich vorteilhaft auf Bors Mafia-Karriere aus: In Russland befehligte er zuletzt angeblich dreißig Schutzgeld-Banden, in den USA hielt er den Kontakt zwischen der russischen Mafia in New York und der italienischen Cosa Nostra. Festgenommen wurde er auf dem Münchner Flughafen rund zehn Jahre nach der Tat, als er nach Österreich zum Skifahren wollte.

Im ersten Prozess von 2001 war es nicht nur um die Ermordung Laskins gegangen, sondern auch um die Misshandlung einer polnischen Putzfrau in Berlin — die stundenlange Tortur der Frau, der Bor vorwarf, ihm Geld gestohlen zu haben, endete mit einer Verzweiflungstat: Die Frau sprang aus dem Fenster im zweiten Stock neun Meter in die Tiefe, um ihrem Peiniger zu entkommen. Sie überlebte schwer verletzt.

Verständlich, dass die Frau Jahre später noch große Angst vor Bor hatte — deshalb wurde er während ihrer Zeugenaussage vom Prozess ausgeschlossen. Die Strafprozessordnung sieht in diesem Fall vor, dass der Richter den Angeklagten später darüber informiert, was in seiner Abwesenheit geschah. Und hier passierte der Fehler, der den Bundesgerichtshof (BGH) im Oktober 2002 veranlasste, das Urteil insgesamt aufzuheben: Der Zeugin waren Fotos gezeigt worden. Und diese Bilder hätte danach auch der Angeklagte sehen müssen, was nicht geschah.

Aufhebung wegen Formfehlers

An der grundsätzlichen Schuld Bors hatte auch der BGH keine Zweifel. Er hielt es allerdings nicht für ausgeschlossen, dass Bor nur der Beihilfe schuldig sein könnte, also beim Mord an Laskin zugegen war, ohne selber zugestochen zu haben. Auch dafür jedoch hätte er mit Lebenslang bestraft werden können. Die Aufhebung des Urteils aus formalen Gründen hatte in der Münchner Justiz für große Empörung gesorgt.

Für den jetzigen Prozess sind sechs Verhandlungstage festgesetzt. Das Urteil wird für den 1. Juli erwartet

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