Migrantische Unternehmen:Selbstständig integriert

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Ornpreeya Hoffmann (rechts) hat - gemeinsam mit ihrem Mann Detlef Hoffmann - die Bua Siam-Thaimassage-Studios in München gegründet. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Etwa jeder zweite Gründer in München kommt aus dem Ausland. Was dabei alles zu beachten ist, kann einschüchtern - aber auch beim Ankommen helfen

Von Bernhard Hiergeist

Welche Formulare braucht man, um ein Unternehmen zu gründen? Wie versichert man sich? Gibt es einen Markt für mein Produkt? Wer sich selbständig machen will, muss unzählige Fragen klären. Und wenn Migranten das tun, kommen noch einmal besondere Herausforderungen hinzu, wie im Fall von Ornpreeya Hoffmann etwa: "Wetter, Sprache, Essen."

An einem regnerischen Tag Ende Dezember sitzt sie auf einem geflochtenen Stuhl in ihrem Massage-Studio "Bua Siam" in der Schwabinger Herzogstraße. Draußen: Kälte und Regen. Drinnen: Tee und Wärme. Kunden ziehen ihre Schuhe aus und gehen an einer kunstvoll bewachsenen Wand vorbei zu den Liegen im hinteren Bereich. Immer wieder steht Hoffmann auf, um Kunden zu begrüßen oder Reservierungen aufzunehmen. Sie tut das auf Deutsch. Es fällt kaum auf, dass sie die Sprache nicht so gut beherrscht. Mit ihrem Mann Detlef spricht sie einen Mix aus Englisch und Thai, er hilft beim Dolmetschen.

Das Paar hat sich in Bangkok kennengelernt, anfang der 2000er Jahre zogen sie mit ihren Kindern nach München, in das Millionendorf. Im Vergleich zu Bangkok sogar eher: Millioneneinöde. In ihrer Heimat hatte Hoffmann ein Restaurant und einen Videoverleih geführt. "Es war klar, dass sie auch hier wieder etwas macht", sagt Ehemann Detlef. Viele Menschen ziehen nach München, manche von ihnen wollen auch eigene Unternehmen gründen. Das kann das thailändische Massagestudio sein oder das portugiesische Spezialitätengeschäft, aber auch das von TU-Studierenden gegründete Start-up oder die Autowerkstatt des geflüchteten Afghanen.

2017 wurden in München etwa 17 000 Gewerbe angemeldet, Schätzungen zufolge etwa die Hälfte davon von Menschen ohne deutschen Pass. Die machen in München aber nur etwas mehr als ein Viertel der Bevölkerung aus. "Wir beobachten, dass in der Gruppe der Migranten überproportional häufig gegründet wird", sagt Martin Wurzer vom Migrationsbeirat. Worauf müssen also vor allem Migranten besonders achten, wenn sie gründen wollen?

Egal, welche Nationalität jemand im Pass stehen hat: Zu Beginn braucht es natürlich eine gute Idee. Ornpreeya Hoffmann etwa erkannte frühzeitig, dass thailändische Massagen in Deutschland immer beliebter werden. Seit 2000 haben immer mehr Studios eröffnet, die diese spezielle Form der Massage mit Yoga-Elementen anbieten. Gründungsberaterin Cornelia von Kapff von der Industrie- und Handelskammer (IHK) in München empfiehlt, möglichst früh einen groben Businessplan aufzustellen. "Man sollte einfach alles durchgerechnet haben", sagt sie. Wie viel muss man von seinem Produkt verkaufen, damit man die Kosten decken kann? "Dann vermeidet man eine blauäugige Notgründung, die sich gar nicht rechnen kann."

Informationen bekommen Gründer zum Beispiel von Berufsverbänden oder dem Münchner Existenzgründungs-Büro (MEB), das die Stadt gemeinsam mit der IHK betreibt. Das MEB bietet Infoveranstaltungen für Gründer und Infomaterial auch auf Englisch an. Mit der Masse kann man aber auch überfordert sein. "Hier kommen wir ins Spiel und helfen", sagt von Kapff. Etwa dabei, zu klären, ob man zuerst sein Gewerbe anmeldet oder nach einer Immobilie sucht. Oder ob man sich zuerst um die Altersvorsorge kümmern sollte. Die Beratungsgespräche im MEB werden kostenfrei angeboten.

Von Kapff beobachtet, dass heute mehr im Nebenerwerb gegründet wird. "So kann man sein Geschäft allmählich aufbauen und stürzt sich nicht direkt in ein großes Risiko." Das große Risiko haben bei der Gründung auch die Hoffmanns vermieden. Sie begannen mit einem kleinen Studio in Pasing, verteilten Flyer und warben mit Sonder-Eröffnungsangeboten. Nach und nach expandierte "Bua Siam". Heute betreibt Ornpreeya Hoffmann in München neun Filialen mit etwa 90 Mitarbeiterinnen. Ihr Mann übernimmt die Kommunikation mit den Behörden. "Wir haben Glück, weil wir so organisch gewachsen sind", sagt er.

Einmal gab es Pläne, am Isartor ein riesiges Studio mit 400 Quadratmetern zu eröffnen. Daraus wurde dann aber doch nichts. Glücklicherweise, findet das Ehepaar heute. "Ein zentralisiertes Konzept passt für München nicht", sagt Ornpreeya Hoffmann. Ein riesiges Studio mitten in der Stadt mit wenig Parkplätzen? Schwierig. Das dezentrale Konzept mit kleineren Studios in den Vierteln habe sich bewährt. Wenngleich zurzeit kein weiteres Studio geplant sei. Es sei heute nämlich sehr schwierig geworden, genügend Angestellte zu finden, erklärt Detlef Hoffmann. "Auch wir als Massagestudio bleiben nicht vom Fachkräftemangel verschont."

Das Studio "Bua Siam" ist wohl das, was Cornelia von Kapff von der IHK eine "stabile Gründung" nennt. Der Betrieb findet Beachtung: 2011 wurde er von den thailändischen Ministerien für Gesundheit und Wirtschaft zertifiziert, gewissermaßen ein Ritterschlag. Und im vergangenen Jahr erhielt Hoffmann den Phönix-Preis, mit dem die Stadt Unternehmer mit Migrationshintergrund ehrt. Damit wolle man den Blick auch auf die vielen positiven Migrationserzählungen lenken, die in der Öffentlichkeit manchmal unter den Tisch fallen, sagt Martin Wurzer vom Migrationsbeirat, der bei der Preisvergabe berät. "Das Thema Wirtschaft führt alle zusammen", sagt Wurzer. Egal ob Deutsche, EU-Ausländer oder die sogenannten Drittstaatler: Über alle Grenzen hinweg sei immer schon Handel betrieben worden. Und miteinander arbeiten oder Geschäfte machen schaffe Gemeinsamkeiten. "Insofern ist die Wirtschaft eine Integrationsmaßnahme ersten Ranges."

© SZ vom 30.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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