Millionärsmesse in München:Party, bis es richtig kracht

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Wahrer Luxus durchsteht jede Krise: Während draußen die Finanzkrise tobt, treffen sich die Superreichen in München zur ersten deutschen Millionärsmesse.

Charlotte Frank

Der Millionär an sich ist ja ein abstraktes Wesen. Weil wir ihm im Alltag so selten begegnen, stellen wir ihn uns am liebsten mit dickem Bauch, dicker Zigarre und dürrer Blondine vor, eine Kreuzung aus Bill Gates, Roman Abramovich und Silvio Berlusconi, die wir persönlich fast nie zu Gesicht bekommen. Schließlich passiert es nicht oft, dass sich Millionäre zusammenrotten - wie derzeit vermeintlich in München.

Das Glas Champagner immer fest in der Hand: Gäste der "Millionaire Fair" bei der Eröffnungsfeier. (Foto: Foto: Jochim)

Hunderte von ihnen treiben sich dieser Tage auf dem Messegelände der Stadt herum. Das jedenfalls behaupten die Veranstalter der Millionaire Fair, der ersten deutschen Millionärsmesse, die dort derzeit drei Tage lang stattfindet - drei Tage, "voll Luxus, Genuss und Lifestyle", werben die Veranstalter. Drei Tage, mitten in der Finanzkrise.

Es ist Donnerstagabend, die Millionaire Fair wird mit einer "VIP-Night" eröffnet. Während an den Folgetagen theoretisch selbst Hartz-IV-Empfänger Eintritt zur Messe haben, defilieren heute nur geladene Gäste über den Teppich. Draußen hatte es noch geregnet, der Wind hatte an den Frisuren gezerrt und eine Brise Currywurstgeruch vom nahen Imbiss herangeweht. Irgendwo, munkelt man, sollen Demonstranten mit Bongos gegen die Armut getrommelt haben.

Aber all das ist weit weg an diesem Abend. Niemand hier, heißt es, hat etwas gegen Arme - ihre Existenz wird nur mit jedem Schritt auf dem roten Teppich irgendwie surrealer.

Champagner im Getümmel

Der Läufer führt vorbei an einer feenhaft kostümierten Empfangsdame, dann durch zwei Metalldetektoren und eine Horde Visitenkartenjäger hindurch. Wem es anschließend noch gelingt, sich unbeschadet an den ferngesteuerten Golf-Caddies vorbeizudrücken, die am Ende des roten Teppichs führerlos durch die Gegend kreiseln, hat es geschafft: Munitioniert mit einem Glas Champagner darf er sich ins Getümmel der Reichen und - dies vorerst nur ein vager Verdacht - Möchtegern-Reichen werfen. 16.000 Quadratmeter Luxus breiten sich vor ihm aus, 100 Aussteller warten darauf, ihre Produkte zu präsentieren.

Manches davon hatte man fast erwartet - etwa den Rolls Royce, die Yacht oder die Designermöbel. Auch dass man sich hier neue Nasen und flache Pos kaufen kann - gleich mehrere Schönheitskliniken preisen ihre Dienste an - ist nicht weiter überraschend. Eine Diamantschleiferei stellt ihre funkelnden Steine aus, die Besitzerin raunt verschwörerisch: "Man darf das kaum laut sagen, aber wir profitieren von der Bankenkrise." Schließlich seien Diamanten viel verlässlicher als Aktien. Einen Einkaräter hat sie heute Abend schon verkauft, für 30.000 Euro.

Neben solchen Klassikern gibt es aber auch Tand, von dessen Existenz und Nutzen man nicht einmal geahnt hatte. Zum Beispiel den lederbezogenen Strandkorb mit integriertem Ventilator. Oder den Schuhwärmer, ein Gerät vom Aussehen einer beleuchteten Mülltonne. "Einfach 30 Sekunden lang den Fuß reinstellen, schon bleibt der 30 Minuten lang warm", weist der Verkäufer gerade einer Blondine im Negligee-artigen Abendkleid ein.

Presslufthammerführer im Abendkleid

Man möchte die Blondine gerne fragen, ob sie es nicht mal mit Wollsocken versuchen will und überhaupt, ob sie sich ausgerechnet momentan solche Dinge kaufen muss - da hält sie schon warmen Fußes auf das "Abnehmwunder" des Fitnessgerätebauers nebenan zu: eine zitternde Platte, die allein durch regelmäßiges Draufstellen die Traumfigur herbeischütteln soll.

Ihr Dekolleté ist der wackeligen Situation denkbar unangemessen, troztdem steigt die Frau auf den vibrierenden Teller und liefert dem Publikum eine recht undamenhafte Vorstellung davon, wie ein Presslufthammerführer im Abendkleid aussehen muss.

Ihre Prominenz währt aber nur kurz. Denn ein paar Meter weiter ist gerade Claudia Effenberg aufgetaucht, die Gattin des Fußballers mit dem langen Mittelfinger. Die Haare blondiert, das Schulter-Tattoo weithin sichtbar, busselt sie zwei russische Windhunde ab, die aussehen, als würden sie auch ohne diese Zumutung gleich in der Mitte durchbrechen. Frau Effenberger sagt, sie finde die Tiere "voll süß". Die Finanzkrise findet sie wahrscheinlich "voll doof", aber seltsamerweise fragt sie danach keiner der Reporter.

Unechte Millionäre

Zur Eröffnungsnacht der Millionaire Fair sind laut Veranstalter fast 1500 Gäste gekommen. "Nicht alle von ihnen sind echte Millionäre", verrät Yves Gijrath, der Chef der Luxusmesse. Niemand im Presseraum wundert sich, als er das sagt.

Gijrath, ein kleiner Holländer mit auffällig gebräuntem Teint, hat die Millionärsmesse vor sechs Jahren erfunden, seitdem tourt er mit dem Konzept erfolgreich durch die ganze Welt - Afrika mal nicht dazugezählt. "Moskau, Cannes, Shanghai", nennt er ein paar seiner letzten Stationen, "und jetzt eben München, eine Bastion des Luxus in Europa, genau richtig für eine Millionärsmesse".

Das Sprichwort vom reichen Kaufmann, der seinen Pelz nach innen trägt, hat er noch nie gehört, und dass ein deutscher Millionär auf einer Millionärsmesse eventuell weniger aufblüht als, sagen wir, ein russischer, glaubt er nicht. "Menschen, denen es gut geht, fühlen von der Millionaire Fair angezogen, ob in Dubai oder Deutschland", meint Gijrath.

Und was ist mit der Finanzkrise? "Ach, ich höre immer Krise, Krise, Krise, warum spricht mich da nur jeder drauf an?", fragt er, lacht und tätschelt der Reporterin den Arm. Als würde er ein Geheimnis ausplaudern, beugt er sich vor und sagt leise: "Es ist doch so. Wahrer Luxus durchsteht jede Krise."

© SZ vom 18.10.2008/af - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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Philipp Crone, Charlotte Frank
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