Milliardendeal in London:Feld gegen Geld

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Der neue britische Partner Centrica macht mit der Öl- und Gasförderung in der Nordsee bereits Gewinne. (Foto: Centrica)

Die Stadtwerke München bringen vor allem ihre Bohrrechte in die gemeinsame Firma ein, der britische Konzern Centrica soll dafür die teure Erschließung finanzieren

Von Heiner Effern

Am Ende verzögerten sich die Verhandlungen für den Milliarden-Deal noch einmal. Die Delegationen der Stadtwerke München (SWM) und des britischen Energiekonzerns Centrica verlängerten die Gespräche über das anvisierte Ende am Freitag hinaus, um in den Räumen der beteiligten Kanzleien nahe dem Londoner Finanzviertel letzte Details abzustimmen. In der Nacht von Samstag auf Sonntag seien die Verträge dann unterzeichnet worden, sagt SWM-Chef Florian Bieberbach. Erleichtert bis glücklich seien seine Mitarbeiter zurückgekehrt. "Die Stimmung ist sehr gut." Schließlich gehören die Stadtwerke als Juniorpartner des beschlossenen Joint Ventures nun zu den Großen im Erdgas- und Erdölgeschäft in der Nordsee. Zeiten wie seit 2015, in denen die Stadtwerke mal eben 400 Millionen Euro locker machen mussten, weil ihrer Erdgas-Tochter Bayerngas Norge das Geld ausging, sollen der Vergangenheit angehören.

Mit solchen Sorgen standen die SWM freilich nicht allein. Die seit 2015 extrem niedrigen Preise für Öl und Gas setzen vielen Energieunternehmen zu. Die Bayerngas Norge verlor, auch wegen dadurch nötiger Wertkorrekturen, im Jahr 2016 etwa 342 Millionen Euro vor Steuern. Mit Beratern hatten die SWM-Bosse, die seit 2006 mehr als zwei Milliarden in der Nordsee investiert hatten, deshalb schon seit Längerem gegrübelt, wie sie sich aus der misslichen Lage befreien könnten. Um hohe Verluste bei einem Verkauf des Gas- und Erdölgeschäfts zu vermeiden, entschied man sich, einen strategischen Partner zu suchen. Mit dem Konzern Centrica, der im Jahr 2016 insgesamt 27 Milliarden Pfund umsetzte, hoffen die SWM, den richtigen gefunden zu haben.

Die Rechnung ist einfach: Jeder der beiden besitzt etwas, was dem anderen fehlt. So verfügt die SWM-Tochter Bayerngas Norge über attraktive Bohrrechte in der Nordsee. Für die teure Erschließung fehlt ihr aber das Geld. Das verdient Centrica mit vielen bereits sprudelnden Quellen gerade reichlich, 254 Millionen Euro vor Steuern im Jahr 2016. Doch den Briten wiederum fehlen Lizenzen, die eine Perspektive bieten. Deshalb werden sie in dem neuen Unternehmen nun die Bohrungen in den Feldern der Bayerngas finanzieren und dadurch beiden eine Zukunft mit ausreichend Kapital verschaffen. Dabei werden die Partner in der Summe zwei Drittel Gas und ein drittel Erdöl fördern.

Das Joint Venture, über das der Stadtrat am Dienstag in nichtöffentlicher Sitzung abstimmen wird, soll sich selbst tragen. Wenn es Geld benötigt, soll es sich dieses auf dem Kapitalmarkt besorgen. Zuschüsse der beiden Gesellschafter sollen nicht mehr fließen. Centrica-Boss Iain Conn freut sich in einer Mitteilung seines Konzerns, dass sein Geschäft in der Nordsee "größer, zukunftsträchtiger und auch schlagkräftiger" werde. Hier hätten sich zwei gleichgesinnte Partner gefunden, die eine gemeinsame Strategie verfolgten.

Seit Monaten liefen die Verhandlungen, auch weil man sich über ein paar Hundert Millionen hier und da einigen musste. So werden die Briten bis 2022 geschätzte 388 Millionen Euro in die neue Firma einzahlen, um den teuren Rückbau von Quellen zu finanzieren, die sie bis jetzt ganz oder nahezu alleine ausgebeutet haben. Die Münchner wiederum werden das Darlehen von 400 Millionen Euro einbringen. Dieses soll aber in den kommenden Jahren zurück an die SWM fließen. Zur Debatte stand auch eine Garantie von 140 Millionen Euro, die die SWM kurzfristig gewähren sollten. Dabei geht es um die Erschließung des Feldes Hejre, die momentan wegen technischer Schwierigkeiten eingestellt ist. Diese Garantie werde die neuen Firma übernehmen, sagt SWM-Chef Bieberbach.

Auf seiner Seite ist der Deal einfach. Die SWM bringen ihre Tochter Bayerngas Norge, an der auch noch kleinere Partner unwesentlich beteiligt sind, voll ein. Centrica hingegen muss das Gas- und Erdölgeschäft aus dem Konzern herauslösen. Etwa 600 Mitarbeiter werden die Briten mitbringen, gut 60 die Münchner. Bei dieser Personalstärke werde es aber nicht bleiben, bestätigt Bieberbach. Schließlich wollen die beiden Partner durch Synergieeffekte bis zu 170 Millionen Euro einsparen. Der Firmensitz wird in London liegen, Chef wird der Centrica-Mann Chris Cox. Das klingt nach einer starken Vorherrschaft von Centrica, doch SWM-Leiter Bieberbach glaubt nicht, dass seine Belange zu kurz kommen. "So klein sind wir als Partner nicht. Wir haben darüber sehr viel verhandelt, viele Klauseln für den Schutz unserer Rechte in den Vertrag eingebracht. Allen wesentlichen strategischen Entscheidungen müssen beide Partner zustimmen."

Zwei Jahre lang soll sich die neue Firma konsolidieren, dann darf sie noch wachsen, wie Centrica-Chef Conn mitteilt. Auch der Gang an die Börse ist möglich, frühestens in drei Jahren. Unendlich größer werden darf das Gasgeschäft der Stadtwerke München aber nicht, erklärt SWM-Chef Bieberbach. Als kommunales Unternehmen gelte es, Grenzen einzuhalten. So dürften die Stadtwerke, wie es in ihrer vom Stadtrat gebilligten Strategie vorgesehen ist, etwa so viel Gas fördern, wie die Stadt München verbraucht. Sollte der Bedarf wegen des Ausstiegs aus den fossilen Brennstoffen, den die Stadt spätestens 2050 anstrebt, sinken, müssten die Stadtwerke Anteile an der neuen Firma verkaufen.

Doch momentan hoffen die Stadtwerke, ihr riskantes Geschäft in der Nordsee erst mal abgesichert zu haben. Im Winter haben sie zudem zwei ergiebige Felder in Betrieb genommen, was zu einer weiteren Entspannung bei Bayerngas Norge führt. Was bleibt, sind mögliche Turbulenzen durch den Brexit. Doch die sieht SWM-Chef Bieberbach gelassen. "Das operative Geschäft dürfte kaum betroffen sein." Bleiben die Steuern. Bieberbach geht davon aus, dass Abkommen wie vor der EU-Zeit kommen. "Dann müssen wir kaum doppelt bezahlen."

© SZ vom 18.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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