Mohren im Stadtwappen:Eine erbitterte Korrekturdebatte

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Natürlich könnte man aus der Mohren- wieder die Mauritius-Apotheke machen. Aber so einfach ist das offenbar nicht

"Der Streit um den ,Mohren'" (25. Juni), "Der Mohr ist ein Zeichen von Weltoffenheit" (26. Juni), "Zeitzeichen" (27./28. Juni) und "Riesenmobiliar" (29. Juni):

Zurück zur Mauritius-Apotheke

Der "Hl. Mauritius" wird als "Mohr" begründet zum Demonstrationsobjekt der postkolonialen Anti-Rassismuskampagne! Dass der als frühchristlicher Heiliger und Märtyrer verehrte Mauritius ein Afrikaner ("Ägypter") gewesen sei, beruht ebenso auf intentionaler Legendenbildung wie der gesamte Kontext, in welchen diese Person eingebunden wurde. Es ging dabei allein darum, im "heidnischen" Rom einen Streiter für den allein seligmachenden christlichen Glauben zu heroisieren und ihn zum anbetungswürdigen Vorbild zu stilisieren. Historische Relevanz war dabei nicht beabsichtigt. Ethnische Zuordnung ebenso wenig.

Dass aus diesem Mauritius dann Moritz und schließlich der synonymische "Mohr" wurde, hat aber durchaus mit rassistischem Kolonialismus zu tun. Die Begrifflichkeit "Mohr" und "Neger" entspricht realiter dem europäisch rassistischen Überlegenheitsempfinden, welches den Welterkundungsfahrten eines Vasco da Gama, Columbus und anderer nachfolgte. Dabei wurde auch der vermeintliche "Afrikaner" St. Mauritius zum umgangssprachlichen "Mohr" - in seiner infantilsten Ausprägung zum "Sarotti-Mohr". Seine bildhafte Darstellung entspricht dabei unbestreitbar dem rassistischen Überlegenheitsdenken der weißen Kolonialherren. Und ein wirklich krasses Exemplar dieser Haltung repräsentiert eben das neuzeitliche Coburger Stadtwappen: Von wegen "Weltoffenheit" (sic!). Andernorts wurde dem "Mohrenkopf" ja immerhin noch eine christliche Märtyrer-Krone zugebilligt.

Als Gedankenspiel stelle man sich dazu vor: Die Kanaldeckel der Stadt Coburg wären mit einer ethno-neutralen mittelalterlichen Darstellung des Heiligen und der Umschrift "St. Mauritius bitte für uns" geschmückt - würden die Coburger ebenso unbefangen darauf treten wie auf das Portrait eines "Mohren", der sinnbildlich für jene Schwarzafrikaner ("Neger") steht, denen vermeintlich mit billigen Glasperlen und christlichen Worten die Schätze ihres Landes und die menschliche Würde genommen wurde?

Unser Alltag bewahrt mehr an kolonialem Rassismus, als wir gewöhnlich wahrnehmen. Ein "Gasthaus zum Mohren" und eine gleichnamige Apotheke sprachlich wieder in "Mauritius-Apotheke" zurück zu verwandeln, wäre dabei eine am leichtesten zu bewerkstelligende "Entkolonialisierung" unseres Denkens in Sprache und Kultur. Karl Heinz Stoll, Bad Bayersoien

Lehren aus dem Faschismus

Als ich Mitte der 1980er Jahre von Bozen nach München zog, wurde ich immer wieder von einer ganz seltsamen "politischen Correctness" überrascht. Auf die Frage, woher ich stamme, sagte ich, ich käme aus Bozen. Darauf wurde ich von manch intellektuellen Kreisen belehrt, ich möge doch bitte Bolzano sagen, es liege in Italien und die deutsche Stadtbezeichnung sei faschistisch und revisionistisch. Darauf musste ich immer antworten, dass es gerade der Mussolini-Faschismus war, der in Südtirol jedes multiethnische Zusammenleben ausradieren wollte: "Ein Land, eine Sprache."

Für Minderheiten gab es keinen Platz. Jede nicht-italienische Kultur wollte man ausräumen. Ortsnamen wurden italienisiert oder sogar neu erfunden (zum Beispiel Vipiteno für Sterzing).

Der "Mohren-Streit" in Coburg erinnert mich an diese blinde politische Correctness, die in die falsche Richtung führt.

Einen Afrikaner im Wappen zu haben, noch dazu einen heiliggesprochenen, der der Sage nach aus einem Königshause stammte und eine römische Legion führte, zeugt von großer Weltoffenheit und Brüderlichkeit.

Genau diese Botschaft passte nicht in die Weltanschauung der Nationalsozialisten. Der Mohr war nicht "arisch" und durfte nicht eine fränkische "germanische" Stadt schmücken. Er wurde ersetzt mit einem Dolch mit Hakenkreuz.

Das Mauritiuswappen mit dem Mohr in Coburg (auch im Wappen von Ismaning findet man ihn, in der Flagge von Korsika, selbst im Wappen von Papst Benedikt XVI.) steht für eine von multikultureller Idee geprägte Gesellschaft. Michael Borio, München

© SZ vom 04.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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