Meistens gesund:Lehrjahre in der Küche

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Berufsschüler für Diätetik betreiben mittags die Mensa in der Ludwig-Thoma-Realschule - und wehe, die Teller sind nach dem Essen nicht leer

Von Christina Hertel, München

Vier Kumpels sitzen zusammen in der Mensa ihrer Schule. Besteck klappert, alle quasseln durcheinander. Ziemlich warm ist es auch, aber sie behalten ihre Winterjacken an. Wie hat's geschmeckt? "Gut." Wie gut tatsächlich, verraten bloß ihre Tabletts. Bei jedem sind zwei leere Teller aufeinander gestapelt. Dann erzählen die Jungs doch noch: In einer Stunde wollen sie sich noch mal anstellen und fragen, ob etwas übrig geblieben ist. Kein Wunder, es gibt Currywurst mit Pommes.

In der Regel kochen die Berufsschüler für Diätetik in Berg am Laim ziemlich gesund. (Foto: Florian Peljak)

In der Ludwig-Thoma-Realschule in Berg am Laim kochen Schüler für Schüler: Die zweiten und dritten Klassen aus der Berufsfachschule für Diätetik bereiten das Mittagessen zu. Doch Diätetik, das hört sich so gar nicht nach Wurst mit Pommes an. Es klingt gesund, nach Rohkost und Gemüse. Also, was ist das los? Es ist Wunschtag an der Realschule. Das heißt, die Jugendlichen durften vorher über das Essen abstimmen, und da schlägt Currywurst eben Gemüseauflauf. Gar nicht schlimm, findet Verena Schlegel, die die Mensa leitet. Früher besuchte sie selbst die Berufsfachschule für Diätetik, kochte auch in der Realschule. Jetzt ist sie das Mädchen für alles: behält den Überblick über Speisepläne und Bestellungen, hat die Uhr im Auge und den Backofen. Die Schüler, sagt sie, sollen ja nicht abnehmen, sondern einfach normal essen. Currywurst sei zwar die Ausnahme, "aber ab und zu sündigen, ist auch erlaubt".

Manchmal dürfen die Realschüler entscheiden: Dann gibt es auch mal Currywurst. (Foto: Florian Peljak)

Die Kooperation zwischen der Real- und der Berufsfachschule gibt es schon seit mehr als zehn Jahren. Montags und dienstags kochen die Berufsfachschüler des zweiten, mittwochs und donnerstags die des dritten Lehrjahrs. Immer stehen zwischen 20 und 30 junge Menschen in der Küche. Vorteile hat das für beide Seiten: Die Berufsfachschüler lernen, wie man für viele gut und gleichzeitig gesund kocht. Sie können Ideen einbringen, einfach mal etwas ausprobieren. Nach der Ausbildung arbeiten viele Diätetikschüler in Küchen von Krankenhäusern oder als Ernährungsberater. Etwas Erfahrung schadet da nicht. Der Vorteil für die Realschule: Sie muss ihre Köche nicht bezahlen, spart also bei den Personalkosten. Und das gesparte Geld investiert sie in Qualität. Das meiste ist bio, nichts kommt aus irgendwelchen Dosen oder Tüten. Die Preise bleiben trotzdem günstig: 3,50 Euro kostet ein Menü mit Hauptspeise und Nachtisch. Jeder kann sich von der Salatbar so viel nehmen, wie er will. Dort gibt es nicht nur Gurken und Tomaten, sondern auch Rote Beete-, Blaukraut- oder Couscoussalat. Vegetarier, Veganer, Kinder mit Allergien bekommen immer ein extra Essen. Küchenchef ist jeden Tag ein anderer aus der Diätetikklasse - dafür erhält er hinterher eine Note. Heute ist Magdalena Sinzinger dran. Nervös wirkt sie nicht. Das liegt wohl daran, dass sie ganz anderes gewohnt ist. Sinzinger arbeitete als Konditorin in einem Hotel. "Das war doppelt so viel Arbeit im Vergleich zu hier", sagt sie. Sinzinger ist zierlich, blond, und trotzdem spürt man gleich: die kann zupacken. Schon seit etwas mehr als zwei Stunden ist sie mit ihren Klassenkollegen an der Arbeit. Um 8.15 Uhr geht es los, dann besprechen sie, was es zu tun gibt, und wer was machen soll. Mittlerweile ist fast alles fertig. In einem riesigen Topf kocht die Currysoße vor sich hin. 50 Liter für etwa 400 Schüler und Lehrer, dazu 80 Kilo Pommes und für jeden eineinhalb Würste. Ein bisschen was Gesundes gibt es aber auch heute: Sezer Tubuk, 22 Jahre alt, schnibbelt Äpfel für einen Obstsalat. "Das größte Kompliment ist ein leerer Teller", sagt er. Und um den zu kriegen, kochen die Berufsfachschüler nichts, was den Schülern so gar nicht schmeckt. "Rosenkohl gibt es bei uns nie", sagt Tubuk. Dafür verwenden sie auch nie zu viel Zucker, Salz oder Fett. "Wir denken ganz anders als gelernte Köche. Bei denen heißt es immer: Mit viel Butter schmeckt's." Ein paar Tricks wenden die Diätetikschüler auch an: die Vollkornnudeln mischen sie zum Beispiel mit den normalen aus Weizen, Gemüse schneiden sie einfach schon vorher in die Soße - so, dass die Realschüler gar nicht sofort merken, was sie da essen. "Einer sagt immer, er hat eine Zwiebelallergie, wenn er das Gemüse sieht", sagt Verena Schlegel, die Mensachefin, halb ernst, halb belustigt.

Sogar Süßigkeiten stehen manchmal auf dem Speisenplan. (Foto: Florian Peljak)

Seit Neuestem müssen die Realschüler nach dem Essen ihre Teller selber sauber machen. Wie in der Jugendherberge kratzen sie die Reste in eine Wanne. An der Wand hängen laminierte Zettel: "Am Montag wurden 45 Kilo weggeworfen." "Am Donnerstag 18,5 Kilo". Verena Schlegel will damit erreichen, dass sich die Schüler vorher überlegen, wie viel sie sich aufladen. Funktioniert das? Leonie Wedler, eine Neuntklässlerin mit langem blonden Haar, isst heute zusammen mit ihren drei Freundinnen. Die neue Abfallregelung gefällt ihnen ganz und gar nicht. Sie verziehen das Gesicht. Für die Mädchen ist das Ganze eine Strafaktion, aber eine, die offenbar wirkt. Ihre Teller sind leer. Und auch die vergangenen Tage habe sie immer aufgegessen, erzählt Leonie.

Noch bis halb drei nachmittags sind die Köche beschäftigt - mit Aufräumen, Abspülen, Putzen. Ein Stockwerk höher überlegen sich zwei Berufsfachschüler schon die Rezepte für nächste Woche: Fischstäbchen mit Kartoffelsalat und als Nachtisch Mangoschaum. Klingt wieder nach einem Essen, dass den Schülern schmecken könnte.

© SZ vom 07.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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