Mordfall Böhringer: Verteidiger fordern Freispruch:"Viel Tratsch und Klatsch"

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Redemarathon der Anwälte: Nach 15-monatigem Prozess halten die Verteidiger von Bence T. die Beweislage für viel zu dünn und fordern einen Freispruch.

Alexander Krug

Die Verteidiger des wegen Mordes an seiner Tante Charlotte Böhringer angeklagten Benedikt T. haben erwartungsgemäß einen Freispruch gefordert. Nach 84 Verhandlungstagen gibt es aus Sicht der Anwälte keinen einzigen sicheren Beweis für die Täterschaft ihres Mandanten. "Null mal null ergibt null", eröffnete Anwalt Peter Witting das Marathon-Plädoyer.

Wurde im Mai 2006 in ihrer Wohnung über der Parkgarage in der Baaderstraße mit einem stumpfen Gegenstand erschlagen: Die vermögende Charlotte Böhringer. (Foto: Foto: dpa)

Um 9.40 Uhr begannen die beiden Anwälte Peter Witting und Stefan Mittelbach im restlos überfüllten Schwurgerichtssaal mit ihren Plädoyers, die sich mit einer Mittagspause über den gesamten Tag hinzogen. Die vermögende Charlotte Böhringer war am 15. Mai 2006 in ihrer Wohnung über der Parkgarage in der Baaderstraße mit einem stumpfen Gegenstand erschlagen worden. Vier Tage nach der Tat wurde ihr Neffe Benedikt T. festgenommen. Er soll seine Enterbung befürchtet und deshalb seine Tante getötet haben, sagt die Staatsanwaltschaft. Unsinn, sagen die beiden Anwälte, die seit Prozessbeginn am 2. Mai 2007 die Richter von ihrer Version zu überzeugen versuchen.

Im Laufe der Verhandlung habe man viel "Klatsch" und "Tratsch" gehört, so Witting. Konkrete Beweise aber habe niemand vorgelegt. Die Ermittler hätten mit ihrer frühzeitigen und öffentlich gemachten Festlegung auf Benedikt T. als Täter eine "verheerende Wirkung" erzielt: "Sie haben sich ein bestimmtes Bild gemacht und alles, was nicht passt, weggeworfen." Stichwort Motiv: Für eine bevorstehende Enterbung des Angeklagten gebe es keinerlei Hinweise, sondern nur "Gerüchte". Ebenso verhalte es sich mit dem angeblichen "Zerwürfnis" zwischen Benedikt T. und seiner Tante.

Böhringer sei eine emotionale Person mit starken Stimmungsschwankungen gewesen, die es mit der Wahrheit nicht sehr genau genommen habe. "Sie war einsam, unglücklich und dem Alkohol nicht abgeneigt." Um Zuwendung von "sogenannten Freuden" zu bekommen , habe sie oft die "Mitleidstour" geritten. Das "Gerede" von einer Enterbung Benedikts könne nicht ernst genommen werden.

Neue Beweisanträge

Auch für eine potentielle "Geldgier" des Angeklagten gebe es keine Anhaltspunkte. Alle Zeugen hätten ihn als "bescheiden, zurückhaltend und genügsam" beschrieben. Seine Tante habe ihm monatlich 1000 Euro netto für die Arbeit in der Parkgarage gezahlt, seine Verlobte habe 2000 Euro verdient. Grotesk sei auch die Annahme der Ankläger, dass Benedikt T. seine Tante tötete, weil er nach dem Abbruch seines Jura-Studiums den Verlust ihrer Unterstützung gefürchtet habe. Im Übrigen habe Böhringer bereits im Herbst 2005 von dem Studienabbruch erfahren. Zu guter Letzt sei ein wie auch immer geartetes Motiv "noch lange kein Beweis für eine Schuld", so Witting.

Verteidiger Mittelbach widmete sich der Spurenlage, die aus seiner Sicht auch keine eindeutige Schlussfolgerungen zulasse. Die Vielzahl der Schläge gegen den Kopf von Böhringer deute auch nicht unbedingt auf eine "emotionale" Beziehung des Täters zum Opfer hin. "Kann es nicht sein, dass der Täter einfach nur sicher gehen wollte", fragte Mittelbach. Auch das Blut am Geldschein sei kein Beweis. Die Verteidiger stellten in ihren Plädoyers noch eine Reihe von neuen Beweisanträgen.

Ob und wie das Gericht auf diese Anträge reagiert ist, ebenso unklar wie der Tag der Urteilsverkündung. Bei Redaktionsschluss waren die Plädoyers noch nicht beendet. Es wird damit gerechnet, dass sie am heutigen Samstag fortgesetzt werden.

© SZ vom 19.07.2008/af - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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